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Biel

Scheint die Sonne, sind die Terrassen voll

Seit einer Woche sind die Restaurantterrassen wieder offen. Bieler Wirtinnen und Gastgeber ziehen eine positive Zwischenbilanz – auch wenn es aktuell schwierig ist, rentabel zu arbeiten.

Noch gibt es im «Brésil» keine warme Küche, die Köche sind weiterhin in Kurzarbeit. Yann Staffelbach

von Carmen Stalder

Betreiberinnen und Betreiber von Restaurants waren in den vergangenen Monaten nicht mit Glück gesegnet. Mal mussten sie ihre Lokale dichtmachen, dann fiel wegen verkürzten Öffnungszeiten das Abendgeschäft weg oder sie durften nur noch Take-away anbieten. Seit einer Woche ist es nun wieder erlaubt, Restaurantterrassen für den Betrieb zu öffnen. Und für einmal hatten die Wirtinnen das Glück auf ihrer Seite: Ab Mitte Woche wurde das Wetter immer besser und insbesondere am Wochenende herrschten warme Temperaturen und viel Sonnenschein.

Die grössten Glückspilze unter den Restaurants sind in dieser Zeit naturgemäss diejenigen, die über grosse und sonnenverwöhnte Aussenplätze verfügen. Bestes Beispiel in der Bieler Innenstadt ist das «Arcade»: Direkt am Zentralplatz gelegen, verfügt das Restaurant über 120 Terrassenplätze – und diese waren in den vergangenen Tagen nicht selten allesamt besetzt. Es sei sehr gut gelaufen, sagt Gastgeber Ron Fischer: «Am Abend überquillt die Terrasse jeweils.» Die Restaurantbesucher zeigten eine grosse Lust, rauszugehen – und zwar auch abends, wenn die Temperaturen einen dann doch noch etwas frösteln lassen.


Treue Stammkunden

Das Café Brésil am Bahnhofplatz verfügt ebenfalls über eine Terrasse an zentraler Lage. Noch ist die Küche geschlossen, da es sich gemäss Geschäftsführerin Jessica Maurer mit den aktuellen Bedingungen nicht lohnen würde, die Köche aus der Kurzarbeit zurückzuholen. Ihre Stammkunden seien aber glücklicherweise trotzdem zurückgekehrt. «Für sie haben wir gerne geöffnet.»

Das «Du Bourg» in der Bieler Altstadt hat am Freitag zum ersten Mal unter dem neuen Gastgeberduo Fiona Liengme und Christian Aeby seine Türen geöffnet. «Wir hatten einen super Start», sagt Liengme. Die Gäste seien am Wochenende bis nach 22 Uhr draussen gesessen. Am Samstag konnte das Lokal zudem von den Marktbesucherinnen profitieren.

Kallee Subramaniam, Geschäftsführer und Koch im «Samawat», bedauert, auf seiner Terrasse nicht mehr Platz zu haben: «Alle Gäste wollen einen Sonnenplatz, draussen haben wir jedoch nur acht Tische.» Bei schönem Wetter seien diese gut ausgelastet, ohne Reservation bekomme man abends kaum einen Sitzplatz.

Mühe bekunden die befragten Gastronomen mit der Planung. Normalerweise erstelle er die Arbeitspläne zwei Wochen im Voraus, sagt Fischer vom «Arcade», nun verlange er von seinem Personal viel Flexibilität – bei Sonne müssten sie bereitstehen, bei Regen zuhause bleiben. Kommt hinzu: «Sobald es schön ist, habe ich zu wenig Angestellte – es ist jedoch aktuell schwierig, zu entscheiden, ob ich zusätzliche Leute anstellen soll.»


Türen bleiben zu

Weil diese Woche Regen und kühlere Temperaturen angekündigt sind, wollen Liengme und Aeby ihr «Du Bourg» gar nicht erst öffnen. «Nach einem Vollgas-Start werden wir durch das Wetter direkt wieder ausgebremst», sagt Liengme. Diese Unsicherheit erschwere es, die richtigen Mengen einzukaufen.

So richtig über die komplizierten Umstände beklagen wollen sich die Wirtinnen und Wirte nicht. Bei gutem Wetter gelingt es ihnen nach eigenen Angaben durchaus, rentabel zu arbeiten. Und am Ende überwiegt die Freude darüber, endlich wieder Gäste empfangen zu dürfen.

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Die Polizei sucht den Dialog

Die Maskentragepflicht auf Terrassen wird in der Praxis kaum umgesetzt (das BT berichtete). Trotzdem heisst es bei der Kantonspolizei, dass die aktuell geltenden Vorgaben in Bezug auf die Gastronomiebetriebe grösstenteils gut eingehalten würden. «Wie bei allen Öffnungsschritten braucht es eine gewisse Zeit, bis sich die Bevölkerung mit den neuen Massnahmen vertraut gemacht hat», schreibt Mediensprecherin Ramona Mock.

Stelle die Polizei einen Verstoss gegen die Regeln fest, suche sie primär den Dialog. Wo nötig würden Bussen ausgesprochen oder Anzeigen in Aussicht gestellt, so Mock weiter – etwa wegen Nichteinhaltung der Sitzpflicht oder Nichttragen der Maske. Werden die Schutzkonzepte nicht eingehalten, kann die Polizei zudem Betriebsverantwortliche verzeigen.

Eine weniger positive Bilanz zieht Gundekar Giebel, Sprecher der Berner Gesundheitsdirektion: «Meine Beobachtungen übers Wochenende zeigen einen sehr beschränkten Willen, die Masken auf den Terrassen zu tragen.» Er habe nur wenige Leute gesehen, die die Regelung eingehalten haben. Giebel führt dies darauf zurück, dass der Unterschied zur früheren Regelung noch zu wenig klar sei. «Heute gilt: Beim Absitzen behält man die Maske an und zieht sie nur aus, wenn man konsumiert», so der Mediensprecher.

Gemäss Gastro Suisse kann ein Betrieb bestraft werden, wenn er die Maskentragepflicht nicht korrekt umsetzt. In diesem Fall gelten die Bussen laut Covid-19-Gesetz des Bundes. Allerdings sei ein Betrieb nicht dazu verpflichtet, die Regel bei Gästen durchzusetzen, sondern könne beispielsweise nicht ordnungskonforme Besucher wegweisen.
Giebel appelliert erneut an die Eigenverantwortung: «Es geht nicht ohne.»

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Kommentar

Diese Regel ist ein Witz

«Wir wollen nicht Polizei spielen», sagt die eine Wirtin. Und ein anderer Wirt: «Wir haben keine Zeit, an jedem Tisch eine Diskussion zu führen.» Die Regel, auf Terrassen eine Maske zu tragen, wird von den Kunden nicht befolgt, und auch die Gastgeberinnen weisen sie kaum zurecht. Verständlich, befürchten sie doch, damit die Gäste zu vergraulen. Es ist schlicht realitätsfremd, zwischen einem Schluck Wein und einem Bissen Spargel die Maske hochzuziehen. Von den angeblichen Polizeikontrollen hat man am Wochenende zumindest in den Lokalen in Biels Innenstadt nichts gemerkt. Anstatt diese Alibi-Übung weiter aufrecht zu halten, wäre es wohl glaubwürdiger, die Regel zu kippen.

cstalder@bielertagblatt.ch

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