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Biel

Mit Sand gebaut – für die Ewigkeit

Kaum jemand weiss noch, dass das Gebäude an der Dufourstrasse in Biel, in dem sich heute Schulräumlichkeiten befinden, ursprünglich ein Kloster und später ein Pfründenhaus und Spital war.

Früher und heute: Auf der historischen Ansichtskarte, datiert auf den 20. Juli 1918, sieht man die Dufourstrasse noch mit Tramverkehr. Heute sind die Tramschienen verschwunden. Bilder: mémreg/Peter Samuel Jaggi
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Sabine Kronenberg

In den Gebäuden an der Dufourstrasse 18 und 22 in Biel befinden sich heute Schulräumlichkeiten der Stadt, der Volkshochschule und der Sanu AG. 1466 gebaut, war zumindest der westliche Teil, die heutige Hausnummer 22, ursprünglich ein Kloster. Dieses Kloster war Johannes gewidmet und deshalb bis zu seiner Schliessung in der Reformationszeit Johanniterkloster. Den Abschluss und die südöstliche Ecke des Gebäudes bildete ein Turm, der erst 1871 abgetragen wurde. Dort befindet sich heute auf dem Pausenplatz des Schulhofs eine Kunst-am-Bau-Intervention, die zum Nachdenken anregt: Der Teerboden ist spiralförmig mit dem Presslufthammer aufgebrochen und die Natur kann sich in den Bruchstellen ausbreiten, was sie seither ausgiebig tut.

 

Erstes Gymnasium

Bevor das ehemalige Kloster zu Schulräumen umgenutzt wurde, gab es jedoch noch zwei Zwischennutzungen: 1559 kam im Dufour-Gebäude zuerst ein Pfründenhaus unter, eine Anstalt für Arme, die aus verschiedensten Gründen keiner Arbeit nachgehen konnten. Verarmte, Kranke, Alte, Behinderte oder Waisen fanden hier eine Bleibe.

Später beschloss die Stadt, das Spital an die Dufourstrasse zu verlegen und mit dem Armenhaus zusammenzulegen. Nach dem Wiener Kongress von 1815 erweiterte sich der Kanton Bern um Biel und den Jura. Die Vereinigungsurkunde sah vor, das erste Gymnasium in Biel zu gründen und die Räume an der Dufourstrasse kamen wie gerufen.

Das Gymnasium zog 1817 zwar zunächst an die Untergasse in der Altstadt. Die Platzverhältnisse waren dort für 48 Schüler und fünf Lehrer jedoch schnell zu eng. Das Gymnasium blieb bis zum Bau der neuen Schulhäuser an der Alpenstrasse und schliesslich auch am Strandboden zu Beginn, respektive gegen Ende des 20. Jahrhunderts, an der Dufourstrasse angesiedelt.

Die Gebäude des ehemaligen Klosters und Spitals an der Dufourstrasse wurden über alle Jahrzehnte immer wieder den neuen Bedürfnissen der Nutzer angepasst und es kam zu verschiedenen Umbauphasen. 1871 etwa wurde ein neues Stockwerk aufgestockt, eine Aula hinzugefügt und die Fassade nach Norden mit einem Mittelrisalit, einem eingemitteten Fassadenvorsprung aus Sandstein, erneuert.

 

Nachhaltig mit Sandstein

Zuletzt sind die Dufourgebäude 18 und 22 vor zwölf Jahren im Jahr 2005 teilsaniert worden. Die Fassade aus Sandstein verkam aufgrund von Abbruchstellen immer mehr zu einem Risiko für die Allgemeinheit und die Stadt ergriff «Massnahmen zur Fassadensicherung»: Aus Kostengründen liess man die Fassade leider nicht von spezialisierten Steinhauern wiederherstellen, sondern klopfte diese lediglich auf lose Teile ab und sicherte Passanten vor herabfallenden Teilen mit einem fix installierten Netz oberhalb des Eingangs.

Heute wirkt das leider wegen dieser mangelhaften Sanierung wie eine baufällige Fassade. Trotz dieses Anscheins ist Sandstein jedoch ein viel langlebigeres und heute oft unterschätztes Baumaterial. Man rechne: Die Fassade des Dufourgebäudes bestand frühestens seit dem 15. und spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts, also einige hundert Jahre –und mindestens 100 Jahre: viel langfristiger als heute gebaut wird.

So ist Sandstein eine bis heute nachhaltige Art von Fassadengestaltung und birgt klare ökologische und energetische Vorteile, etwa gegenüber hippen Glasfassaden. Der Energieverbrauch bei der Herstellung ist im Vergleich zu anderen Baustoffen gering. Bei Gewinnung, Verarbeitung, Wiederverwendung und Rückführung zur Natur geht bei diesem Werkstoff kaum Material verloren. Die Transportwege sind kurz. Der Sandstein, der am Dufourschulhaus verwendet wurde, ist derselbe, der auch für die repräsentativen Bundesbauten Berns verwendet wurde. Seit dem Mittelalter sind Sandsteine schweizweit intensiv abgebaut worden; der Abbau konzentrierte sich im 19. Jahrhundert auf Vorkommen mit besonders günstigen Abbaubedingungen wie beispielsweise die Brüche im Berner Sandstein von Burgdorf, Krauchtal, Bolligen (Stockern), Ostermundigen – wo im Dorfkern noch heute die alte Dampflok der Steinbruchbahn steht – und Wabern. Die Fenstergewände, wie die Fensterumrahmung im Fachjargon heisst, an der Dufourstrasse bestehen im Übrigen aus dem ockergelben Hauterive-Kalkstein (pierre jaune), der östlich von Neuenburg bei La Coudre, Hauterive, St. Blaise, Cornaux und Le Landeron abgebaut wurde; diese Steingewinnung ist heute vollständig eingestellt.

Frühere Beiträge der Serie unter www.bielertagblatt.ch/dossiers/
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