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Biel

Junges Paar mit Sturmgewehr erschossen

Vor 25 Jahren hat in Biel ein Prozess wegen eines brutalen Mordes stattgefunden, der sich im Bieler Bahnhofbuffet ereignete.
Das damalige Seeländer Geschworenengericht verurteilte die Tat als «grundlose Tötung».

Das Bieler Bahnhofbuffet zweiter Klasse, wie es zu Zeiten des Doppelmords im Jahr 1991 ausgesehn hat. Bild: BT
  • Dossier

Carmen Stalder

Im Oktober 1991 war im Bieler Bahnhofbuffet ein junges Paar erschossen worden. Der Fall hatte damals in der Stadt Biel für grosses Aufsehen gesorgt. Im Juni 1993, also vor genau 25 Jahren, begann dann vor dem Geschworenengericht des Seelands der Prozess um das Tötungsdelikt. Das «Bieler Tagblatt» berichtete während des eineinhalbwöchigen Prozesses fast täglich über die Verhandlung.

Am späten Nachmittag des
15. Oktober 1991 hatte ein 28-jähriger Mann mit dem Sturmgewehr das Bahnhofbuffet in Biel betreten, war zielgerichtet auf einen Tisch zugegangen und hatte eine 23-jährige Frau und einen 30-jährigen Mann mit je zwei Schüssen getötet. Panik brach aus: «Als die Knallerei losging, warfen sich alle unter die Tische in Deckung», hatte ein Augenzeuge dem «Bieler Tagblatt» erklärt. Erste Vermutungen gingen in Richtung eines Drogendelikts, da der Täter im Drogenmilieu bekannt war.

 

Täter hat keine Reue gezeigt
Zuvor hatte der Mann mit seinen Opfern im «Tiffany’s» an der Zentralstrasse einen Streit gehabt, in dessen Verlauf die Frau dem in Rage geratenen Mann Tränengas ins Gesicht gesprayt hatte. In der Folge holte er sein Sturmgewehr, um sich anschliessend ins Bahnhofbuffet zu begeben, wo er seine beiden Kontrahenten wusste. Gemäss dem Gerichtsmediziner wurden bei den beiden ersten Schüssen Schlagadern verletzt, bei den weiteren Schüssen zielte der Täter auf die Köpfe – was zum sofortigen Tod führte.

Nach der Tat begab sich der Mann nach Hause und erlitt einen Weinkrampf. «Ich weinte, weil ich mein Leben über den Haufen geworfen hatte», erklärte er der Polizei, der er sich nur wenig später gestellt hatte. Am ersten Prozesstag wurde jedoch betont, dass der Täter nie Reue gezeigt habe. «Er hat oft gesagt, er fühle sich nach der Tat befreit», berichtete der für die Vernehmung zuständige Fahnder der Kantonspolizei. Und er habe hinzugefügt: «Diese Leute mussten sterben.»

Der Täter scheint keine einfache Kindheit gehabt zu haben. Als er sieben Jahre alt war, liessen sich seine Eltern scheiden und er landete gemeinsam mit seiner jüngeren Schwester in einem Heim. Mit dem Vater, der zeitweise im Gefängnis sass, hatte er schon vorher wenig Kontakt. Nach der Schulzeit kam der junge Mann zu seinem Onkel nach Biel, um in Orvin eine Schreinerlehre zu absolvieren. Allerdings setzte ihn der Onkel bald vor die Tür und auch die Lehre schloss er nicht ab. Stattdessen schlug er sich mit Temporärarbeit durch und wurde teilweise von der Fürsorge unterstützt.

 

Fantasien und Wahnbilder
Das männliche Opfer habe er vor der Tat nur einmal von Weitem gesehen, in der Strafanstalt
Witzwil. Die Frau, im Artikel als die «drogensüchtige M.» bezeichnet, habe er auf der Terrasse der Stadtkirche kennengelernt. «Sie hat mich als Freund bezeichnet, weil ich ihr mehrmals Haschisch schenkte, als es ihr schlecht ging. Aber ich wollte nicht zu viel mit ihr zu tun haben, da ich wusste, dass sie sich Drogen spritzt.»

Während des Prozesses wurde der junge Mann vom psychiatrischen Experten als «nicht geisteskrank, aber schwer gestört» bezeichnet. Homosexuelle Fantasien und Wahnbilder hätten ihn in einen grossen Identitätskonflikt gestürzt. Wie in der Berichterstattung im BT angedeutet wird, haben ihn die beiden Opfer mit Beleidigungen zu seiner Sexualität provoziert – was ihn schliesslich zu seiner kaltblütigen Tat bewogen hat.

 

18 Jahre Zuchthaus
Im Anschluss an den Prozess, der im Bieler Stadtratssaal stattfand, fällte das Geschworenengericht sein Urteil. Es kam zum Schluss, dass die Tat die Merkmale eines Mord-Tatbestandes aufweise. Mit der Strafe von 18 Jahren Zuchthaus ging das Gericht über den Antrag des Staatsanwaltes hinaus, der 15 Jahre verlangt hatte.

Geschworenengerichte waren im 19. Jahrhundert im Rahmen der «Demokratisierung» der Justiz für schwere Kriminalfälle eingerichtet worden. Die Geschworenen waren keine Juristen, sondern meist unbeteiligte Bürger, die durch Abstimmung ein Urteil fällten. Heute gibt es sie in der Schweiz nicht mehr: Die 2011 in Kraft getretene schweizerische Strafprozessordnung sieht keine Geschworenenprozesse mehr vor.

Bis zum Prozess sass der Täter in der Sicherheitsabteilung der Strafanstalt Thorberg in Einzelhaft. Wegen Gefährdung der Öffentlichkeit wurde der Vollzug der Strafe zugunsten einer Verwahrung auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Verlesen wurde das Urteil vom Berner Oberrichter Rolf Haenssler. Dieser war unter anderem Präsident der Bieler FDP und Mitglied des nichtständigen Gemeinderats.

Ende April 2008 musste das Bieler Buffet als eines der letzten seiner Art die Tore für immer schliessen. Heute befindet sich an seiner Stelle die Schalterhalle der SBB.

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