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„Krawattenzwang“

Unbeschwert

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Unbeschwert.

Krawattenzwang: Bernhard Rentsch
  • Dossier

Letzte Woche hatten wir im Medienhaus in Biel mehrfachen Besuch. Einige Schulklassen besuchten unsere Redaktionen. Auf Voranmeldung und mit genügend Vorlaufzeit zeigen wir gerne, was wir tagtäglich tun. Und: „Die Jugend von heute sind die Leser von morgen“ – dies, ganz schelmisch, die Marketingabsicht dahinter. Lebhaft und wild ist es dann jeweils, aber auch abwechslungsreich und spannend.

Es ist keineswegs so, dass für die Schulstufe 4./5. Klasse das Medium „Zeitung“ nicht mehr existiert. Eine Stufe höher schon eher: Diese Kinder und Jugendlichen sind mit dem Smartphone unterwegs und beziehen ihre Informationen gratis aus dem Internet. Sie als zahlende Kunden zurückzugewinnen, wird die schwierige Aufgabe von morgen oder übermorgen sein.

Die Jüngeren gehen die Sorgen der Grossen noch viel unbeschwerter an. Sie suchen die Lösungen im Hier und Jetzt und machen sich (noch) nicht allzu viele Gedanken über die Zukunft. Ganz unvermittelt gestellte Fragen zeigen einem während einem Referat, dass die Prioritäten sehr unterschiedlich gesetzt werden. Beispiele: Wieso sind in einem vierstöckigen Haus im Lift Stockwerk-Knöpfe bis zum neunten Stock vorhanden – und was passiert, wenn man auf die „9“ drückt? Keine Ahnung – ausprobieren. Antwort: es passiert nichts, der Lift bleibt stehen. Was befindet sich im Sitzungszimmer hinter den seitlichen Schiebetüren? Nachschauen: Reservestühle, ein Kühlschrank und Getränke. Oder, ganz naheliegend: Finden wir uns morgen in der Zeitung? Nein, die Themenwahl sieht das nicht vor. Es ist nicht automatisch so, dass publiziert wird, was zufällig passiert. Hinter jeder Ausgabe steckt viel Planung und Vorbereitung.

Ich staune und freue mich über Energie und Neugierde der Kinder. Gerne bereichere ich deren Erfahrung mit Dingen, die sie (noch) nicht kennen. Dass Journalismus vor allem im Gespräch mit Menschen startet und später am Telefon und vor dem Bildschirm endet, ist dabei schon viel weniger spektakulär. Das ist der Pflichtstoff. Spannend ist die Kür. Das war gestern so, das ist heute so und das wird morgen so sein. Tragen wir Sorge zu diesem Beruf. Und das meine ich nicht mal eigennützig. Auf dass auch unsere Kinder und Kindeskinder in einer spannenden Informationswelt aufwachsen dürfen.
 

brentsch@bielertagblatt.ch
Twitter: @BernhardRentsch

 

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