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Biel

Sozialdienst zieht um

Die räumlichen Bedingungen für den Bieler Sozialdienst sind katastrophal. Trotzdem hat der Stadtrat heftig über den geplanten Umzug der Abteilung Soziales debattiert, stimmte letztlich aber zu.

«Im Sinne der Mitarbeiter»: Der Bieler Stadtrat stimmt dem Umzug der Abteilung Soziales letzlich deutlich zu. Bild: Nico Kobel

Lino Schaeren

Die Abteilung Soziales der Stadt Biel braucht neue Räumlichkeiten. Der heutige Standort ist nicht nur zu klein, er weist auch massive Sicherheitsmängel auf. Deshalb soll so rasch wie möglich ein Umzug erfolgen, vorgesehen ist die Einmietung in bestehende Gebäude der Alpine Finanz Immobilien AG auf der Esplanade. Dieses Vorhaben war gestern im Stadtrat allerdings alles andere als unbestritten. Sozial- und Sicherheitsvorsteher Beat Feurer (SVP) zeichnete an der gestrigen Sitzung deshalb ein düsteres Bild, um die herrschenden Mängel zu verdeutlichen: Es gebe in Biel unter den Sozialhilfebezügern «mehrere gewaltbereite Gefährder, bei denen wir nicht wissen, wann es zu einer Gewaltanwendung kommt». Die heutigen Beratungsräume würden über keine Fluchtwege für die Sozialarbeiter verfügen, diese seien Attacken schutzlos ausgeliefert. Erst vor zwei Wochen, so Feurer, habe man vor Ort zusammen mit der Kantonspolizei eine Bestandesaufnahme gemacht. Das Fazit der Spezialisten sei klar: «Die Polizei kann keine Unbedenklichkeitserklärung abgeben, im Gegenteil, aus ihrer Sicht ist der heutige Zustand sicherheitstechnisch nicht verantwortbar.»

Der Umzug des Sozialdienstes in die Gebäude der privaten Investorin auf der Esplanade ist Teil eines komplexen Geschäfts, das im Stadtzentrum eine Umwidmung, eine Landumlegung, ein Gebäudeverkauf und ein Baurechtsvertrag umfasst. Der Stadtrat stimmte letztlich deutlich zu – allerdings erst nach zweistündiger Debatte.

Mit der präsentierten Lösung zeigte sich niemand richtig zufrieden. Wieso reagiert der Gemeinderat erst jetzt, wenn die Situation auf der Abteilung doch seit Jahren dermassen prekär ist? Und: Wieso soll die Stadt einem profitorientierten Unternehmen jährlich fast eine Million Franken an Miete bezahlen, statt selber einen Ersatzbau zu kaufen – oder gar zu bauen? Der Rat einigte sich letztlich darauf, dass der Umzug des Sozialdienstes eine Übergangslösung sein soll. Und zwar eine möglichst kurze.

Ein taktisches Manöver
Vorausgegangen waren gleich zwei Rückweisungsanträge, einer von der SP, einer von der FDP. Die Genossen forderten die Unterbringung des Sozialdienstes in einem stadteigenen Gebäude, notfalls ein neues zu erstellen. Und dies bis spätestens 2024. Die SP zog ihre Rückweisung an den Gemeinderat nach dem Statement von Feurer allerdings zurück, mit Rücksicht auf die Mitarbeiter der Abteilung, wie sie erklärte. Tatsächlich war der Antrag aber wohl von Beginn weg vor allem ein taktisches Manöver, um die vorbereitete Motion in Stellung zu bringen, die Anna Tanner (SP) nur Minuten später einreichte und die fordert, den Mietvertrag mit der Alpine Finanz Immobilien AG nach fünf Jahren zu kündigen, um eine eigene Lösung bereitzustellen.

Die FDP hingegen hielt an ihrer Rückweisung fest, mit der sie eben diesen Mietvertrag kritisierte: Die vereinbarte Miete von 245 Franken pro Quadratmeter sei viel zu hoch, weil sie die Amortisierung der Ausbaukosten, die für die Investorin anfallen, beinhaltet. Der Freisinn forderte ein anderes Finanzierungsmodell, etwa, dass die Stadt selber in die Räumlichkeiten investiert und dadurch eine tiefere Miete zahlen muss. Der Antrag blieb aber chancenlos.

Kommts zur Lösung mit dem AJZ?
Als der Stadtrat das Geschäft letztlich genehmigte, gab es von der Zuschauertribüne Applaus von den anwesenden Mitarbeiter des Sozialdienstes. Sie sollen, wenn alles nach Plan läuft, im November 2020 neue Räume beziehen können. Aber: Der gestrige Beschluss greift erst, wenn für die Überbauung auf der Esplanade eine rechtskräftige Baubewilligung der Alpine Finanz Immobilien AG vorliegt. Diese wird derzeit durch eine Beschwerde des Autonomen Jugendzentrums (AJZ) blockiert (das BT berichtete). Stadtpräsident Erich Fehr (SP) stellte nun aber in Aussicht, dass nächste Woche eine Einigung verkündet werden könnte: Die Streitparteien seien unter Vermittlung der Stadt erneut zusammengekommen.

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Stadt verkauft Land im Bözingenfeld
Höchst umstritten war an der gestrigen Sitzung auch der Landverkauf im Bözingenfeld an das Unternehmen Power Integrations Switzerland. Die Bieler Firma, heute auf drei Standorte aufgeteilt, will dort ihren neuen Hauptsitz bauen und die Anzahl Mitarbeiter mittelfristig von heute 50 auf 80 steigern. Gegen die Vorlage leistete die Ratslinke aber massiv Widerstand: Beinahe wäre eine Rückweisung der SP, die eine Abgabe im Baurecht forderte, zum Erfolg geworden. Nur beinahe deshalb, weil ausgerechnet einzelne SP-Mitglieder sich ihrer Stimme enthielten und damit den Eintritt auf das Geschäft überhaupt ermöglichten. Dieses wurde letztlich genehmigt.

Die Linke berief sich vor allem aufs Prinzip: Land ist ein endliches Gut – und das verkauft man nicht. Mehrmals wurde darauf verwiesen, dass die Stadt seit Jahren die Baurechtspraxis verfolge und der Gemeinderat in diesem Fall auf Druck einer Firma gegen die eigenen Prinzipien verstosse. Dagegen wehrte sich Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR), die festhielt, dass die Stadt zwar den klaren Grundsatz verfolge, keine Grundstücke von strategischem Wert zu verkaufen. Dieser sei im aktuellen Fall nicht gegeben, da es sich um eine kleine, nicht zusammenhängende Parzelle am Längfeldweg 91 handle.

Der Darstellung, dass in Biel ganz grundsätzlich kein Land verkauft wird, widersprach sie aber vehement: «Noch nie in der Geschichte der Stadt Biel war der Verkauf von Land ein No-Go», so Steidle. Genau das fordert nun allerdings die Juso, die als Reaktion auf das Geschäft gestern eine Motion einreichte, die den Verkauf von Boden im Besitz der Stadt verbieten will. Ausgenommen soll einzig ein Landabtausch sein, «solange die abgetauschten Landstücke von gleichem Wert sind». Laut Steidle plane der Gemeinderat derzeit im Bözingenfeld sowieso keine weiteren Verkäufe, wohl aber Landkäufe.

Gegen den Landverkauf protestiert hatte auch der Wagenplatz «Escargot Noir», der sich auf dem Grundstück befindet und der weichen muss, sobald die Bauarbeiten der Power Integrations Switzerland beginnen. Das Kollektiv hat während der Sitzung auf dem Platz vor der Burg ein friedliches Fest gefeiert, um auf seine Interessen aufmerksam zu machen. Die Gruppe «Escargot Noir» hat das Grundstück vor rund acht Jahren besetzt und seither nie eine Vereinbarung mit der Stadt unterzeichnet. Diese hat sich deshalb bisher auch nicht um eine Anschlusslösung bemüht. Steidle betonte gestern: Um eine Partnerschaft einzugehen, sei man auf ein Entgegenkommen angewiesen. So habe es das Kollektiv bisher verweigert, der Stadt die Nachnamen der Mitglieder bekannt zu geben. Dies sei aber unerlässlich, um eine Zusammenarbeit einzugehen. lsg

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