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Biel

Landverkauf hat schweren Stand

Der Gemeinderat will im Bözingenfeld Land an die Firma Power Integrations Switzerland für deren neuen Hauptsitz verkaufen. Die Linke stellt sich heute Abend im Stadtrat dagegen – aus Prinzip.

Bild: Peter Samuel Jaggi

Lino Schaeren

Im Bieler Bözingenfeld will das Unternehmen Power Integrations Switzerland einen neuen Hauptsitz bauen und darin von heute 50 auf 80 Mitarbeiter anwachsen. «Wir platzen aus allen Nähten», sagt Managing Director Thomas Simonis, «unsere Mitarbeiter können es kaum erwarten, in den neuen Räumen zu arbeiten.» Nur: Damit die heutigen drei Standorte tatsächlich zu einem zusammengeführt werden, braucht es heute Abend einen Beschluss des Stadtrats. Und dieser wird das Geschäft kontrovers diskutieren. Der Gemeinderat beabsichtigt, der Firma das Land am Längfeldweg zu verkaufen – doch hier stellt sich die Ratslinke quer.

«Wir sind nur für eine Baurechtsvariante zu gewinnen», stellt Christoph Grupp für die Grüne Fraktion klar. «Das ist eine prinzipielle Frage.» Gleiches gilt für die SP: Sie stellt einen Rückweisungsantrag mit der Auflage, der Gemeinderat solle mit der Power Integrations Switzerland eine Baurechtslösung ausarbeiten. Das Vorhaben widerspreche der Praxis der Stadt, kein Land zu verkaufen. «Wir müssen Sorge tragen zum Land», sagt Fraktionschef Alfred Steinmann.

Nur hält der Gemeinderat in seinem Bericht fest: Für die Unternehmung war ein Kauf des Landes eine Bedingung für die Standortwahl, dies wegen der Praxis des amerikanischen Mutterhauses. Die Stadtregierung willigte ein und stellt denn, wohl in weiser Voraussicht, im Bericht auch gleich klar, dass sie in einem Verkauf der Parzelle keinen Verstoss gegen die Baurechtspraxis sieht. Es geht um rund 6700 Quadratmeter Land, das Geschäft sieht einen Verkauf von 3700 Quadratmetern und ein Kaufrecht für weitere 3000 Quadratmeter vor. Die Grundstücke seien «gemessen an den Reserven im Bözingenfeld relativ klein», schreibt der Gemeinderat, vor allem aber seien sie nicht Teil einer zusammenhängenden strategischen Reservefläche: Das grössere Nachbargrundstück gehört der Swatch Group.

Diese Argumentation überzeugt SP und Grüne nicht. Dass das heutige Land der Swatch Group (vormals Sputnik) überhaupt verkauft worden sei, sei «ein Sündenfall», sagt Grupp. Diesen müsse man nicht wiederholen. Und Steinmann sagt, nur weil eine Firma auf einen Verkauf poche, müsse man dem noch nicht nachkommen. «Uns erscheint es auch wichtig, Arbeitsplätze zu erhalten, aber die Stadt darf sich nicht erpressen lassen.»

«Wer hier kauft, kauft Ärger»
Bernhard Leuenberger, Vorsteher der FDP-Fraktion, nennt die Haltung der Linken «päpstlicher als der Papst» und warnt davor, dass man mit einer solchen Politik das Abwandern von Firmen riskiere. Beim Freisinn sei der Landverkauf «völlig unbestritten», man folge dem Gemeinderat. Gleich sehen das SVP und GLP. Zwar sagt Fraktionspräsident Max Wiher, dass die GLP grundsätzlich die Baurechtspolitik befürwortete, «wir ziehen diese aber nicht radikal in jedem Geschäft durch».

Auf eine Rückweisung des Geschäfts hofft der Wagenplatz «Escargot Noir». Das Kollektiv besetzt mit seinen Bauwagen seit gut acht Jahren jenen Teil der Parzelle, für den der Unternehmung Power Integrations Switzerland ein Kaufrecht für fünf Jahre eingeräumt werden und der während dem Bau des Hauptsitzes als Installationsplatz dienen soll. Die Stadt sichert der Firma deshalb zu, dass die illegale Besetzung spätestens bei Baubeginn beendet ist – notfalls mittels Räumung. Dagegen protestieren die Besetzer, sie haben heute eine Kundgebung angekündigt. «Wieder ein Fall von munterem Zubetonieren, Abholzen und Verdrängung alternativen Lebensraums durch Profitdenken!», schreibt das Kollektiv in einer Mitteilung. «Escargot Noir» fordert, auf dem Gelände bleiben zu können, bis dieses tatsächlich überbaut wird. Was das Kollektiv von den Plänen der Stadt hält, wird am Zugang auf das Gelände auf einem grossen Transparent unmissverständlich klargemacht: «Wer hier kauft, kauft Ärger», steht da geschrieben.

Keine Vereinbarung möglich
Biels Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) hält wenig von dieser Rhetorik. Biel sei grundsätzlich stolz, eine Stadt zu sein, die alternative Lebensformen unterstütze. «Escargot Noir» habe jedoch in den Jahren nach der illegalen Landbesetzung eine Vereinbarung mit der Stadt stets verweigert, wie sie etwa mit der «Schrottbar» oder dem «Pianokollektiv» getroffen worden sei. «Ich akzeptiere die Haltung, nicht Partner, sondern Besetzer sein zu wollen», sagt Steidle. «Das bedeutet aber auch, dass wir das Kollektiv nur tolerieren, nicht aber partnerschaftlich behandeln.» Sie sieht es jedoch als ersten positiven Schritt, dass «Escargot Noir» heute offiziell auftreten wolle – «wir kriegen die Mitglieder dadurch erstmals wirklich zu sehen, bisher sind sie in ihrem Schneckenhaus geblieben».

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Kredit für Westast-Dialog: «Stimmen zähneknirschend zu»
Der Stadtrat beschäftigt sich heute Abend auch mit einem nachgereichten Kreditantrag: Die Stadt soll sich mit maximal 350 000 Franken am Dialogprozess zum A5-Westast beteiligen (das BT berichtete). Dieser soll 18 Monate dauern, maximal zwei Millionen Franken kosten (aufgeteilt auf Bund, Kanton und die Gemeinden Biel und Nidau) und im besten Fall in einer breit abgestützten Empfehlung an die Behördendelegation enden, wie es mit der festgefahrenen Westumfahrung von Biel weitergehen soll. Damit der Stadtrat überhaupt über das kurzfristig nachgereichte Geschäft diskutiert, braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Diese dürfte aber Formsache sein, schliesslich hatte der Stadtrat mittels Vorstoss beim Gemeinderat einen Dialogprozess gefordert. Auch dürfte der Kredit letztlich ohne grosse Opposition durchgewinkt werden – wenn auch nicht alle mit dem Geschäft glücklich sind.

«Wir stimmen zähneknirschend zu, eigentlich müsste der Kanton die ganzen Kosten übernehmen, er hat schliesslich das Verfahren verbockt», sagt Max Wiher, Präsident der GLP-Fraktion. Indem man sich im Dialogprozess einkaufe, erhalte man aber wohl als Stadt auch etwas mehr Gewicht, hält er dem Kreditantrag zugute. «Im Interesse der Sache» zustimmen wird laut Fraktionspräsident Bernhard Leuenberger die FDP, aber auch beim Freisinn tue man dies mit Widerwillen: Die finanzielle Verantwortung liege eigentlich beim Kanton. Während man sich bei der SVP laut Fraktionschefin Sandra Schneider noch die Ratsdebatte abwarten will, legt sich die Linke fest: Man will diesen Dialog und steht deshalb auch hinter dem Kredit.

Deutlich umstrittener wird die Motion von Stadtratspräsidentin Ruth Tennenbaum (Passerelle) sein, die rasch möglichst eine Konsultativabstimmung zum A5-Westast fordert. Der Gemeinderat schlägt die Umwandlung in ein Postulat vor, Tennenbaum hat im BT aber bereits angekündigt, an der verbindlicheren Motion festzuhalten. Während FDP und SVP diese ablehnen, unterstützen SP und Grüne die Ratsvorsitzende in ihrer Haltung. Das Zünglein an der Waage könnte die GLP spielen, die laut Wiher bereit ist, die Motion zu unterstützten. Dies, da Tennenbaum zugesichert habe, festzuhalten, dass eine Konsultativabstimmung nicht unbedingt «rasch möglichst», sondern erst nach Abschluss des Dialogprozesses durchgeführt werden soll. Eine konsultative Abstimmung ist nicht verbindlich, kann in einer umstrittenen Frage aber eine entscheidende Richtungsweisung sein. lsg

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