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Biel/Nidau

Kaum ist die Autobahn vom Tisch, 
sorgt das Bähnli für rote Köpfe

Die Aare Seeland mobil ist im Gurnigelquartier auf Einkaufstour und erwirbt Land. Sie will sichergehen, dass sie eines Tages das Trassee der BTI-Bahn auf zwei Spuren ausbauen kann. Ausgerechnet die Autobahngegner sind alles andere als erfreut.

Leo Horlacher kämpfte gegen den Westast, der sein Haus an der Gurnigelstrasse zerstört hätte. «Nun hängt das nächste Damoklesschwert über mir.» Copyright: Barbara Héritier / Bieler Tagblatt

Deborah Balmer

Leo Horlacher steht im verwunschenen Garten seines Hauses an der Gurnigelstrasse 50 und blickt auf den Teich zwischen den alten knorrigen Bäumen. Der Nidauer Hausbesitzer, der direkt an der Grenze zu Biel lebt, sagt: «Schon wieder hängt das Damoklesschwert über mir.» Denn die Aare Seeland mobil AG (ASM) liebäugelt mit dem Kauf seines Gartens, genauer gesagt mit einem Teil davon. Kürzlich hat er ein schriftliches Kaufangebot erhalten: Für 300 Franken pro Quadratmeter will man ihm Land abkaufen.

Denn die ASM will bereits heute Parzellen erwerben, um sich zwischen dem Bahnhof Nidau und dem Bahnhof Biel den Platz für einen möglichen Doppelspurausbau des BTI-Bähnli zu sichern. Obwohl derzeit noch kein konkretes Projekt vorliegt, in rund 20 Jahren soll der Ausbau unausweichlich werden.

Der Zeitpunkt für den Landerwerb ist gut: Denn durch die in Biel von einer starken Opposition abgeschmetterte Autobahn ist Land frei geworden. Land, das jahrelang in einer Art Wartemodus stand, wenn eines Tages die Westumfahrung gebaut worden wäre. Genau das Autobahnprojekt bereitete Horlacher jahrzehntelang Kummer: «Ich musste ständig damit rechnen, dass eines Tages die Autobahn durch mein Haus führen wird», sagt er. «Obwohl ich natürlich die Bahn gegenüber einer Autobahn bevorzuge, ist der Doppelspurausbau die nächste Bedrohung.»

 

Erst vor wenigen Jahren hat er den Garten umgestaltet

Horlacher hat denn auch kein Interesse am Geschäft mit der Aare Seeland mobil. Unter dem Strich würden für ihn durch den Landverkauf etwa 10 000 Franken herausschauen, wie er sagt. Denn ein Teil des Landes gehört einem weiteren Stockwerkeigentümer und noch ein weiterer Teil zählt der Kanton Bern zu seinem Besitz. Total wollte die ASM 235 Quadratmeter Land erwerben.

«Da ich erst vor wenigen Jahren den Garten umgestaltet und für rund 20 000 Franken einen Teich angelegt habe, wäre dies für mich ein schlechter Handel, zudem eine Entwertung meines Gartens», sagt Horlacher. Obwohl er bereits abgesagt hat, hinterlässt das Ganze bei ihm ein flaues Gefühl im Magen: «Nach der Autobahngeschichte muss ich nun damit rechnen, dass man es für den Doppelspurausbau auf mein Land abgesehen hat.»

Wie für andere Quartierbewohner war die Situation für Horlacher jahrelang ungewiss: Wegen des geplanten Westasts durften sie ihre Häuser nicht umbauen oder unnötige Veränderungen vornehmen. Für den Stillstand im Gurnigel- und Schlachthofquartier sorgte der sogenannte Enteignungsbann, der erst vor einem Jahr aufgehoben wurde. Seit da können Eigentümer wieder frei über ihre Grundstücke verfügen.

 

«Droht nun das nächste Planungsmonster?»

Droht nun bereits neuer Ungemach? Sorgt nun statt einer Autobahn ein Bähnchen für rote Köpfe? Schenkt man der Interessensgemeinschaft (IG) «Häb Sorg zur Stadt» Glauben, steht schon die nächste Enteignung bevor und «es droht der Abriss für das nächste Planungsmonster». Das schreibt die Gruppe mit markigen Worten auf ihrer Website. Zur Erinnerung: Die IG war es, die im Kampf gegen den Westast keine der Autobahnvarianten guthiess und auch den Porttunnel ablehnt. Federführend dabei war die Bieler Journalistin Gabriela Neuhaus: «Die Bahnbosse gehen schon heute auf Einkaufstour», schreibt Neuhaus jetzt über die ASM. Sprich, sie würden Land kaufen, das es derzeit vom Kanton Bern zu erwerben gibt, weil dieser es wegen der verhinderten Autobahn nicht mehr braucht.

«Uns ärgert es sehr, dass hier offenbar hinter verschlossenen Türen Weichen gestellt werden, ohne die Anwohner zu informieren, oder gar einzubeziehen», sagt Gabriela Neuhaus, die zusammen mit anderen Mitgliedern der IG befürchtet, dass vom Ausbau der Bahn auch der alte Schlachthof und das dortige Kulturzentrum betroffen sind. Die IG zeigt auf ihrer Website einen selbstgezeichneten Plan, der zeigt, wie das BTI nach dem Ausbau verlaufen könnte (siehe Grafik). Dies aufgrund eines anderen Plans, der die ASM einem Landbesitzer zusandte.

«Dabei hat uns die Stadt Biel kürzlich versichert, dass es im Gebiet des Schlachthofes keine Planung für bauliche Veränderungen gibt», sagt Gabriela Neuhaus, die nun an dieser Aussage zweifelt. Ausgerechnet sie, die im Westastprozess immer gegen eine unterirdische Alternativlösung war, sagt nun: «Wieso überlegt man sich nicht, die BTI-Bahn unter der Erde durch zu führen?» Sicher ist für sie: «Solche Überlegungen sollte man anstellen, bevor Land erworben wird.»

 

Die Doppelspur soll längerfristig nötig werden

Die ASM bestätigt auf Anfrage, dass zwischen Nidau und Biel längerfristig ein Doppelspurausbau der Bahn nötig wird. Denn die Angebotsnachfrage im Nahbereich von Biel werde steigen. Der doppelspurige Abschnitt sei in mehreren Planungsinstrumenten eingetragen, etwa im Richtplan des Kantons Bern und im Agglomerationsprogramm Biel/Lyss der vierten Generation.

Die ASM schreibt zwar: «Aktuell planen wir zwischen Biel und Nidau keinen Ausbau. Aber im Rahmen des Eisenbahngesetzes ist man verpflichtet, vorausschauend zu planen. Aus diesem Grund werden Opportunitäten beobachtet.» Laut ASM-Sprecherin Romina Ryser finden aktuell Gespräche mit dem Kanton statt, um eine einzelne Liegenschaft zu erwerben.

Auch der Kanton Bern bestätigt, dass mit dem Verzicht auf den Westast Grundstücke frei wurden, die seinerzeit im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) durch den Kanton für die Realisierung der Autobahn erworben wurden. «Der Kanton prüft derzeit, welche der besagten Grundstücke er allenfalls für seine Zwecke ins Portfolio aufnehmen kann», schreibt Gerhard Ammann, Sprecher der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion. Man sei bezüglich deren Verwendung auch mit den Standortgemeinden und mit der Aare Seeland mobil im Austausch. «Entscheide sind noch keine gefällt worden. Ebenso sind noch keine Fristen festgelegt worden.»

 

«Eine solche Erweiterung wäre nicht im Sinne Biels»

Doch das BT weiss: Von Interesse dürfte für die ASM unter anderem die Parzelle an der Gurnigelstrasse 52 sein, welche die ASM dem Kanton Bern offenbar abkaufen will. Sie liegt wie das Haus von Leo Horlacher auf Stadtgebiet von Nidau und ist heute noch im Besitz des Kantons.

Nur wenige Meter davon entfernt, dort, wo das ASM-Bähnchen dem alten und schützenswerten Schlachthaus entlang fährt, beginnt das Gemeindegebiet Biel.

Umso erstaunter ist man bei der Stadt Biel über das Vorgehen der ASM. Auch ohne konkretes Projekt wird bereits an den Doppelspurausbau gedacht und entsprechend gehandelt – also Land eingekauft.

Biels Stadtplanerin Florence Schmoll sagt dazu: «Wir haben keine Kenntnis darüber, dass die ASM Ausbaupläne hegt.» Und obwohl die Stadt Biel in dieser Gegend auch Parzellen besitzt – dies vor allem im Gebiet des alten Schlachthofs – sei man nicht kontaktiert worden. Schmoll betont weiter, dass es wichtig sei, den Einfluss des ASM-Bähnlis auf das Stadtgebiet auch zukünftig klein zu halten. «Wir ziehen ein Nebeneinander von Autos und Bahn im Mischverkehr, so wie das heute der Fall ist, vor. Die Fläche, die die ASM beansprucht, muss auch in Zukunft so klein wie möglich sein.»

Sprich: Einen Ausbau der Bahn, der nochmals Land neben der Strasse benötigen würde, sei nicht wünschenswert. Eins sei sicher: «Wir haben keine Absicht, in den nächsten Jahren das Gebiet beim alten Schlachthof zu verändern. Es stimmt also, was ich gegenüber Frau Neuhaus gesagt habe», sagt Schmoll.

In Nidau hingegen scheint man bereits in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Dort sagt Stadtschreiber Stephan Ochsenbein, man wisse, dass die ASM mit dem Kanton Bern und Privaten in Verhandlung stehe, um Land für den dereinstigen Ausbau der Bahn auf zwei Spuren zu erwerben. «Die Gemeinde Nidau ist darüber informiert und unterstützt, dass langfristig ein Ausbau auf zwei Spuren stattfinden soll und dass dazu auch Land im Perimeter erworben werden muss», so Stephan Ochsenbein.

Stichwörter: BTI, Autobahn, Bauen, Verkehr, Auto, Biel, Nidau

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