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Biel

«Wir sind raus aus der Krise»

Die Rechnung 2018 der finanziell gebeutelten Stadt Biel schliesst mit einem kleinen Gewinn. Finanzdirektorin Silvia Steidle nimmt das gute Ergebnis zum Anlass, zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken.

Finanzdirektorin Silvia Steidle sagt: «Die Gemeinden können Entwicklungen in eine falsche Richtung verhindern. Wir sind selbstbewusster geworden.» Bild: Lino Schaeren
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Lino Schaeren

Biel schreibt schwarze Zahlen: Das Jahr 2018 schliesst mit einem Gewinn von 2,1 Millionen Franken und damit 900 000 Franken besser als budgetiert. Das verkündete Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) gestern. Sie ist zufrieden – schliesslich kann Biel somit zum dritten Mal infolge das Jahr besser abschliessen als vorausgesehen. «Wir sind definitiv raus aus der Krise», sagt Steidle deshalb rückblickend auf die Jahre ab 2010, als die Rechnungen der Stadt jeweils tiefrot schlossen – was dazu führte, dass das Eigenkapital Ende 2015 gänzlich aufgebraucht war.

Die Reaktion auf die finanzielle Schieflage folgte 2015 mit der Nachhaltige Haushaltssanierung (NHS), die Sparmassnahmen und eine Steuererhöhung um einen Zehntel auf 1,63 Einheiten beinhaltete. «Diese Massnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt», sagt Steidle, «wir haben gute Arbeit geleistet und unsere Ziele erreicht.» Und vor allem: auch die Prognosen für die nächsten beiden Jahre seien vielversprechend.

Das sind neue Töne in Biel und vor allem auch neue Töne von der Finanzdirektorin, die in den letzten Jahren gebetsmühlenartig eine düstere finanzielle Zukunft an die Wand malte. Dies wegen den Plänen auf nationaler und kantonaler Ebene, die Unternehmenssteuern zu senken, was auf Biel als Industriestadt massive Auswirkungen gehabt hätte. Doch inzwischen sind entscheidende Schlachten geschlagen: Nach der Unternehmenssteuerreform III (USR III) wurde zuletzt im November auch das kantonale Steuergesetz vom Stimmvolk bachab geschickt. Jeweils als Kämpferin für die Städte und gegen die Vorlagen an vorderster Front: Silvia Steidle. «Über 90 Prozent unserer Ausgaben sind von Bund und Kanton vorgegeben, da müssen wir uns auch auf dieser Ebene engagieren», sagt sie.

Zwar bringt auch der AHV/Steuer-Deal, der als Nachfolger der USR III am 19. Mai an die Urne kommt, Mindereinnahmen von drei bis fünf Millionen für die Stadt Biel. Die Finanzvorsteherin ist aber überzeugt, dass diese Ausfälle letztlich vom Kanton vollständig kompensiert werden – und hat deshalb ins Pro-Lager gewechselt (das BT berichtete). Zusammen mit den Neubewertungen der Liegenschaften, die zusätzlich mehrere Millionen einschenken dürften, führt dies dazu, dass Steidle heute deutlich entspannter in die nahe Zukunft blickt; da vorübergehend von übergeordneter Stelle keine Beschlüsse mehr drohten, die massivere Steuerausfälle für Biel mit sich bringen würden. «Bund und Kanton haben nach den letzten Niederlagen verstanden, dass die Gemeinden stark sind und dass man mit ihnen rechnen muss», sagt Steidle.

Schuldenlast nimmt leicht ab
Aber auch durch das gestern vorgestellte Ergebnis des abgelaufenen Jahres fühlt sich die Finanzdirektorin bestärkt. Dafür sorgt nicht nur der kleine erwirtschaftete Gewinn, sondern auch die Tatsache, dass das Steuersubstrat bei den natürlichen Personen erneut gesteigert werden konnte, wenn auch nur gering (siehe auch Grafik). «Das ist eine gute Nachricht», sagt der städtische Steuerverwalter Urs Stauffer. In Biel wächst nicht nur die Bevölkerung, es werden auch sogenannte «gute» Steuerzahler angezogen.

Noch positiver sieht das Ergebnis 2018 bei den Firmen aus, hier konnte die Stadt im Vergleich zum Vorjahr fast zehn Millionen mehr Steuereinnahmen generieren. Damit liegt das Ergebnis sogar über Budget, obschon Stauffer sagt, dass man jeweils von Maximalerwartungen ausgehe. «Die Zeiten, als noch defensiv budgetiert wurde, um dann einen Überschuss zu präsentieren, sind vorbei.»

Auffallend am Ergebnis 2018 ist zudem, dass die Stadt nur 21 der 42 budgetierten Millionen Franken an Investitionen getätigt hat. Laut Steidle sei es normal, dass nur um die 70 Prozent der Investitionen tatsächlich auch im vorgesehenen Jahr anfallen. Nur die Hälfte sei aber schon gar wenig. Zumal die knapp 20 Millionen Franken 2018 nicht eingespart wurden, die Investitionen fallen ganz einfach später an. Der grösste verschobene Brocken dürfte dabei das baufällige Dufour-Schulhaus sein.

Viele kleine Investitionen würden aber nicht weniger Energie kosten als einige grosse, verteidigt Frédéric Ryser, seit Mai 2018 Finanzchef der Stadt Biel, seine Abteilung. «Wir sind investitionswillig, daran liegt es nicht.» Der geringere Investitionsaufwand hat zusammen mit einer Reduktion bei den flüssigen Mitteln der Stadt zur Folge, dass die hohe Schuldenlast Biels 2018 nicht weiter gestiegen, sondern um rund 1,7 Millionen gesunken ist. «Ein einmaliger Effekt», sagt Ryser allerdings. Denn die flüssigen Mittel lassen sich nicht ewig reduzieren – und die nicht getätigten Investitionen stauen sich.

«Wir denken und planen mit»
Ryser ist trotzdem, wie seine politische Vorgesetzte, der Ansicht, dass Biel den finanziellen Umschwung geschafft hat. «Wir haben die Lage unter Kontrolle, sind nicht blind, sondern wissen, wo der Weg hinführt», sagt er. Und dieser soll vor allem dank der kontinuierlichen Entwicklung bei den Steuereinnahmen weiter aufwärts weisen. Sollte diese Entwicklung durch den Kanton anders als erhofft mit der Umsetzung der Steuervorlage des Bundes doch noch gestört werden, kündigt Steidle erneut hartnäckigen Widerstand an: «Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Gemeinden Entwicklungen in eine falsche Richtung verhindern können. Wir sind selbstbewusster geworden», so die bürgerliche Finanzdirektorin. «Wir warten nicht mehr, bis uns die Dinge auf den Kopf fallen, wir denken und planen mit.»

Tun wird dies Steidle überregional künftig als Präsidentin der Konferenz der städtischen Finanzdirektoren, die 2014 als Pendant zur mächtigen Finanzdirektorenkonferenz der Kantone gegründet wurde. Steidle übernimmt das Präsidium im Mai von Daniel Leupi (Grüne), dem Finanzvorsteher der Stadt Zürich. Auf Zürich folgt an der Spitze der Vereinigung also nicht etwa Bern, Lausanne, Genf oder Luzern. Sondern Biel. Die Nomination Steidles dürfte auch Anerkennung sein für ihr starkes, und öffentlichkeitswirksames, nationales Engagement für die Städte im Abstimmungskampf zur USR III.

 

 

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