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Zeitreise

«Rauchfrei? Keine Notwendigkeit»

Restaurants und Bars ohne Zigarettenrauch? Undenkbar. Zumindest vor 25 Jahren. Damals suchte man in Biel vergebens nach einem Ort, an dem man ohne Qualm essengehen konnte. Und heute? Undenkbar.

Ob im «Cécile» oder im «Rotonde»: Geraucht wird nur noch auf der Terrasse. copyright/Matthias Käser

Hannah Frei


Ein Teller frische Pasta mit hausgemachtem Pesto, würzigem Parmesan, einem kleinen grünen Salat, dazu ein kühles Bier – und eine Brise Zigarettenqualm. So in etwa wird ein Abendessen in einem Seeländer Restaurant im Jahr 1994 ausgesehen haben. Denn wo gegessen wurde, wurde auch geraucht. Die Nichtraucher wurden zu Mitrauchern, ohne gefragt zu werden. Gemäss den aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2017 betrifft dies drei Viertel der Bevölkerung über 15 Jahre. 27 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sind Raucher. 1994 waren es noch zirka 30 Prozent. Doch damals gab es für die Restlichen kaum rauchfreie Orte in Restaurants, obwohl das Passivrauchen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann (siehe Infobox).


Als dann 2010 das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen in Kraft getreten ist, wurden die Aschenbecher und der Qualm aus den Restaurants und Bars verbannt. Was schier unglaublich schien, ist heute zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.


Kein rauchfreies Restaurant
Eine Umfrage von 1994 des «Bieler Tagblatt» bei Restaurants in der Stadt hat ergeben, dass ein Rauchverbot in den Räumen unvorstellbar wäre. So etwa im Hotel Elite. Dort sei zu dieser Zeit «noch nie nach einem rauchfreien Platz im Restaurant verlangt» worden. Daher habe es auch keine Nichtraucherzone gegeben. Und auch im «Rotonde» sah man «keine Notwendigkeit» für eine Nichtraucherzone, wie der ehemalige Besitzer Therry Fischer 1994 sagte. Zudem sei der Zigarettenautomat im «Rotonde» einer der am meistbenutzten in der Stadt gewesen.


Als innovativ galt hingegen das Tea-Room Rüfenacht, das heutige «Chez Rüfi», weil dort bereits Anfang der 90er-Jahre zwischen dem Verkaufsraum der Bäckerei und dem Lokal eine rauchfreie Tischreihe eingerichtet wurde. Laut dem damaligen Seniorchef Fred Rüfenacht haben viele Kunden diese Einrichtung geschätzt und sie rege genutzt. Christoph Rüfenacht, Sohn von Fred Rüfenacht und Co-Geschäftsführer von «Chez Rüfi», kann sich noch gut an die Zeit der qualmerfüllten Restaurants und Cafés erinnern. «Meine Kleidung hat stets nach Rauch gerochen, obwohl ich nie geraucht habe», sagt er. Über die Trennung der Theke und des Cafés durch eine rauchfreie Reihe kann er heute nur noch lachen. Diese habe ihren Zweck keineswegs erfüllt. Schliesslich befand sich trotzdem alles in ein und demselben Raum.


Das «Chez Rüfi» hat in punkto rauchfreie Lokale jedoch eine Vorreiterrolle eingenommen: zirka ab 1998, also 12 Jahre bevor das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen eingeführt wurde, war das Café im Innenbereich rauchfrei. Nur im Innenhof am alten Standort durfte noch geraucht werden. Es habe sich zwar Opposition von den Rauchern geregt, aber dies habe sich nach ein paar Tagen wieder gelegt. Grundsätzlich seien durch den Wechsel nicht weniger Gäste zu ihnen gekommen. Im Gegenteil: Viele Nichtraucher hätten es von Anfang an begrüsst. Nicht aber sein Vater, Fred Rüfenacht, der sich mit dem Rauchverbot zu Beginn nicht richtig anfreunden wollte.

«Während sich die Gäste an das Rauchverbot gehalten haben, hat er hinten noch ab und an eine Zigarette geraucht, aus Protest», sagt Rüfenacht. Aber auch er habe sich nach ein paar Wochen mit dem Rauchverbot abgefunden. Heute könnte sich Christoph Rüfenacht nicht mehr vorstellen, in einem Raucherbetrieb zu arbeiten.


Umstellung fiel nicht leicht
Auch im «Rotonde» weht heute ein anderer Wind – ohne Rauch. Und auch dort gibt es heute kein Fumoir. Laut Geschäftsführer Eric Rouchon war die Umstellung nach der Einführung des Rauchverbots jedoch nicht leicht. «In den ersten paar Wochen wollten die Kunden nicht nach draussen gehen, um zu rauchen», sagt er. Man habe damals mit dem Gedanken gespielt, ein Fumoir einzurichten, diese aber nach einiger Zeit wieder verworfen. Denn die Gäste hätten sich nach ein paar Monaten mit dem Rauchverbot abgefunden. Finanzielle Einbussen seien dadurch jedenfalls keine entstanden.


Im Hotel Elite am Bieler Guisanplatz hat sich seit der Einführung des Passivraucher-Gesetzes viel getan. Aus einem Restaurant wurden zwei: eine Filiale der italienischen Kette «L’Osteria» im Erdgeschoss und das «L’Entrecôte» im obersten Stock. In Letzterem kommen die Raucher aber weiterhin auf ihre Kosten: Im vergangenen November wurde dort eine Zigarren-Lounge für Hotel- und Restaurantgäste eröffnet. Laut Hotel-Direktor Geev André Bahrampoori habe man sich ganz bewusst für ein solches Fumoir entschieden. «Wir wollen den Gästen die Möglichkeit bieten, sich dort eine Zigarre zu gönnen und in diesem Rahmen Unterhaltungen zu führen», sagt er.


Dass sich aber auch Nichtraucher wie beispielsweise das Service-Personal oder die Reinigungskräfte in der Lounge aufhalten, hält er für unbedenklich. Schliesslich würde die Bedienung lediglich einige Minuten im Raum verbringen, um Bestellungen aufzunehmen oder zu servieren. Und die starke Lüftung würde dafür sorgen, dass auch das Putzpersonal nicht in einem rauchgefüllten Raum arbeiten müsse.


Könitzer erinnert sich
Das Rauchverbot wurde 2010 nicht nur in Restaurants und Bars eingeführt, sondern auch in Produktionshallen und Büros, zumindest in solchen, in denen regelmässig Sitzungen abgehalten wurden. Auch darüber wurde im «Bieler Tagblatt» berichtet. Auffallend waren damals die Aussagen des ehemaligen Regierungsstatthalters, Werner Könitzer (SP), der auch weiterhin gerne und viel in seinem Büro geraucht hat. Denn sein Büro hat er stets als einen nicht öffentlichen Raum bezeichnet. «Damit konnte ich mich immer rausreden», sagt er heute. Wenn sich seine Angestellten einmal in sein Büro verirrten, hätten sie ihn jedes Mal ermutigt, doch bitte das Fenster aufzumachen und zu lüften.


Das war damals, vor rund neun Jahren. Heute aber ist alles anders: Könitzer ist längst in Pension gegangen und hat das Rauchen aufgegeben. «Vor 195 Tagen», sagt er voller Stolz. Und obwohl auch er es schätzt, beim Essen im Restaurant nicht mehr vollgequalmt zu werden, hielt er die Einführung des Rauchverbots in Bars und Restaurant für «ungeschickt». Mit diesem späten Entscheid – Länder wie Italien oder Grossbritannien haben das Rauchverbot in öffentlichen Räumen schon Jahre zuvor eingeführt – sei die Schweiz dem restlichen Europa hinterhergehinkt. Besser wäre es laut Könitzer gewesen, wenn sich ein paar Seeländer Wirte bereits zuvor zusammengetan und rauchfreie Bereiche eingeführt hätten, ohne den Druck durch ein striktes Verbot. Damit hätten sich die Betriebe den Stress bei der Umstellung sparen können. Und der Aufschrei wäre dann weniger laut ausgefallen, so Könitzer.


Doch weshalb gab es diesen Aufschrei überhaupt, wenn sich doch heute kaum jemand mehr in ein Raucherabteil setzen möchte? «So ticken die Menschen, sobald in der Gesellschaft eine Veränderung provoziert wird», sagt Könitzer. Ob nun bei der Einführung des Katalysators oder der Gurttragepflicht, die Menschen würden sich gegen die Veränderung stellen. So sei es auch beim Rauchverbot gewesen.
Er habe sich persönlich aber niemals über das Verbot geärgert, auch damals nicht, als er noch ein starker Raucher war. Auch dass im kommenden Jahr alle Schweizer Bahnhöfe rauchfrei werden, findet er noch in Ordnung, jedoch mit Vorbehalten: «Im Freien sollte man noch rauchen dürfen. Irgendwo gibt es eine Grenze», sagt Könitzer. Er erwarte halt aber auch von Allen und überall etwas Toleranz. Und er wünscht sich, dass sowohl die Raucher als auch die Nichtraucher in Zukunft etwas weniger «missionieren».

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