Sie sind hier

Abo

Biel

Stadt streicht Extrawurst für Gassenküche

Schon seit Jahren kämpft die Gassenküche Vagos mit finanziellen Problemen. Nun hat die Stadt den Geldhahn zugedreht, wodurch der Institution mehrere zehntausend Franken fehlen. Das Fortbestehen der Gassenküche steht mehr denn je auf der Kippe.

Die Gassenküche bietet vor allem Speis und Trank, aber auch Gesellschaft und ein Zuhause auf Zeit. bild:bt/a

von Patrick Furrer 

Arbeitslose, IV-Rentner, Alleinerziehende, Obdachlose - viele von ihnen kommen nur dank der Gassenküche zu einer warmen und vollwertigen Mahlzeit. Rund 70 Personen essen täglich am Oberen Quai 52 ein Menü aus den Töpfen des Freiwilligenteams. Für fünf Franken. Suppe und Kinderportionen sind gratis. Nächstes Jahr könnte die Gassenküche ihr 25-jähriges Bestehen feiern, doch erst gibt es einen folgenschweren Dämpfer zu verdauen. Die Stadt leistet mit dem neuen Leistungsvertrag keine Beiträge mehr, womit der Gassenküche Vagos mehrere zehntausend Franken jährlich in der Kasse fehlen. Das Fortbestehen der sozialen Einrichtung ist infrage gestellt.

Die Gassenküche hat seit ihrer Gründung zu kämpfen. Gut 70'000 Franken erhält sie jährlich vom Kanton über den Lastenausgleich. Darüber hinaus unterstützte die Stadt Biel die Gassenküche 2012 und 2013 mit zusätzlichen 30'000 Franken. 2014 zahlte die Stadt Biel nochmals einmalig zusätzliche 40'000 Franken, um das Funktionieren sicherzustellen. Doch diese Extrawurst ist definitiv gegessen, wie René Merz, Sekretär der Direktion Soziales und Sicherheit, sagt. Gemäss der vom Gemeinderat genehmigten Leistungsvereinbarung könne der Verein «nicht mehr mit ausserordentlichen Beiträgen der Stadt Biel rechnen und wurde dazu aufgefordert, seine Strukturen und Preispolitik zu überarbeiten». Es bleiben nur noch die Subventionen des Kantons.

 

Verantwortung abgeschoben 

Das Leitungskollektiv des Vereins Gassenküche Vagos wird sich an ihren nächsten Sitzungen mit der neuen Situation auseinandersetzen müssen. Die Entrüstung ist gross, wie eine Nachfrage bei den Mitarbeitern zeigt. Auch Anna Volkonsky, die seit neun Jahren in der Gassenküche mithilft, ist enttäuscht. «Für die Stadt Biel gehören Menschen, die von Armut betroffen sind, offensichtlich nicht mehr zur Bevölkerung», sagt sie. Die Regierung entziehe sich der Realität und ihrer sozialen Verantwortung. «Der Unterschied zwischen Armen und Reichen wird dadurch nur noch grösser.»

Das sehen auch Vertreter von Institutionen so, die die Gassenküche in der Vergangenheit finanziell unterstützen. Beispiel: Der Reinerlös des Martinsfests der römisch-katholischen Kirchgemeinde Pieterlen - Lengnau - Meinisberg ging diesen Frühling an die Gassenküche. Kirchgemeinderatspräsidentin Elisabeth Kaufmann findet es schade, dass die Stadt Biel dieser - nebst weiteren sozialen Institutionen - die Hilfe verwehrt. Es käme der Stadt zugute, würde sie investieren. Stattdessen würden die Leute zum Betteln oder Stehlen gezwungen. «Das ist schlimm», sagt Kaufmann.

Und Petra Grossniklaus, ehemalige Präsidentin des Inner Wheel Club Biel, findet es tragisch, dass die finanzielle Last auf Private abgewälzt wird. «Nicht alle Menschen sind privilegiert, da sind Angebote wie eine Obdachlosenhilfe und eine Gassenküche enorm wichtig. Doch die Stadt hilft Null Komma Null». Kirchgemeinderatspräsidentin Elisabeth Kaufmann ist zudem von den Bieler Sozialdemokraten enttäuscht: «Früher war die SP für die Kleinen da, das ist heute nicht mehr so.»

 

Moralisch in der Pflicht 

Gleichwohl sind es ein paar SP-Parlamentarier, die der Gassenküche nun unter die Arme greifen wollen. Stadtrat Hervé Treu hat einen dringlichen Vorstoss eingereicht, womit die jährliche Subvention für die Gassenküche wieder auf pauschal 100 000 Franken (statt nur noch maximal 73 000) erhöht werden soll. Die Gassenküche sei eine «Sozialinstitution von allerhöchster Wichtigkeit», begründet Treu, der auch Komiteemitglied des alljährlichen Solidaritätsessens für die Gassenküche ist. Für ihn steht fest: Nur wenn die Stadt auch einen finanziellen Obulus leistet, erfüllt sie ihre moralische Pflicht. Und nur so kann die Gassenküche langfristig weiterexistieren.

 

******************************

 

Aktiv dank Spenden

 

Die Bieler Gassenküche finanziert sich zur Hälfte aus Beiträgen von Privaten und Institutionen. Nebst Spenden von Kirchen subventioniert der Kanton die soziale Institution. Die Stadt leistet seit 2015 keine Subvention mehr.

Um den Betrieb aufrechtzuerhalten ist die nicht-profitorientierte Gassenküche Vagos auf Spenden angewiesen. Kontakt: 032 322 84 85. Spendenkonto: PC 80-533-6, Vermerk: Gassenküche Biel, Migros Bank AG, 8010 Zürich.

Kommentare

move

@chrant: Nun was macht denn die SVP? Sie streicht den Beitrag für die Gassenküche ganz! Es ist die SP und die Grünen die sich für die Gassenküche engagieren. Das ist auch nötig, denn nicht auszudenken, wo diese Menschen essen sollten, gäbe es die Gassenküche nicht mehr


chrant

ich, SVP-Wähler, bin in der noch glücklichen Lage, nirgendswo die Hand hinhalten zu müssen noch diese soziale Einrichtung Gassenküche in Anspruch zu nehmen: aber ich frage mich ob eine so rote Regierung noch glaubwürdig ist, sozial gesehen, wenn sie lumpige 30'000 sparen und im gleichen Atemzug etwas über 15 Mio ua für die Kultur der Mehrbesseren ohne zu zögern locker machen will? Hallo, linkes Fussvolk, wach auf! hast du noch nicht gemerkt, dass deine politischen Gesandten mit deiner Hilfe nur sich selbst bereichern und du immer auf der Strecke bleibst? die vor der Türe anstehenden Wahlen sind wichtig: geh wählen!!!...solange du noch darfst


retogugger

Vor über einem Jahr habe ich bei der Gassenküche angeregt, gegen Bezahlung auch Süssgetränke im Offenausschank anzubieten. Fü die Testphase hätte ich Ihnen sogar kostenlos eine gemischte Getränkekiste zur Verfügung gestellt. Reaktion des Kolletkivs auf meine Idee: keine, die Idee ist versandet. Man scheint dort gar kein Interesse daran zu haben, finanziell unabhängiger zu werden.


Nachrichten zu Biel »