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Biel

Mit Drogen wollte er sein Gehalt aufbessern

Ein gebürtiger Albaner soll in Biel und andernorts mit Kokain und Heroin gedealt haben. Während er selbst sich kaum einer Schuld bewusst ist, will ihn die Staatsanwältin für gut sieben Jahre im Gefängnis sehen.

Symbolbild: Keystone
Carmen Stalder
 
Der grosse Coup stand kurz bevor. Vier Männer hatten im November 2017 einen Termin vereinbart, an dem ein Kilogramm Kokain den Besitzer wechseln sollte. Ein gebürtiger Albaner versteckte die Drogen unter der Kühlerhaube seines Autos. Er liess seinen Geschäftspartner auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und fuhr ihn zur Tissot Arena im Bözingenfeld in Biel. Dort wartete bereits einer der beiden Käufer auf den Beifahrer. Die Männer einigten sich auf den Kaufpreis von 60000 Franken.
 
Zu diesem Zeitpunkt kam der Fahrer auf dem Parkplatz des Hornbach-Baumarktes an. Dort wartete der zweite Käufer auf ihn. Um die Qualität des Kokains zu testen, machte dieser ein Loch in die Verpackung und probierte von dem Betäubungsmittel. Anschliessend ging der Käufer zu seinem Fahrzeug, um eine Waage zu holen. Sobald Gewicht und Qualität des Kokains für gut befunden worden wären, hätte der zweite Käufer den Ersten telefonisch avisieren sollen, dass das Geld übergeben werden kann.
 
Doch soweit kam es nicht. Denn noch bevor das Kokain in der Waagschale landete, zeigten die beiden Käufer ihr wahres Gesicht: Sie waren als verdeckte Ermittler vor Ort. Umgehend wurden die beiden Drogenhändler von der Polizei festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt. Der Traum vom grossen Coup hatte sich schlagartig in Luft aufgelöst.
 
Unter Beobachtung
Gestern und heute steht der gebürtige Albaner, der damals als Fahrer im Einsatz stand, vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland. Dem 45-Jährigen werden insbesondere mehrfache qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen. Denn der Drogendeal im Bözingenfeld war bei Weitem nicht das einzige Mal, als es der Beschuldigte mit illegalen Substanzen zu tun gehabt haben soll. Monatelange Observierungen durch die Polizei förderten diverse krumme Geschäfte zutage. So konnten die Beamten Telefongespräche aufzeichnen, in denen der Beschuldigte mit Lieferanten über Preise verhandelte. Sie konnten eine ganze Liste mit Abnehmerinnen und Abnehmern aus Biel, Ipsach und Bern zusammenstellen. Und schliesslich stiessen sie bei mehreren Hausdurchsuchungen auf weiteres Kokain: im Nachttisch seines Zuhauses versteckt sowie in kleine Säckchen abgepackt im Kiosk, in dem er damals arbeitete.
 
Für Staatsanwältin Annelies Thomet wiegt allerdings diejenige Aktion am schwersten, die sich ein paar Monate vor der Verhaftung im August 2017 zugetragen haben soll. Damals war der Beschuldigte an einem Deal beteiligt, in dessen Rahmen fünf Kilogramm Heroin von den Niederlanden in die Schweiz gebracht werden sollten. Der Albaner erhielt im Vorfeld ein Muster von drei Gramm des Heroins und befand es für gut. Daraufhin wurden die Drogen bestellt, in einem Auto versteckt und auf den Weg in die Schweiz gebracht. Allerdings konnte die deutsche Polizei das Auto anhalten und das Heroin sicherstellen. Für Thomet steht fest: Auch wenn der Beschuldigte das Heroin nie in den eigenen Händen hielt, war er am Geschäft beteiligt und machte sich dadurch schuldig.
 
Als Drogendealer sieht sich der Mann allerdings keineswegs. Laut Annelies Thomet habe er während des Verfahrens lediglich zugegeben, mehrmals Drogen transportiert zu haben. Ansonsten habe er damit nichts am Hut. Das sei jedoch längst nicht alles gewesen, argumentierte die Staatsanwältin: Er habe das Kokain auch bei sich zuhause aufbewahrt, abgewogen und abgepackt. «Er war nicht nur der unwissende Transporteur», so Thomet.
 
Kaum integriert
Während der gestrigen Verhandlung führte er mehrmals an, sich aufgrund eines Schlaganfalls an kaum etwas erinnern zu können. «Das kann sein» und «ich weiss es nicht mehr» lauteten seine Standardsätze. Die Antworten auf die Fragen des Gerichts fielen einsilbig aus und mussten von der Dolmetscherin vom Albanischen ins Deutsche übersetzt werden. Obwohl der Mann seit über 20 Jahren in der Schweiz lebt, ist er der Sprache kaum mächtig.
 
Auch sonst scheint sein Leben nicht von Erfolg gekrönt. Mit der Arbeit in einem Kiosk verdient er sich seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als recht. Seine Frau hat ihn gemäss eigener Aussage verlassen, nachdem sie von seinem Seitensprung erfahren hatte. Weder für die vier Kinder aus seiner gescheiterten Ehe noch für den zweijährigen Sohn, den er mit seiner Freundin hat, kann er finanziell aufkommen. Und auch gesundheitlich gehe es ihm schlecht, gab er vor Gericht zu Protokoll. Ins Drogengeschäft sei er lediglich eingestiegen, um die Geldprobleme zu überwinden.
 
Dieser Aussage schenkte die Staatsanwältin kein Gehör. Seine Familie hätte er durchaus auf legalem Weg durchbringen können. Er habe mit direktem Vorsatz und in vollem Bewusstsein gehandelt, und das, obwohl er selbst keine Drogen konsumiert. Für den Beschuldigten fordert Thomet eine unbedingte Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten.
 
Verteidiger Urs Hofer dagegen will seinen Mandanten für wesentlich kürzere Zeit hinter Gittern sehen: Er fordert eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 31,5 Monaten, wovon der Beschuldigte nur acht Monate absitzen müsste. Für die grosse Diskrepanz gibt es mehrere Gründe. So führte der Rechtsanwalt aus, dass die genauen Mengen der gehandelten Drogen unklar seien. Weiter habe der Beschuldigte selbst keine Anstalten getroffen, um die knapp fünf Kilogramm Heroin in die Schweiz zu bringen. Es sei auch nicht bekannt, wer überhaupt Abnehmer für die Drogen aus den Niederlanden gewesen wäre. Und nicht zuletzt bilde der geplatzte Drogendeal im Bözingenfeld ein spezieller Fall. Die verdeckten Ermittler hätten am Telefon ein Kilogramm Kokain bestellt, was auf der Gasse vielleicht nicht der Fall wäre. «Das entspricht einer verzerrten Realität», so Hofer.
 
Wie lange der Beschuldigte tatsächlich auf seine Freiheit verzichten muss, zeigt sich heute Nachmittag: Um 14 Uhr kommt das Gericht zusammen, um das Urteil zu verkünden.
Stichwörter: Drogen, Biel, Geld, Gehalt, Polizei, Gericht

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