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Bern

Ausländische Prostituierte in Not

Die Fremdenpolizei in Bern appelliert an die Besitzer von Bordellen, den nun arbeitslosen Sexarbeiterinnen günstiges Wohnen zu bieten.

Symbolbild Keystone
  • Dossier

Seit einer Woche steht auch die Sexarbeit in der Schweiz still. Wegen des Coronavirus haben Sexarbeitende ihren Job verloren. In den Bordellen und auf dem Strassenstrich darf wegen der Ansteckungsgefahr mindestens bis zum 19. April nicht mehr angeschafft werden.

Alexander Ott, Leiter der Fremdenpolizei Stadt Bern, hat deshalb vergangene Woche acht Betriebe in der Stadt Bern angeschrieben und sie darauf aufmerksam gemacht, dass Ausreisen in die EU/Efta-Staaten erschwert sind. Zahlreiche ausländische Sexarbeitende sind immer noch in Bern, weil weder Züge fahren, noch Flüge in ihre Heimatländer möglich sind. «Die Situation der Sexarbeitenden ist prekär. Wir forderten die Betreiber letzte Woche schriftlich dazu auf, sie zu beherbergen. Wir müssen verhindern, dass sie auf der Strasse landen und obdachlos werden.»

Viele Sexarbeiterinnen wohnen dort, wo sie arbeiten. Meistens bezahlen sie hohe Mieten für ihre Zimmer in den Bordellen. «Können sie nun kein Einkommen verdienen, riskieren sie den Mietvertrag zu verlieren», sagt Ott.

Solidarität im Milieu

Alexander Ott liess darum kürzlich die Betriebe kontrollieren. Damit wollte er prüfen, ob die Bordellinhaber den Frauen helfen. Fakt ist: Die von ihm angeschriebenen Betreiber der Etablissements lassen die Sexarbeitenden derzeit in deren Zimmer wohnen.

Die 36 betroffenen Frauen in den überprüften Bordellen aus der Stadt Bern stammen aus Bulgarien, Rumänien, Brasilien, Spanien, Italien. Viele von ihnen möchten nach Hause gelangen. Alexander Ott sagt: «Wir gehen davon aus, dass die Frauen sobald als möglich in ihre Herkunftsländer reisen werden.»

Geld für Lebensmittel fehlt

Christa Ammann von der Fachstelle Xenia ist besorgt. Sie weiss: «Vielen Sexarbeitenden fehlt es an Geld für Grundlegendes wie Lebensmittel. Laufende Rechnungen können sie nicht bezahlen. Sie kämpfen um Existenzielles.» Am Freitag haben ihre Mitarbeiterinnen darum einigen Essen verteilt, um deren knappes Budget zu entlasten.

Ammann ist froh darüber, dass die Sexarbeiterinnen derzeit in der Stadt Bern kostenlos oder günstiger in den Salons wohnen können. Die Frage sei aber, wie lange dies möglich sei. Denn auch einige Betreiber fürchten um ihre Existenz, wenn sie längere Zeit keine Einnahmen generieren.

Es bestehe das Risiko, dass die Sexarbeitenden bald ihre Unterkunft verlören. Christa Ammann klärt darum vorsorglich ab, wo sie alternativ wohnen könnten und wo eine Selbstquarantäne möglich wäre. Übrigens seien auch sexarbeitende Männer und Transpersonen in derselben misslichen Lage wie die Frauen. Xenia will allen Betroffenen dabei helfen, dass sie Taggelder oder Sozialhilfe bekommen.

Auch bei der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) ersuchen zahlreiche Sexarbeitende um Rat. «Wir spüren die erhöhte Nachfrage schon seit vier Wochen. Schon damals berichteten Betroffene von der sinkenden Nachfrage», sagt Lelia Hunziker, Geschäftsleiterin der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration.

Freier nutzen Notlage aus

Die Lage sei für die Prostituierten in der Schweiz ernst. Sie weiss, dass einige Sexarbeiter in ihrer Verzweiflung trotz des Verbots arbeiten: «Bekommen sie ein Angebot von einem Freier, müssen sie es nutzen, weil ihre Not so gross ist.» Gehe es um die Existenz, werde die Gesundheit nicht selten ausser Acht gelassen. Wie oft Sexarbeiterinnen derzeit anschaffen, wisse sie nicht.

Um Obdachlosigkeit und Armut oder auftretende Probleme mit der Aufenthaltsbewilligung zu bekämpfen, steht die FIZ eng in Kontakt mit dem Bundesamt für Gesundheit. Gemeinsam erarbeiten sie nun eine schweizweite Lösung, um die auftretenden Probleme zu analysieren. Gestützt darauf sollen Massnahmen folgen, um den Sexarbeitenden zu helfen. 
Rahel Guggisberg

Stichwörter: Prostituierte, Bordell, Bern

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