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Biel

Lehrmeister-Prozess: Nun schalten sich Politiker ein

Der Fall des verurteilten Bieler Lehrmeisters wird im Kantonsparlament zu reden geben. Zwei Grossräte aus der Region wollen Lernende besser vor Übergriffen schützen.

Bild: Nico Kobel

Vorletzte Woche hat das Regionalgericht Berner Jura-Seeland einen Bieler Bäcker wegen mehrfacher Ausnützung einer Notlage zum Nachteil von zwei jungen Frauen schuldig gesprochen. Die Frauen waren in seinem Betrieb in die Lehre gegangen. Das ruft nun auch mehrere Politiker auf den Plan: Gleich zwei Vorstösse werden in der nächsten Grossratssession im Juni von Seeländern eingereicht.

Eine Interpellation dazu kommt von SVP-Grossrat Lars Guggisberg (Kirchlindach), der sagt: «Für junge Menschen sind der Einstieg ins Berufsleben und ihre Integrität während der Berufslehre besonders wichtig. Bei vielen geht diese Zeit einher mit der Ablösung vom Elternhaus und mit ersten Schritten in der Selbstständigkeit.» Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, wenn Personen, die trotz an Lernenden begangenen Sexualdelikten verurteilt sind, weiterhin Lernende ausbilden oder betreuen dürfen. «Mir geht es um den Schutz von jungen Menschen, aber auch um den des hervorragenden Rufs des dualen Bildungssystems, das durch solche Vorfälle natürlich in Mitleidenschaft gezogen wird», sagt Guggisberg.

Unter dem Titel «Keine Betreuung von Lernenden durch verurteilte Sexualstraftäter» richtet der Grossrat verschiedenen Fragen an den bernischen Regierungsrat.

Zur Erinnerung: Der Bieler Lehrmeister ist zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Trotz des Urteils dürfte sich der Lehrmeister in Zukunft gemäss dem Urteil des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland weiterhin um Lernende kümmern.

Inzwischen hat sich der Bäcker selbst entschieden, nicht mehr als Lernendenausbildner tätig zu sein. Er hatte sich letzte Woche über Facebook mit Namen geoutet und bekannt gegeben, dass er sich von allen operativen Aufgaben zurückzieht (das BT berichtete).

Fragen zum Austausch
Dazu Guggisberg: «Dass er offiziell die Erlaubnis hätte, weiterhin als Ausbildner von Lernenden tätig zu sein, ist absolut unverständlich und inakzeptabel –und es wirft Fragen auf.» Unter anderem will Guggisberg wissen, wie im Kanton Bern sichergestellt werde, dass verurteilte Sexualstraftäter nicht als Ausbildner von Lernenden tätig sein können. Und weiter: «Wie funktioniert diesbezüglich der Informationsaustausch zwischen der Polizei, der Justiz und des Mittelschul- und Berufsbildungsamts?»

Er fragt zudem, wie oft sich Lernende bei der Beratungs- und Fachstelle Opferhilfe im Kanton Bern wegen sexuellen Übergriffen während der Berufslehre melden. Und: Wie hoch der Regierungsrat die Dunkelziffer einschätze.

Hamdaoui mischt sich ein
Politisch in den Fall des vom Regionalgericht Berner Jura-Seeland verurteilten Bäckers einschalten wird sich auch der Bieler CVP-Grossrat Mohamed Hamdaoui. Wie Guggisberg wird auch er in der Juni-Session des Grossen Rates mittels Vorstoss zum Thema Forderungen stellen. Inspiriert durch eine Motion der Genfer CVP-Kantonsrätin Anne Marie von Arx wollte Hamdaoui bereits vor dem Bekanntwerden der Affäre um den Bieler Lehrmeister einen politischen Vorstoss einreichen, in dem es um den Schutz von Immigranten geht, die Opfer von Missbrauch werden, wie er sagt. «Das Thema beschäftigt mich schon lange, weil sich viele Betroffene aus Angst, ihre Stelle zu verlieren, in einem Übergriffsfall nicht wagen, sich zu wehren.» In Genf ging es der Politikerin Anne Marie von Arx um einen Gesetzesvorstoss: Sexistisch motivierte Gewalt müsse endlich ein Offizialdelikt werden, analog zur häuslichen Gewalt.

Hamdaoui möchte nun das Gesetz anpassen lassen, damit Lernende einen Einblick ins Vorstrafenregister eines zukünftigen Lehrmeisters werfen dürfen. «So etwas würde Lehrmeister davon abschrecken, übergriffig gegenüber Lernenden zu werden», sagt er.

Nationale Schlagzeilen
Der Fall des Bieler Lehrmeisters machte bis letzte Woche auch national Schlagzeilen. Am Ende seien es die Kunden mit ihren Boykott-Aufrufen gewesen, die ihn dazu gebracht hätten, sich trotz des Urteils aus dem Betrieb zurückzuziehen, hiess es. Deborah Balmer

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