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Verkehr

Westast-Diskussion reaktiviert 
das Regiotram

Befürworter und Gegner des Bieler A5-Westasts wollen ernsthaft über die Realisierung 
des sistierten Projekts Regiotram reden. Das hat die gestrige Dialog-Sitzung ergeben.

Symbolbild: bt/a
  • Dossier

Lino Schaeren

Das letzte Treffen im Jahr sei ein sehr konstruktives gewesen. Das betonten gestern sowohl Befürworter als auch Gegner des A5-Westasts nach viereinhalbstündiger Diskussion in der sogenannten Kerngruppe. Ein Grossteil der Zeit diskutierten die Mitglieder die Verkehrsbelastung in Biel und der näheren Region – auf den gemeinsamen Wunsch von Westast-Gegnern und -Befürwortern hin, wie Dialogleiter Hans Werder nach dem Treffen betonte. Diese hatten in den letzten Wochen zu informellen Treffen zusammengefunden und das weitere Vorgehen besprochen.

Daraus resultierte der Vorschlag an Werder, vermehrt in Gruppen zu arbeiten und nicht in einer starren Sitzungsform. «So wird eine durchmischte Diskussion geführt, statt dass wir uns in Fronten gegenübersitzen», sagte Gilbert Hürsch, Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Biel-Seeland und Westast-Befürworter. «Die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, muss so weitergehen, sonst werden wir unsere Ziele nicht erreichen.» Catherine Duttweiler, Sprecherin des Komitees «Westast – so nicht», pflichtet bei: «Zuletzt hat zu viel im Vorlesungsmodus stattgefunden. Die gemeinsame Analyse und Lösungssuche in Workshop-Form hat uns nun einen guten Schritt weitergebracht.»

 

Öffentlicher Verkehr im Zentrum

Problemfindung: Unter diesem Begriff wurde nach der gestrigen Diskussion die Analyse des Istzustands der Verkehrssituation umschrieben. Die Mitglieder der Kerngruppe haben anhand der eingeholten Expertenberichte und aufgrund von Verkehrszählungen die Verkehrsbelastung unter die Lupe genommen und dabei festgestellt: Geht es darum, die Problemfelder zu definieren, liegen die Befürworter und Gegner des Westasts sowie die Behördenvertreter gar nicht weit auseinander. So führte Hans Werder aus, dass sich alle darin einig seien, dass der motorisierte Individualverkehr (Miv) in Biel nicht weiter zunehmen dürfe. Was im Übrigen bereits mit der vom Stimmvolk angenommenen Städteinitiative beschlossen wurde. Es gehe deshalb darum, im städtischen Raum attraktive Alternativen zum Auto zur Verfügung zu stellen, sagte Werder. Deshalb würde kurzfristig beim Veloverkehr und beim öffentlichen Verkehr (öV) am meisten Handlungsbedarf bestehen.

Im Zentrum der Diskussion sei deshalb, so sagte es der Dialogleiter, das Regiotram gestanden. «Alle fanden, es wäre eine gute Idee, dieses Projekt wieder aus der Schublade zu holen und zu reaktivieren.» Das Bieler Regiotram – die Verlängerung der Biel-Täuffelen-Ins-Bahn (BTI) bis ins Bözingenfeld – wurde 2015 vom Kanton Bern sistiert, weil das Vorhaben aus Sicht der Behörden zu diesem Zeitpunkt nicht mehrheitsfähig gewesen wäre. Endgültig begraben wurde das Projekt aber nie. Weshalb Werder nun glaubt, dass der Dialogprozess zum A5-Westast die grosse Chance sei, die Blockade beim Regiotram zu lösen.

Die Diskussionsteilnehmenden bejahten gestern das Interesse am Regiotram, schoben gleichzeitig aber nach, dass es nicht darum gehe, sich generell für das Projekt auszusprechen. Sondern darum, das Potenzial genauer anzuschauen und die Linienführung zu diskutieren. Zudem soll das Regiotram auch in Verbindung mit weiteren Massnahmen betrachtet werden: So war gestern erneut die Rede von einem «Mobilitätshub» im Bözingenfeld.

Die Idee dahinter: Pendler aus der Region – vorab aus dem Jura – sollen dazu bewogen werden, ihre Autos am Stadtrand stehen zu lassen und auf das Regiotram umzusteigen. Auch ein Transitverbot für Lastwagen auf der Achse Seevorstadt - Bözingenfeld fand in der Kerngruppe breite Zustimmung. Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP) hatte diese Idee schon vor längerer Zeit ein erstes Mal aufgeworfen. Ob ein solches Verbot rechtlich überhaupt durchsetzbar wäre, ist allerdings unklar. Und auch der Vorschlag von Fehr, der Regionalzug aus Delle solle künftig im Bözingenfeld halten, fand eine breite Zustimmung. Dadurch sollen Mitarbeiter aus der Uhrenindustrie ihren Arbeitsort einfacher mit dem öV erreichen.

 

Die Knacknuss wartet noch

Während sich die verschiedenen Parteien bei der Definition der Problemfelder angenähert haben und auch beim Langsamverkehr und beim öV zu guten Teilen Konsens herrschte, steht die intensive Diskussion zur Lösungsfindung im heikelsten Bereich, beim Miv, noch aus. «Hier haben wir, ausser beim Transitverbot für Lastwagen, wenig überraschend noch am wenigsten Übereinstimmung», sagte Duttweiler. Und Hürsch meinte: «Nur weil wir uns bei der Problemfindung einig sind, heisst das nicht, dass wir auch bei der Lösungsfindung derselben Meinung sein werden.» Werder sagte, die eigentliche Diskussion über eine längerfristige Lösung im Westast-Konflikt beginne im Januar. Dann werde man darüber reden, ob kurzfristige Massnahmen wie etwa das Regiotram ausreichen, um den Verkehr zu stabilisieren oder gar zu reduzieren, oder ob ein Teil unterirdisch geführt werden müsse. Und hier macht sich Werder keine Illusionen: «Bei diesen Fragen wird es länger dauern, eine Einigung zu erzielen.»

Trotzdem zeigten sich die Involvierten gestern zuversichtlicher denn je – der Dialogprozess scheint nach einem harzigen Start mit dem Vorliegen der Expertenberichte und den ersten inhaltlichen Diskussionen endlich Fahrt aufgenommen zu haben. Hürsch und Duttweiler sagten aber auch: Es habe Zeit gebraucht, sich kennenzulernen und die optimalen Arbeitsformen zu finden. Dass sich die Befürworter und Gegner des Westasts auch ausserhalb der offiziellen Diskussionsrunden zu Gesprächen treffen, sei Beweis dafür, dass es allen ernst sei bei der Lösungsfindung. Und auch Hans Werder sagt: «Seit wir über den Inhalt reden, bin ich mit dem Fortschritt des Dialogs sehr zufrieden.» Es ist ein versöhnlicher Jahresabschluss in der Westast-Diskussion, die gestern vor einem Jahr beschlossen wurde.

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