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Orpund/Biel

Zufallsbegegnung führte zum Tod

Nächste Woche beginnt am Regionalgericht ein viertägiger Prozess, der sich mit einem brutalen Tötungsdelikt beschäftigt: 2016 tötete ein Mann im Wald in Orpund eine Hundehalterin.

Das Opfer war mit seinem Dackel unterwegs und wurde im Burgerwald erschlagen. Nun beginn der Prozess. Bild: Reto Probst/a

Deborah Balmer

Im Juli vor vier Jahren findet eine Spaziergängerin an einem Montagmorgen im Burgerwald in Orpund die Leiche einer Frau. Nach ersten Ermittlungen wird klar: Hier geht es um ein brutales Tötungsdelikt. Die 66-jährige Hundehalterin ist bereits am Sonntag unter Einwirkung massiver stumpfer Gewalt getötet worden, wie die Polizei später mitteilt. In der Nähe der Leiche befindet sich ihr Dackel, mit dem sie auf einem Spaziergang unterwegs war. Auch er soll verletzt gewesen sein, wie die Zeugin gegenüber dem BT erzählt.

Die Kantonspolizei Bern nimmt zur Klärung der Tat die Arbeit sofort auf. Die Identität der Verstorbenen muss schnellstmöglich geklärt werden. Auch zum genauen Tathergang und der Waffe trifft die Polizei Abklärungen. Der Fall gibt Rätsel auf. Denn ein Motiv ist unklar und von einer Täterschaft fehlt vorerst jede Spur.

Und so sucht die Kantonspolizei im Juli 2016 via Medien Hilfe in der Bevölkerung. Um bei den Untersuchungen weiterzukommen, startet sie einen Zeugenaufruf. «Personen, die am Sonntag, 17. Juli 2016, im Burgerwald verdächtige Beobachtungen gemacht haben, sollen sich telefonisch bei der Polizei melden.» Nochmals einen Tag später meldet sich die Kapo erneut: Sie hofft nun mithilfe von Zeugen den gestohlenen Kleinwagen des Opfers zu finden. Einen grauen Chevrolet Matiz mit Berner Nummernschild und einem Aufkleber, der auf die Geschwindigkeitsbegrenzung von 45 Stundenkilometern hinweist.

Tierärztin aus der Region

Eine Hundespaziergängerin, die tot am Rande eines Weges liegt. Der rätselhafte Fall spricht sich in Orpund und der Region schnell herum. Der Wald nördlich des Dorfes ist bei Joggern, Spaziergängern und Hundehaltern gleichermassen beliebt. Doch im Juli 2016 getrauen sich einige vorerst nicht mehr, den Wald zu betreten. Die Verunsicherung ist zu gross. Kannten sich Opfer und Täter? Oder ist das Opfer seinem Mörder zufällig begegnet?

Ein Täter fehlt noch immer. Die Polizei arbeitet weiter auf Hochtouren. Im Orpund fallen die zahlreichen Polizeiautos auf, die zum Burgerwald hochfahren und dort nach verräterischen Spuren suchen. Im lokalen Werkhof werden sogar Robidogsäckchen nach Hinweisen untersucht. Es gibt viele offene Fragen.

Mittlerweile ist aber mehr bekannt über die Getötete: Es handelt sich um eine Tierärztin aus der Region, die bis vor wenigen Jahren eine eigene Praxis in der Bieler Agglomeration führte. Vor allem unter Hundehaltern kannte man sich. Denn die Frau war wie viele andere regelmässig mit ihrem Dackel auf Spaziergängen im Burgerwald unterwegs.

Fünf Tage später wird er gefasst

Damals äusserte sich auch der Gerichtspsychiater Thomas Knecht im «Bieler Tagblatt» und sprach über ein mögliches Tatmotiv: Er sehe Hinweise darauf, dass es sich eher um eine nicht geplante Tat handelt, sagte er. Darauf deute hin, dass der Täter es äusserst eilig hatte, vom Tatort wieder wegzukommen. So war die Leiche vom schmalen Waldweg aus gut zu sehen, also nicht richtig versteckt worden. Hätte er die Leiche schon vorher getötet und hätte sie im Wald entsorgen wollen, wäre er laut Knecht wohl anders vorgegangen.

Zu diesem Zeitpunkt war noch immer offen, ob der Täter im Bekanntenkreis zu suchen ist. Dazu Knecht: «Zum Töten braucht es ein starkes Motiv. Wenn jemand in einen grossen Konflikt verstrickt ist, wissen das die anderen im Umfeld in der Regel.»

Dann endlich: Fünf Tage nach der Tat wird der mutmassliche Täter am Freitagabend von der Polizei gefasst. Er hatte versucht, mit dem gestohlenen Kleinwagen bei einem offiziellen Grenzübergang in der Region Schaffhausen von Deutschland in die Schweiz einzureisen. Nicht nur der entwendete Chevrolez Matiz, mit dem er noch immer herumfuhr, verriet ihn. Seine DNA, die am Tatort sichergestellt wurde, war wegen verschiedener Einbruchdiebstähle in der nationalen DNA-Datenbank registriert. Sofort kommt der Bulgare in Untersuchungshaft.

Nach Abschluss der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft im Oktober 2019 Anklage gegen ihn erhoben. Angeklagt ist er wegen Mordes, eventuell wegen vorsätzlicher Tötung. Laut der Staatsanwaltschaft ist es erwiesen, dass er die Frau mit einem Beil getötet hat. Das Spezielle am Fall sei, dass der Beschuldigte seine Tat abstreite, sagte der Informationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft, Christof Scheurer, damals gegenüber dem BT. «Diese Tatsache hat natürlich das Beweisverfahren verlängert.» Weil der Mann aber am Tatort seine DNA zurückgelassen hat, konnte er dennoch angeklagt werden.

Vier Jahre sind seither vergangen: Nächste Woche wird sich nun das Regionalgericht Berner Jura-Seeland in einem vier Tage dauernden Prozess mit dem Delikt beschäftigen. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Wie dem Verhandlungsplan des Gerichts zu entnehmen ist, muss sich der Beschuldigte neben dem Vorwurf des Mordes, eventuell vorsätzlicher Tötung, zudem unter anderem wegen Diebstahls, Einbruchs, Sachbeschädigung und Behördenbetrugs verantworten.

Geleitet wird die Verhandlung von Gerichtspräsident Maurice Paronitti, der gleichzeitig Geschäftsführer des Regionalgerichts ist. Das Gericht tagt in einer Fünferbesetzung auf Französisch. Die Urteilseröffnung ist für kommenden Freitagnachmittag geplant.

Stichwörter: Orpund, Mord, Regionalgericht

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