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Nidau

SP hat keine Freude an «Vernunftlösung»

Der Stadtrat von Nidau diskutiert heute Abend erneut über die Kita-Initiative der SP. Der Gegenvorschlag des Gemeinderats sorgt bei der Urheberin der Initiative für Kopfschütteln: Das Reglement sei «unnötig und untauglich».

Keine Wartelisten mehr: Die Kita-Initiative soll für mehr Betreungsplätze sorgen. Symbolbild: Matthias Käser/a

Carmen Stalder

In Nidau gibt es zu wenig Kita-Plätze: Sowohl in der von der Stadt subventionierten Kita Aarehüpfer als auch in der privaten Kita Himmelchen ist die Nachfrage grösser als das Angebot. Das Problem ist altbekannt und unbestritten. Im Herbst vor einem Jahr hat die SP Nidau deswegen die Initiative für ein familienfreundliches Nidau, besser bekannt als Kita-Initiative, eingereicht. Die Initiative fordert ein besseres Angebot an familienergänzenden Betreuungsangeboten. Es soll keine langen Wartelisten bei Kindertagesstätten und keine Betreuungslücken während der Schulferien mehr geben. Gemäss Initiative soll die Stadtordnung mit einem entsprechenden Artikel ergänzt werden (das BT berichtete).

Eigentlich hätten die Nidauerinnen und Nidauer am Sonntag über die Initiative abstimmen sollen. Doch an der Stadtratssitzung im Juni wurde ein Rückweisungsantrag der Bürgerlichen und der EVP knapp angenommen. Sie forderten vom Gemeinderat einen Gegenvorschlag. Der geplante Abstimmungstermin rückte deshalb in die Ferne. In der Zwischenzeit hat der Gemeinderat einen direkten Gegenvorschlag erarbeitet. An der heutigen Stadtratssitzung diskutieren die Ratsmitglieder nun über die Empfehlungen für die Stimmbürger und verabschieden die Botschaft.


140'000 Franken Zusatzkosten
Ab August 2019 können Berner Gemeinden für die Finanzierung von Kitas und Tageseltern auf ein neues System mit Betreuungsgutscheinen umstellen. Die Höhe der Gutscheine richtet sich jeweils nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern. Die Eltern können dann in einer beliebigen Kita einen Betreuungsplatz suchen. Die Unterscheidung zwischen subventionierten und privaten Plätzen gibt es nicht mehr (ein Artikel zu diesem Thema erscheint morgen im «Kontext»).

In Nidau würde die Anzahl der Betreuungsgutscheine bei Annahme der Initiative nicht beschränkt. Der Gemeinderat rechnet in diesem Fall mit zusätzlichen Ausgaben von insgesamt rund 140'000 Franken im Jahr. Anders will es der Gegenvorschlag: Falls die Kosten für die Gutscheine die finanziellen Möglichkeiten der Stadt übersteigen, könnte der Gemeinderat die Abgabe beschränken. Genau dieser Punkt ist der SP ein Dorn im Auge. «Mit dem Reglement wird es wieder Wartelisten geben, es zementiert einfach nur die bisherige Situation», sagt Michael Kramer, Vorstandsmitglied der SP Nidau und Teil des Initiativ-Komitees. Aufgrund des «unnötigen und untauglichen Gegenvorschlags» halte man an der Initiative fest. Gleicher Meinung sind die Grünen: Man sei einstimmig für die Initiative, sagt Stadträtin Carine Stucki-Steiner. «Der Gegenvorschlag ist uns zu lasch. Und wir wollen nicht, dass künftig in jeder Budgetdebatte über die Anzahl der Betreuungsgutscheine diskutiert wird.» Sie fügt aber an, dass das Reglement immer noch besser wäre als gar nichts.

Bei den anderen Parteien stösst das Anliegen der SP zwar durchaus auf offene Ohren. Doch diejenigen, die im Juni einen Gegenvorschlag gefordert haben, sind bei ihrer Meinung geblieben: Die Initiative gehe zu weit und der Handlungsspielraum der Gemeinde würde zu stark eingeschränkt. Ralph Lehmann (FDP), Fraktionspräsident der Bürgerlichen, bezeichnet den Gegenvorschlag als «fortschrittliche Vernunftlösung»: «Damit bekommt der Gemeinderat eine Steuermöglichkeit, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.»


Aufgabe der Gemeinde oder nicht?
Zufrieden mit dem vom Gemeinderat ausgearbeiteten Reglement zeigt sich auch die SVP. «Ich gehe davon aus, dass sich damit die aktuelle Situation verbessern würde, auch wenn es weiterhin kleine Wartelisten gäbe», sagt Fraktionspräsident Leander Gabathuler. Bei einer Annahme der Initiative sieht er dagegen die Gefahr, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen derart steigen würde, dass Nidau grosse Investitionen tätigen müsste – etwa in den Bau von neuen Kitas.

Indem sich Paul Blösch-Althaus (EVP) für den Gegenvorschlag statt für die Initiative ausspricht, weicht er von der Mehrheitsposition seiner Fraktion (Grüne/EVP) ab. Ihm ist besonders wichtig, dass das Reglement eine finanzielle Sicherung bietet. «Wir müssen uns schon fragen, ob wir als Gemeinde sämtliche Betreuungsbedürfnisse unumschränkt und ohne finanzielle Limite erfüllen müssen.» Ähnlich wie er findet auch Hanna Jenni (PRR), dass die Betreuung von Kindern zu einem Teil in der Eigenverantwortung der Eltern liege. «Es ist nicht die Aufgabe der Gemeinde, Kinder rund um die Uhr zu betreuen», sagt sie.

Ein weiterer Aspekt der Initiative betrifft die Ferienbetreuung. Während der Schulferien besteht in Nidau aktuell eine Betreuungslücke. Sowohl bei Annahme der Initiative wie auch beim Reglement soll ein besseres Ferienbetreuungsangebot geschaffen werden. Die Initiative verlangt ein Angebot vom Säugling bis zur 9. Klasse, das Reglement dagegen nur bis zur 6. Klasse. «Bezüglich Ferienbetreuung fehlt im Reglementsentwurf eine Angabe dazu, wie viele Wochen man abdecken wird», moniert die SP. Die acht Wochen, die der Gemeinderat in Aussicht stelle, seien nicht mehr als ein Lippenbekenntnis und könnten jederzeit wieder reduziert werden.

Auf der anderen Seite führen die Bürgerlichen die angespannte finanzielle Situation in Nidau ins Feld – unter diesen Umständen sei die Umsetzung der Initiative unverantwortlich. Das sieht Michael Kramer naturgemäss anders. «Nidau buttert derzeit so viele Millionen Franken in Grossprojekte. Dagegen sind die paar Franken für die Kinderbetreuung ein Klacks.» Die Nidauerinnen und Nidauer werden am 10. Februar über die Initiative abstimmen können – und dabei entscheiden, ob sie sich eher um Wartelisten bei Kitas oder um die finanzielle Lage ihrer Gemeinde sorgen.

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