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Jurafrage

Klares Nein zum Grosskanton

Laut einer zweiten Umfrage im Berner Jura wird die Abstimmung vom 24. November scheitern. Somit muss der Kanton Bern keine Fusions-Verhandlungen mit dem Jura aufgleisen.

Einen schweren Stand haben die Befürworter eines neuen Kantons Jura, der aus der Fusion von Berner Jura und Kanton Jura entstehen soll. Grafik: BT

Fabian Maienfisch

60 Prozent der Bernjurassier würden ein Nein in die Urne legen, wenn bereits am kommenden Sonntag über die Aufnahme von Fusionsverhandlungen mit dem Kanton Jura abgestimmt würde. Dieses Resultat hat eine zweite, repräsentative Umfrage der Meinungsforschungsanstalt Demoscope hervorgebracht, die im Auftrag der vier Titel des Bieler Medienhauses Gassmann (Bieler Tagblatt, Journal du Jura, Canal 3 und Telebielingue) durchgeführt wurde. Müssten die Stimmbürger am Sonntag über eine definitive Fusion von Berner Jura und Kanton Jura befinden, wäre das Nein sogar noch etwas deutlicher – 62 Prozent der Befragten lehnen eine Sezession von Bern ab. Gegenüber der ersten Umfrage vom letzten Juni ist das berntreue Lager deutlich gewachsen. Das Lager der Fusionsbefürworter hingegen ist bei 24 Prozent konstant geblieben. «Ich glaube, man lehnt sich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass diese Abstimmung bereits entschieden ist», sagt Marc Bühlmann, Politologe an der Uni Bern und Leiter der renommierten Fachzeitschrift Année Politique Suisse.

Nicht gefallen dürfte den Pro-Bern-Kräften hingegen das Umfrageergebnis von Moutier. Dieses ist zwar nicht repräsentativ, spricht aber eine klare Sprache: Eine Mehrheit der Stimmbürger möchte mit dem Kanton Jura verhandeln und eine knappe Mehrheit sogar den Kanton wechseln. Selbst wenn die Abstimmung vom 24. November mit einem Nein endet, wird Moutier beim Berner Regierungsrat in der Folge den Antrag auf einen Kantonswechsel stellen können – aus heutiger Sicht mit Aussichten auf Erfolg.

Weiter fällt die sehr hohe Bekanntheit der Vorlage auf. 98 Prozent der Bernjurassier wissen, über was in gut drei Wochen abgestimmt wird. Marc Bühlmann führt diese Zahl auf die hohe Emotionalität des Themas zurück. Dass sich die Leute für die Abstimmung interessieren, belegt auch der allgemein starke Rückgang der Unentschlossenen und der Stimmbürger ohne Meinung. Die Bevölkerung hat sich in den letzten Wochen informiert und sich eine Meinung gebildet. All das deutet auf eine hohe Stimmbeteiligung am 24. November hin.

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Die Sache scheint eindeutig zu sein: Die Bernjurassier wollen nicht zum Kanton Jura gehören. Diese Aussage wird belegt durch die Resultate einer zweiten repräsentativen Umfrage, die in den Monaten Juni und Oktober vom Forschungsinstitut Demoscope in 1000 Haushalten im Berner Jura durchgeführt wurde. Auftraggeber waren die vier Titel des Bieler Medienhauses Gassmann (Bieler Tagblatt, Journal du Jura, Canal 3 und Telebielingue).

Demnach sprechen sich bereits jetzt, 27 Tage vor der eigentlichen Abstimmung, 60 Prozent der Stimmberechtigten gegen eine Aufnahme von Fusionsverhandlungen mit dem Kanton Jura aus. Gegenüber der ersten Umfrage vom 11. Juni entspricht dies einer Zunahme von elf Prozent. Gleichzeitig ist das Lager der Befürworter bei 24 Prozent konstant geblieben. Folglich wechselten die unentschlossenen Stimmbürger ausschliesslich ins Pro-Bern-Lager. Bei noch gerade neun Prozent Unentschlossenen sind somit keine bedeutenden Verschiebungen mehr zu erwarten, die berntreuen Kräfte dürften den Sieg davon tragen. Die Sezessionisten und der Kanton Jura werden den Traum eines Grosskantons begraben müssen – laut Vertrag zwischen der Berner und der Jurassischen Regierung von 2012 für immer.

Junge Männer wollen nicht
Gestützt werden diese Ansichten durch weitere Zahlen aus der Umfrage. Würde am 24. November bereits über einen definitiven Zusammenschluss abgestimmt, dann würden sogar 62 Prozent der Bernjurassier ein Nein in die Urne legen (1. Umfrage: 53 Prozent). Aus der konstant hohen Ablehnung wird ersichtlich, dass die Berner Kantonsregierung in ihrem Sinne gut gearbeitet hat: Die Bernjurassier setzen die anstehende Abstimmung mit einem definitiven Kantonswechsel gleich – genau so, wie das der Regierungsrat seit diesem Sommer öffentlich propagiert.

Bei den Jungen stossen sowohl die Einleitung eines Fusionsprozesses als auch ein definitiver Zusammenschluss auf eine besonders hohe Ablehnung. Gegenüber der ersten Umfrage hat sich diese Tendenz deutlich verstärkt. 70 Prozent der 18 bis 34-Jährigen lehnen Verhandlungen (plus 16 Prozent) sowie 69 Prozent eine eigentliche Fusion (plus 13 Prozent) ab. Die Jurafrage bewegt die Jugend nicht mehr so stark wie noch ihre Eltern oder Grosseltern.

Aber auch bei den über 34-Jährigen hat die Ablehnung gegenüber Fusionsverhandlungen zugenommen. In allen Altersklassen stellen die Gegner mittlerweile die Mehrheit, mindestens 56 Prozent wollen Nein stimmen. Ähnlich sieht es bei den Geschlechtern aus: 65 Prozent der Männer (plus zwölf Prozent) und 56 Prozent der Frauen (plus zwölf Prozent) sehen keinen Sinn in Fusionsverhandlungen.

In Moutier wird es sehr knapp
Zwar sind Fusionsverhandlungen somit vom Tisch. Wie indes die einzelnen Gemeinden entscheiden werden, ist offen. In 14 der 49 bernjurassischen Gemeinden verfügen die Separatisten über einen starken Rückhalt in der Bevölkerung – dort ist die «Parti socialiste autonome» (PSA) die grösste politische Kraft, mit einem Wähleranteil von mindestens 32 Prozent. Dies ist darum von Bedeutung, weil nach dem 24. November jede Gemeinde im Berner Jura an den Regierungsrat gelangen kann, mit der Bitte, den Kanton doch noch wechseln zu dürfen.

Laut dem nicht repräsentativen Teil der Umfrage ist in Moutier heute eine deutliche Mehrheit von 57 Prozent für Fusionsverhandlungen mit dem Kanton Jura. Immerhin 51 Prozent möchten den Kanton am liebsten sofort wechseln. Moutier ist die einzige Gemeinde, die in der Umfrage separat ausgewiesen wird, weil es sich um die bevölkerungsreichste und umstrittenste Gemeinde handelt. Für Marc Bühlmann, Politologe an der Uni Bern und Leiter der Zeitschrift Année Politique Suisse, sind die Zahlen zu Moutier durchaus aussagekräftig – zumindest was die Aufnahme von Fusionsverhandlungen anbelangt. Bühlmann zieht folgendes Fazit: «Auch sehr konservativ berechnet deuten diese Antworten auf ein Ja in Moutier hin.» Die Möglichkeit besteht also, dass die rund 7500 Einwohner von Moutier in naher Zukunft den Kanton wechseln könnten.

Wirtschaft, Kultur, Politik
Doch warum will Moutier zum Kanton Jura? Als Hauptargument führen die Fusionsbefürworter historisch-kulturelle Gründe ins Feld (40 Prozent der Antworten), gefolgt von einer erhofften Stärkung der eigenen Position in einem neuen Kanton (30 Prozent). Wirtschaftliche Vorteile sieht die Bevölkerung von Moutier – im Gegensatz zur jurassischen Regierung, die damit für ihren Kanton wirbt – hingegen kaum.

Befürworter und Gegner unterscheiden sich grundsätzlich in ihrer Argumentation. «Interessant ist, dass die Gründe der Befürworter vielfältiger wurden und jene der Gegner eher einseitiger», stellt Marc Bühlmann fest. Über 40 Prozent der Berntreuen lehnen heute Verhandlungen über einen neuen Kanton aus Furcht vor wirtschaftlichen Nachteilen ab. Ein Viertel von ihnen ist mit dem Status quo zufrieden. Und 17 Prozent glauben nicht, dass die bernjurassische Mentaliät mit jener des Kantons Jura vereinbar ist – die kulturellen Unterschiede seien zu gross, so die Gegner.

Anders die Befürworter: Die Hälfte der Sezessionisten nennen in erster Linie kulturelle Gründe für einen Fusionsprozess. Und knapp ein Drittel erhofft sich mehr politisches Gewicht für den Berner Jura.

Bleibt noch die politische Zugehörigkeit von Gegnern und Befürwortern. Hier gibt es erwartungsgemäss kaum Verschiebungen. Das Pro-Bern-Lager ist grösstenteils bürgerlich, 83 Prozent der Gegnerschaft rechnet sich dieser Seite zu. Offensichtlich schaffen es SVP, FDP und BDP, ihre Wähler auf die eigene Position einzuschwören. Auf der links-grünen Seite ist die Wählerschaft gespalten. 55 Prozent sprechen sich für einen Fusionsprozess aus. Insbesondere die PSA kann ihre Leute gut mobilisieren. Hinzu kommen grosse Teile der Grünen. Die PSJB hingegen gibt sich grösstenteils berntreu.

Für die Sezessionisten scheint somit klar zu sein: Wollen sie am 24. November ein respektables Resultat erzielen, dann müssen sie den letzten Mann und die letzte Frau mobilisieren.

 

Von Bern zum Jura: das Verfahren bei einem Nein
• Bei einem Nein nehmen beide Kantonsregierungen zur Kenntnis, dass die Bevölkerung keine Gründung eines neuen Kantons Jura, inklusive Berner Jura, will.
• Die Gemeinden des Berner Juras können bis Ende November 2015 den Regierungsrat darum ersuchen, eine gesetzliche Grundlage auszuarbeiten, die ihnen einen Übertritt zum Kanton Jura ermöglicht. Diese muss anschliessend dem Grossen Rat zur Genehmigung vorgelegt werden.
• Die beiden Kantonsregierungen leiten gegebenenfalls das Verfahren für einen Kantonswechsel dieser Gemeinden ein.
• Auf Gemeindeebene wird möglicherweise 2016 eine Volksabstimmung abgehalten. Deren Resultat muss schliesslich noch vom Berner Stimmvolk in einer finalen Abstimmung bestätigt werden.
• Sobald dieses Verfahren abgeschlossen ist, gilt der sogenannte «Jurakonflikt» für beide Kantone als definitiv beigelegt.

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