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Biel

Vor den Kunden hatte er nie Geheimnisse

Jean Meyer hat nach 34 Jahren genug: Er sucht einen Käufer für sein Restaurant Egge 6 an der Bieler Mühlebrücke. Der bekannte Gastwirt blickt auf seine Zeit hinter Kochtöpfen und Theke zurück.

Jean Meyer sagt, er sei immer der erste, der sein Restaurant festlich schmückt. Bei ihm ist deshalb schon Weihnachten. Bilder: Raphael Schaefer / Biele Tagblatt

Clara Sidler/pl

«Wir sind das einzige Restaurant in Biel, wo der Gast rasch und preiswert ein schönes Stück Fleisch serviert bekommt.» Das antwortet Jean Meyer, der Besitzer des «Egge», selbstbewusst auf die Frage, was denn sein Gasthaus besonders auszeichne. Das Restaurant Egge 6 ist weitherum bekannt geworden für sein Pferde-Entrecôte mit hausgemachter Kräuterbutter.

Die Atmosphäre ist gediegen und speziell; auf der Bar sind bereits Mitte November kleine Weihnachtsmänner aufgereiht. An der Wand hängen grosse Bilder. Darauf erkennt man den Inhaber des Restaurants und seine Freunde, die als Kläuse verkleidet von ihren Harley-Motorrädern grüssen. «Ich bin mit meinen Festtags-Dekorationen immer der Erste», so der Solothurner.

Jean Meyer eröffnete sein renoviertes Gasthaus am 28. November 1984 unter dem neuen Namen «Egge 6». Zuvor hiess die Wirtschaft «Rosius». «Die alte Kundschaft bestand vor allem aus Alkoholabhängigen. Als die Gäste merkten, dass hier ein neuer Wind weht, zogen sie in andere Lokale um. Das war das Beste, das sie für mich tun konnten», witzelt Meyer.


Treffpunkt der Fasnächtler
Das Restaurant samt Bar wurde rasch für seine besonderen Dekorationen bekannt. Schon im ersten Jahr des Bestehens schmückte der begeisterte Fasnächtler sein Lokal lange vor der Konkurrenz mit den Symbolen des Karnevals. «Wir wurden zum Treffpunkt der Cliquen», sagt Meyer rückblickend. Er, der einst selbst zum Prinz Karneval erkoren wurde, pflegt heute ein neues Hobby: Seine Liebe gilt den schweren Motorrädern der Marke Harley Davidson.

Bevor Meyer mit dem «Egge» in Biel sesshaft wurde, war er als Weltenbummler unterwegs. «Ich hatte Koch gelernt, damit ich reisen konnte.» Er kam Anfang der Achtzigerjahre gerade aus Libyen zurück, als ihm ein Freund das Restaurant zum Kauf anbot. Meyer sagte spontan zu. «Dabei hatte ich gar nicht im Sinn, einen Betrieb zu übernehmen; ich lebte stets von der Hand in den Mund», erinnert sich Meyer. Heute finden sich die fotografischen Erinnerungen an die wilden Jahre unter den Glasplatten seiner Wirtshaustische.


«Es pressiert nicht»
Auf einem Tisch kann man Bilder von Meyer im Irak betrachten. An anderer Stelle sieht man ihn mit Pferden, wie er als Kutscher arbeitet. Natürlich fehlen auch die Erinnerungen an frühere Karneval-Feiern nicht. «Vor meinen Kunden habe ich keine Geheimnisse; sie dürfen alles sehen», so der «Egge»-Wirt. Tatsächlich gibt es da ein Bild, das auf der Toilette aufgenommen wurde.

Aber wo liegt das Geheimnis, ein Restaurant über so viele Jahre erfolgreich zu bewirtschaften? «Eiserne Disziplin», antwortet Meyer prägnant. Zwar hätte er früher auch gerne gefeiert, «aber trotzdem arbeiteten wir jeden Tag 14 Stunden».

Gibt es in dieser langen Zeit ein ganz besonderes Ereignis, das ihm in Erinnerung bleiben wird? «Ach, es gab so viele schöne Erlebnisse. Im Grunde war jeder Moment meiner Wirte-Tätigkeit etwas Besonderes», sagt Meyer, und über sein Gesicht huscht ein Hauch Wehmut.

Mit bald 70 Jahren will er nun verkaufen. «Ich möchte das Leben geniessen, solange ich noch gesund bin.» Allerdings schliesst er ein «neues Projekt» nicht aus. Bis heute habe sich noch kein Kaufinteressent für den «Egge» gemeldet. «Aber es pressiert nicht», meint Jean Meyer. Er hat keine besonderen Erwartungen an die Geschäftsführung seiner Nachfolger: «Wenn ich in der Verantwortung stehe, gebe ich alles, aber wenn meine Zeit vorüber ist, wende ich mich Neuem zu.»

Trotzdem kann Meyer seine Regung nicht ganz verbergen, wenn er vom Verkauf seines «Bijous» spricht, denn so nennt er sein kleines Restaurant. Auf Facebook hat er seinen Freunden bereits mitgeteilt, dass er den «Egge» verkaufen will. Die Reaktion der Follower sei beeindruckend gewesen. Ob ihn das gerührt hat? «Ja», gesteht Jean Meyer, «so etwas berührt immer.»

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