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Verteilkampf

Bern, Thun und Biel würden weniger erhalten

Ein Vorstoss im Grossen Rat fordert, Langenthal und Burgdorf bei der Abgeltung der Zentrumslasten mit Bern, Thun und Biel gleichzustellen. Letztere wären dabei auf der Verliererseite.

Weniger Geld für Bern, mehr für Burgdorf und Langenthal - das wäre eine der Konsequenzen des Vorstosses zum Ausgleich der Zentrumslasten. Bild: Ruben Wyttenbach

Benjamin Bitoun

Leben die Menschen in der Agglomeration und auf dem Land auf Kosten der Städterinnen und Städter? Diese Frage erhitzt gerade in einem Kanton mit einem tiefen Stadt-Land-Graben wie Bern immer wieder die Gemüter.

Unbestritten ist: Städte bieten viel, darunter viel Kostspieliges – Theater, Bibliotheken, Schwimmbäder, Sportanlagen oder Museen. Aber auch Verkehr und Sicherheit sind in den Städten massiv teurer als auf dem Land. Finanziert werden solche sogenannte Zentrumslasten mit den Steuern, welche die Städterinnen und Städter bezahlen.

Ist das fair? Nicht unbedingt. Denn schliesslich werden die Leistungen auch von Menschen genutzt, die nicht in den Städten wohnen. Um die fünf Berner Städte mit Zentrumsfunktion zu entlasten, gibt ihnen der Kanton im Rahmen des kantonalen Finanz- und Lastenausgleichs Geld.

Konkret zahlt er Bern, Thun und Biel eine pauschale Abgeltung ihrer Zentrumslasten. Zudem können sie die Lasten im Finanzausgleich im Rahmen der Steuerkraft-Berechnung im Finanzausgleich abziehen – so wie auch Langenthal und Burgdorf.

Vorbildlicher Kanton Bern

Gemäss einer Ecoplan-Studie aus dem Jahr 2017 ist das Berner Ausgleichssystem im schweizweiten Vergleich vorbildlich. Doch wirklich zufriedenstellend ist die Lösung aus Sicht der Städte nicht, findet der Stadtberner Finanzdirektor Michael Aebersold (SP): Die Städte erhalten nur einen Teil der Kosten vom Kanton erstattet – und zwar in der Tendenz immer weniger.

2008 wurden noch 80 Prozent der Zentrumslasten von Bern, Biel und Thun abgegolten, die pauschale Abgeltung betrug insgesamt knapp 91 Millionen Franken. Bis heute ist dieser Betrag gleich geblieben.

Doch erstens teilt der Kanton die Abgeltung nach einer Neuberechnung der Zentrumslasten unter den Städten anders auf.

Und zweitens erhält Bern unter dem Strich weniger Geld, weil die Zentrumslasten der Bundesstadt in den vergangenen Jahren gewachsen sind, insbesondere durch höhere Kosten in den Bereichen Sport und Privatverkehr. Zum Privatverkehr gehört der Ausbau und Unterhalt des weitverzweigten Strassennetzes.

Nicht korrekt, findet der städtische Finanzdirektor Michael Aebersold. Er weibelt schon seit Jahren für einen 100-prozentigen Ausgleich der Lasten und versucht auch über den Schweizerischen Städteverband, die Schweizer Städte auf eine einheitliche Linie einzuschwören. In Finanzfragen redeten diese mehr und mehr mit einer Stimme, betonte er kürzlich gegenüber der «Berner Zeitung».

Von unerwarteter Seite

Doch nun zeigt sich: Stimmen aus dem Emmental und dem Oberaargau sind alles andere als erpicht darauf, in Aebersolds Kanon der Städte mitzusingen. Konkret fordern elf Grossrätinnen und Grossräte in einem Vorstoss vom Berner Regierungsrat, Burgdorf und Langenthal bei der Abgeltung der Zentrumslasten Bern, Thun und Biel gleichzustellen – und zwar, ohne die Gesamtsumme des Kantons zu erhöhen. Heisst: Die Städte im Berner Mittel-, See- und Oberland müssten mit deutlich weniger Geld vom Kanton rechnen.

«Die Motion ist ein bürgerlicher Angriff auf die links-grünen Städte», sagt Michael Aebersold. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn: Unterschrieben wurde die Motion auch von den Grossräten Stefan Berger und Reto Müller, den Stadtpräsidenten von Burgdorf und Langenthal – und SP-Parteigenossen des Stadtberner Finanzdirektors.

«Den beiden Kollegen war das Wohl ihrer Stadt im Moment wichtiger als das grosse Ganze», kommentiert Aebersold den unerwarteten Angriff von links. Noch sei die Motion nicht überwiesen, es gelte, den Schaden für die Städte in Grenzen zu halten. Das Anliegen, dass Burgdorf und Langenthal ihre Zentrumslasten ebenfalls durch den Kanton ausgeglichen erhielten, sei aber absolut berechtigt, so Aebersold.

Schützenhilfe aus Thun

Unterstützung erhält der Stadtberner Finanzdirektor dabei von seiner Amtskollegin aus dem Berner Oberland. «Werden die bereits heute nicht ausreichenden Abgeltungen auf weitere Städte verteilt, kann das nicht im Interesse aller betroffenen fünf Städte sein», sagt die Thuner Finanzdirektorin Andrea de Meuron (Grüne). De Meuron betont weiter: «Gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Städte nicht nur Zentrumslasten zu tragen haben, sondern auch stärker von den finanziellen Auswirkungen von Corona oder der Steuerreform Staf betroffen sind, müsste das Ziel lauten, dass die Zentrumslasten zu 100 Prozent abgegolten werden.» Thun erhielt in den letzten beiden Jahren vom Kanton jeweils eine pauschale Abgeltung von 9,3 Millionen Franken, was einem Anteil von 61 respektive 63 Prozent der städtischen Zentrumslasten entspricht.

Gleicher Schlüssel gefordert

Bahnt sich angesichts der unter der Pandemie in Mitleidenschaft gezogenen Finanzen ein Verteilkampf unter den Berner Städten an? «Ein solcher Verteilkampf wird schon seit Jahren geführt», halten die Stadtpräsidenten von Burgdorf und Langenthal, Stefan Berger und Reto Müller, in einer gemeinsamen Antwort an die Tamedia-Zeitungen fest. Ein Kampf, in dem ihre beiden Städte unbegründet benachteiligt würden.

Die Zentrumslasten werden in allen Städten nach den gleichen Vorgaben berechnet, die Pro-Kopf-Beträge seien vergleichbar, betonen Berger und Müller. «Sachlich überzeugt die Ungleichbehandlung der Städte nicht, und es gibt keinen Grund, weshalb die Zentrumslasten unterschiedlich entschädigt werden sollten.»

Ihr Vorstoss konkurriere nicht mit der Forderung der Stadt Bern, dass der Kanton generell die Zentrumslasten stärker ausgleichen sollte, sagen die Stadtpräsidenten von Burgdorf und Langenthal. Auch sie halten eine höhere Entschädigung für unbedingt notwendig. Doch fügen sie hinzu: «Politisch wäre eine Erhöhung der Gesamtentschädigung in der Coronazeit wohl nicht mehrheitsfähig.» In einem ersten Schritt sollten daher alle Städte mit Zentrumsfunktionen nach dem gleichen Schlüssel entschädigt werden.

Stichwörter: Bern, Thun, Biel, Zentrumslasten

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