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Biel

Nach fast 100 Jahren ist Schluss

Am Ende war der Aderlass zu gross: Den Frauenturnverein Biel gibt es nicht mehr. Was bleibt, sind die Erinnerungen an glorreiche Zeiten, in denen es fast zu viele Mitglieder gab.

Im Jahr 1963. Bild: zvg

Heidi Flückiger

Der Vorstand kämpfte, versuchte, das Vereinsgeschehen den aktuellen Zeiten anzupassen. Ideen wurden umgesetzt, soziale Einsätze geleistet, und der Verein nahm an verschiedenen Veranstaltungen teil. Doch irgendwann nahm der Mitgliederschwund besorgniserregende Ausmasse an. Das wirkte sich auch auf den Vorstand aus, wodurch dessen Stabilität ins Wanken geriet. Nun mussten die Turnerinnen kapitulieren. An der diesjährigen Generalversammlung ist der Verein aufgelöst worden.

«Junge aktive Mitglieder wären dringend nötig gewesen», sagt Maria Luisa Habegger aus Biel. Sie war während drei Jahrzehnten Aktivmitglied des Vereins, amtete auch einige Jahre als Vizepräsidentin und unterstützte die Vereinspräsidentin Elisabeth Borer bei den anfallenden Arbeiten. Borer übernahm das Amt im Jahr 2019, wirkte insgesamt 63 Jahre beim Verein mit. Das sind zwei Drittel der Zeit, die der Verein existierte: 94 Jahre lang gab es ihn.

 

Kaum noch Einnahmen generiert

Vor der Auflösung wies der Verein noch 26 Mitglieder auf, wovon nur 12 aktiv waren. Die niedrige Anzahl Mitglieder führte auch zu finanziellen Engpässen des Vereins. Einnahmen konnten kaum noch generiert werden. Bei Anlässen versuchten die Turnerinnen die Finanzen mit dem Verkauf von gefärbten Ostereiern, Dekoartikeln oder Schätzspielen aufzubessern. «Eine wichtige finanzielle Stütze für den Verein waren die Spenden von treuen Mitgliedern», sagte Maria Luisa Habegger. Das noch vorhandene Vermögen von 1215 Franken kam dem Verein Tierpark Biel zugute.

Der Frauenturnverein Biel hatte aber auch seine Blütezeit. Im Jahr 1964 zählte er 61 und im Jahr 1968 gar 93 Mitglieder. Anhand der vielen aktiven Turnerinnen wurde sogar der Platz in der Sporthalle knapp und musste der Vorstand die Mitgliederwerbung stoppen.

Zustande kam der Frauenturnverein Biel auf Anregung von Therese Jost sowie Frauen der damaligen Damenriege des Bürgerturnvereins Biel. Vollzogen wurde dessen Gründung im Jahr 1927. Erste Präsidentin wie auch Mitbegründerin war Marta Alioth, und der erste Vereinsleiter hiess Fritz Alioth. Nach ihm übernahmen ausgebildete Leiterinnen den Turnunterricht. Zu Beginn trafen sich die Freizeitsportlerinnen in der Halle des Gymnasiums an der Alpentrasse in Biel, wechselten aber einige Male die Hallen. Zuletzt turnten sie im Schulhaus Rittermatte Ost in Biel.

 

In den Kriegsjahren soziale Institutionen unterstützt

«Zuletzt haben wir nur noch interne Anlässe für die Mitglieder organisiert, wie Generalversammlungen sowie Oster- und Weihnachthöcks», sagt Maria Luisa Habegger. Während vieler Jahre waren die Turnerinnen aber auch sonst sehr aktiv. Sie organisierten Unterhaltungsabende, wurden Mitglied des Seeländischen Frauenturnverbandes, aus dem sie Ende November 2001 ausgetreten sind, beteiligten sich an Eidgenössischen Turnfesten in Genf, Winterthur, Luzern, Bern und Liestal, unterstützten während der Kriegsjahre soziale Institutionen und feierten ihre Jubiläen. Als im Jahr 1947 zum ersten Mal die Teilnahme an einem Eidgenössischen Turnfest zur Diskussion stand, gab bei den Turnerinnen vor allem die Kleidung zu reden. Bei solchen Sportveranstaltungen war sie meist farbig und kurz.

 

Mit dem Roten Pfeil durch die Schweiz

Auch ausserhalb des Turnunterrichts pflegten die Vereinsmitglieder den Zusammenhalt. Sie unternahmen Wanderungen, Ausflüge mit dem Car oder dem Schiff, und sie reisten dreimal mit dem Roten Pfeil durch die Schweiz. Als Roter Pfeil wurden in den 1930-Jahren die Leichttriebwagen der Schweizerischen Bundesbahnen bezeichnet, die auf Strecken mit niedrigem Verkehrsaufkommen unterwegs waren.

Auch wenn der Verein nicht mehr besteht, den Zusammenhalt wollen die Frauen beibehalten. «Wir werden uns weiterhin zu Weihnachthöcks treffen und auch andere Aktivitäten unternehmen», sagt Maria Luisa Habegger.

Es gibt immer mehr Vereine, die unter Mitgliedermangel leiden. Etliche entgehen der Auflösung durch den Zusammenschluss mit einem anderen, der dieselben Interessen verfolgt. Auch Turnverbände haben sich dadurch schon ihren Weiterbestand gesichert. Aus der Fusion des Seeländischen Turnverbandes und des Seeländischen Frauenturnverbandes beispielsweise entstand der Turnverband Bern Seeland (TBS), der am 1. Dezember 2001 gegründet wurde.

Zu dessen 69 Mitgliedervereinen zählen auch 24 Frauenturnvereine. Ob gerade Frauenturnvereine stärker in ihrer Existenz bedroht sind, habe im Seeland aber nicht beobachtet werden können, sagt Sammy Morgenthaler, Präsident des Turnverbands Bern Seeland. «Im Seeland blieb die Anzahl Turnvereine allgemein konstant, was uns sehr freut», sagt er.

 

Nicht mehr am grossen Event in Lyss und Aarberg

Am «Bärner Kantonalturnfescht» 2022 haben solche Sportvereine einen ihrer grossen Auftritte in diesem Jahr. Das Fest findet im Juni in Lyss und in Aarberg statt. Daran beteiligen sich auch 62 Seeländer Mitgliedervereine des Turnverbandes Bern Seeland, wovon 17 Frauenturnvereine. Aber einer wird fehlen: der Frauenturnverein von Biel.

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