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Biel

Stadtrat will Drahtwerke-Areal verkaufen

Die SP ist im Bieler Stadtrat mit ihrem Versuch, den Verkauf des Landes beim Ausgang der Taubenlochschlucht zu verhindern, ausgerechnet am eigenen Lager gescheitert: Die Genossen traten nicht geeint auf.

Zum Verkauf freigegeben, Bild: Matthias Käser

Lino Schaeren

Die Stadt Biel räumt der Priora AG das Kaufrecht für die Parzelle gleich beim Ausgang der Taubenlochschlucht im Zentrum des Quartiers Bözingen ein. Das hat der Stadtrat gestern entschieden. Die Investorin will beim Schluchtausgang eine Wohnüberbauung und ein Hotel realisieren.

Zuvor allerdings müssen die Altlasten saniert werden – auf dem Grundstück waren bis 1995 die Drahtwerke Bözingen tätig. Die Kosten dafür werden auf 1,6 Millionen Franken geschätzt (das BT berichtete). Diese Altlasten gaben denn gestern auch zu reden: Die Fraktionen SP und Grüne stellten einen Rückweisungsantrag mit der Forderung, dass das Land nicht zu veräussern, sondern im Baurecht abzugeben sei. Das bürgerliche Lager hingegen verwies auf die finanziellen Risiken, die mit der nötigen Altlastensanierung auf dem heute brachliegenden Gelände einhergehen würden und die bei einem Verkauf dem Käufer auferlegt werden könnten.

Das Land beim Taubenloch hat eine längere, unschöne Vorgeschichte im Stadtparlament: Der Stadtrat stimmte 2004 einem Kredit über 2,39 Millionen Franken für den Kauf des Drahtwerke-Areals sowie den Abbruch der Industriebauten und die Entsorgung zu. Die Kosten für Abbruch und Entsorgung überstiegen die Berechnungen aber um ein Vielfaches. 2007 sprach der Gemeinderat in seiner Kompetenz deshalb einen Nachkredit von 290 000 Franken, 2010 dann war es das Parlament, das nochmals 1,72 Millionen Franken bewilligen musste. Die Kosten waren in der Realität also mit 4,2 Millionen fast doppelt so hoch wie ursprünglich budgetiert.

 

Finanzielles Minusgeschäft

Der Kaufrechtsvertrag der Stadt mit der Priora AG sieht nun einen Kaufpreis von 3,3 Millionen Franken vor. Das ehemalige Drahtwerke-Areal wird also für Biel ein finanzielles Minusgeschäft von mindestens 900 000 Franken. Die Stadt schrieb das Gelände 2014 auch zur Abgabe im Baurecht aus, die Priora AG offerierte laut dem Gemeinderat denn auch für diese Variante. Im Bericht an den Stadtrat hält er fest, dass man sich mit dem Verkauf schliesslich für das wirtschaftlich beste Angebot entschieden habe. Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) warnte gestern zudem, dass die Priora AG heute nicht mehr für eine Lösung im Baurecht zur Verfügung stehen würde und die Suche nach einer neuen Investorin zu einer mehrjährigen Verzögerung führen könnte. Was wiederum bedeuten würde, dass das Land weiter brachläge.

 

Im Grundsatz für das Baurecht

Jenen Stadträten, die eine Rückweisung forderten, ging es allerdings auch um den Grundsatz, dass die Stadt Land im Baurecht abgeben und nicht veräussern sollte. «Angesichts der Vorgeschichte können wir es dem Gemeinderat nicht verdenken, dass er einen schnellen Schlussstrich unter dieser Sache ziehen will», sagte Lena Frank (Grüne) gestern. Dies mit dem Landverkauf zu tun, sei aber kurzfristig gedacht. Gleich sah das Susanne Clauss (SP), die sagte, «dass eine kurzfristige Schadensbegrenzung nicht unsere Strategie sein kann». SP und Grüne betonten, dass die Stadt die Kontrolle über das Areal behalten sollte. Stefan Kaufmann sagte für die FDP-Fraktion hingegen, dass man das finanzielle Risiko betreffend der Altlasten mit einem Verkauf an die Käuferin abgeben könne. Er verwies darauf, dass man heute nicht mit Sicherheit sagen könne, ob sich die Schätzung der Kosten für die Sanierung des Geländes von 1,6 Millionen Franken bewahrheiten werden oder nicht. Die Stadt, so Kaufmann, würde sich deutlich wohler fühlen mit einem Verkauf als mit einer Abgabe im Baurecht.

 

Sich selber ein Bein gestellt

Christoph Grupp, Fraktionspräsident der Grünen, argumentierte hingegen, dass die Investitionen in das Gelände bei einer Abgabe im Baurecht dank des Baurechtszinses nach einigen Jahrzehnten amortisiert wären. Die Grünen setzten mit ihrer Rückweisung aber nicht nur auf das Baurecht. Sie forderten auch einen optisch und physisch uneingeschränkten Zugang zum Schluchteingang, allenfalls unter der Bedingung einer Reduzierung der Verdichtung. Die SP-Fraktion hingegen beschränkte sich auf die Forderung nach einer Abgabe im Baurecht.

Die Verbündeten der Grünen und SP in der Frage um die Rückweisung, die Grünliberalen, machten umgehend klar, dass sie eine Reduzierung der Verdichtung im Bereich Taubenloch nicht befürworten würden und deshalb auf den SP-Antrag setzten. Dies führte dazu, dass die Grünen ihren Antrag aus taktischen Gründen wieder zurückzogen.

 

Eigene Reihen nicht geeint

Alles Taktieren im linken Lager nützte letztlich aber nichts. Die Rückweisung wurde mit 21 Ja- zu 32 Nein-Stimmen relativ deutlich abgelehnt. Dies aber nicht etwa wegen eines übermächtigen bürgerlichen Lagers: Es waren die Sozialdemokraten selber, die den Antrag aus den eigenen Reihen versenkten. Die Genossen waren sich schlicht nicht einig: Während die PSR-Fraktion den Landverkauf aus finanziellen Überlegungen bevorzugte und gegen die Rückweisung der «Schwester-Fraktion» stimmte, war sich auch die deutschsprachige SP im Rat nicht einig; drei Fraktionsmitglieder stimmten gegen den Antrag.

Nachdem die Rückweisung vom Tisch war, wurde das Geschäft im Rat nicht mehr gross diskutiert. Das Parlament stimmte der Einräumung des Kaufrechts mit grosser Mehrheit zu.

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