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Biel

Zu viele Honigbienen schaden der Artenvielfalt

Wer im urbanen Raum imkert, gefährdet die Biodiversität. Auch in Biel gibt es zu wenig Grünflächen für die Ernährung von Bienen. Sollte deswegen das Imkern in der Stadt abgeschafft werden?

Bild: Pexels

Maeva Pleines/pl

In den letzten zehn Jahren hat die Hobby-Imkerei in den Städten einen regelrechten Boom erlebt. Immer mehr Menschen züchten Honigbienen, auf Dächern, in Vorgärten, am Waldrand. In 14 Schweizer Städten, darunter auch in Biel, ist die Anzahl Bienenstöcke zwischen 2012 und 2018 von 3139 auf 9370 angestiegen, wie eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigt (das BT berichtete). Das ist fast eine Verdreifachung und sozusagen die urbane Antwort auf das Bienensterben, das in den vergangenen Jahren immer wieder angeprangert wurde.

Also alles super, je mehr Bienen, umso besser? Eben nicht, lautet die Antwort von Joan Casanelles Abella und Marco Moretti, den beiden Forschenden, welche die Studie für die WSL durchgeführt haben. Die Verbreitung der Honigbienen im urbanen Raum hat nämlich auch eine Kehrseite: Gerade in Städten hat es nicht genügend Blüten, um alle Bienen ernähren zu können. Dadurch entsteht eine Nahrungsknappheit und diese trifft nicht nur die Honigbienen, sondern alle Insekten, die sich von denselben Blütenpflanzen ernähren – also auch Wildbienen.

«Die Grünflächen können mit der bestehenden Dichte der Bienenstöcke nicht mithalten», erklärt es Casanelles Abella. In den Schweizer Städten finde damit eine ähnliche Entwicklung statt, wie man sie in Paris, Berlin oder London beobachtet, so der Co-Autor der Studie. Die Forschung empfiehlt 7,5 Bienenvölker pro Quadratkilometer Grünfläche als Grenzwert für eine nachhaltige Bienendichte. In der Schweiz wird dieser Wert nur in ländlichen Gebieten erzielt. Die Simulation der WSL zeigt, dass eine hypothetische Vergrösserung der städtischen Grünflächen «sehr unrealistisch» ist. «In Wahrheit sind einfach nicht genügend Ressourcen vorhanden», so Casanelles Abella. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die vielen Honigbienen bedrohen die Artenvielfalt in den Städten – und damit die Biodiversität als Ganzes.

 

Biel steht nicht schlecht da

Die halbwegs gute Nachricht: In Biel sieht die Situation etwas weniger dramatisch aus. Die Zahl der Bienenvölker hat in der Seelandmetropole weniger stark zugenommen als in grösseren Agglomerationen wie Bern. Das kantonale Amt für Veterinärwesen zählte in Biel im Jahr 2014 25 Bienenstöcke; 2021 waren es 49. «Die Anzahl ist verhältnismässig gering. Mit fünf Völkern pro Züchter sprechen wir vorwiegend von Hobby-Imkerei», sagt WSL-Forscher Marco Moretti.

Trotzdem zeigt sich, dass 75 Prozent des Bieler Stadtgebiets zu wenig Grünflächen für die Ernährung von Bienen und anderen Insekten besitzt. «Wenn man ein System über seine Tragfähigkeit hinaus belastet, dann erschöpft man zugleich die enthaltenen Ressourcen. Dies wiederum hat zur Folge, dass die anderen Organismen, die von derselben Ressource leben, darunter leiden», sagt Casanelles Abella. Dennoch will er heute keine Folgerungen aus der Forschung ziehen, wie etwa die Empfehlung zur Abschaffung der Imkerei im städtischen Raum.

 

«Gut gemeint» aber nicht effizient

Jean-Daniel Charrière, der Leiter des Zentrums für Bienenforschung von Agroscope, äussert sich ebenfalls zurückhaltend: «Wir begrüssen die Bemühungen der Bürgerinnen zugunsten der Bienen.» Schliesslich weise sein Institut seit Jahren auf die Probleme der Imker hin. Jedenfalls sei die Haltung von Bienenstöcken im urbanen Raum «gut gemeint». «Aber es gibt effizientere Lösungen zum Erhalt der Artenvielfalt», erklärte Charrière gegenüber «Canal 3».

Der Bieler empfiehlt, Blumen zu pflanzen, die den Bestäubern besonders viel Nahrung liefern, wie Senf oder Bienenweide. «Man kann sie auf Balkonen, in Gärten oder im öffentlichen Raum – zum Beispiel auf Kreiseln – pflanzen», sagt Charrière. Auch beim Pflanzen von Bäumen solle man darauf achten, bienenfreundliche Sorten zu wählen. Schliesslich regt der Leiter der Forschungsanstalt das Aufstellen von «Bienenhotels» an. In diesen finden auch wildlebende Insekten Unterschlupf und sie lassen sich einfach auf dem Balkon aufhängen.

 

Artenreichtum
im urbanen Raum

  • Von den 600 Wildbienenarten in der Schweiz gelten rund 45 Prozent als bedroht. Städte können eine erstaunlich grosse Artenvielfalt von Wildbienen enthalten, denn auf den Grünflächen werden weniger Pestizide als in der Landwirtschaft ausgebracht. In Zürich wurden 164 Wildbienenarten gezählt. «In Biel dürften es noch mehr sein, denn die Stadt ist kleiner und näher an den Grünzonen», glaubt der Forscher Marco Moretti.
  • In der Schweiz produzieren nur die Honigbienen erhebliche Nahrungsreserven für den Winter. «Hummeln legen zwar auch Honig an, aber in sehr geringem Ausmass», sagt Jean-Daniel Charrière. In Südamerika gibt es auch Wildbienen, die sich einen Honigvorrat anlegen. In der Schweiz hingegen überleben die wilden Arten den Winter nicht. Deshalb sei kein Vorrat notwendig, erklärt der Leiter der Forschungsstätte von Agroscope. MAP/pl

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