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Wahlen 19

Das Schicksal der BDP entscheidet sich in Bern

Mit einem Hürdenlauf im Kanton Bern könnte sich die BDP auch national weiterhin am Leben erhalten. 
Ihre Schlüsselfiguren sind Finanzdirektorin Beatrice Simon und Nationalrat Lorenz Hess.

Lichtgestalt der Berner BDP: Beatrice Simon, heute Regierungsrätin, im roten Helm bei der Gründung der BDP 2008. Bild: Andreas Blätter
  • Dossier

Sandra Rutschi

Aufatmen. Das ist das oberste Wahlziel der BDP bei den bevorstehenden eidgenössischen Wahlen. Bei ihr geht es um die Existenz, sprich: Sie will ihre insgesamt acht Sitze im Parlament halten. Ob ihr das gelingt, entscheidet sich zu einem grossen Teil im Kanton Bern. Von hier stammen der einzige Ständerat und drei der sieben Nationalräte der BDP. Hinzu kommen je ein Vertreter aus Glarus, Graubünden und dem Aargau sowie die Fraktionspräsidentin aus Zürich.

Ausgerechnet in Bern stehen aber nun zwei Rücktritte an: Ständerat Werner Luginbühl und Nationalrat Hans Grunder, der Gründervater der Partei, treten nicht mehr zur Wahl an. Für Luginbühls Sitz kandidiert Regierungsrätin Beatrice Simon. Die Finanzdirektorin hat trotz der kleinen Partei beste Chancen, gewählt zu werden. Denn sie ist beim Stimmvolk beliebt: Schon zweimal erzielte die Seeländerin das beste Resultat aller Regierungsräte bei ihrer Wiederwahl.

Problematischer hingegen ist Grunders Nachfolge im Nationalrat. Schon vor vier Jahren verlor die BDP dort in Bern einen Sitz – jenen von Heinz Siegenthaler. Mittlerweile sitzt Siegenthaler wieder im Parlament, weil Urs Gasche während der Legislatur zurückgetreten ist. Die Situation spitzt sich zu, weil der Kanton Bern wegen seiner demografischen Entwicklung dieses Jahr wiederum einen Sitz weniger im Nationalrat haben wird. So wie bereits vor vier Jahren. «Das macht die Situation für alle Parteien schwieriger», sagt der Berner Nationalrat und BDP-Wahlkampfleiter Schweiz Lorenz Hess.

Gebranntes Kind

Die BDP ist bezüglich Wahlen ein gebranntes Kind. Wegen ihrer speziellen Entstehung verlor sie in den letzten Jahren stetig an Boden. Als sie sich 2008 von der SVP abspaltete, stellte sie mit Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf zwei Bundesräte. Etliche Exponenten der SVP, namentlich in Bern, wechselten zur neuen Partei und blieben in ihren Ämtern. Bei den ersten Wahlen auf nationaler und kantonaler Ebene erhielt die BDP viele Sympathiestimmen.

Die Partei startete also mit Vorschusslorbeeren – was ihr zum Verhängnis wurde. Denn sie ruhte sich auf diesen Lorbeeren aus und vergass, an der Basis aktiv Leute nachzuziehen. Zudem fällt es ihr als gemässigter bürgerlicher Partei schwer, ein klares Profil zu entwickeln und sich damit von anderen Parteien abzugrenzen.

Das bittere Erwachen folgte, als die Sympathiestimmen erstmals wegfielen. Etwa bei den kantonalen Wahlen in Bern von 2014: Die Partei verlor 11 ihrer 25 Sitze. Ein Jahr später büsste sie auf eidgenössischer Ebene nicht nur Siegenthalers, sondern auch einen weiteren Sitz im Nationalrat ein.

Nur ein blaues Auge

Auch in den letzten vier Jahren musste die Partei Rückschläge hinnehmen. Sie flog in der Schweiz in deren fünf Kantonen aus den Parlamenten und ist nun nur noch in fünf vertreten. National spielt sie mittlerweile keine Rolle mehr.

Doch die BDP weiss auch, wie sich ein Aufatmen nach Wahlen anfühlt – gerade in Bern. Hier kam sie letztes Jahr bei den kantonalen Wahlen mit einem blauen Auge davon, obschon sie zuvor in den Gemeinden an Boden verloren hatte. Sie büsste zwar 2,18 Prozentpunkte Wähleranteil ein. Doch im Grossen Rat spürte dies die Partei nicht. Den einen Sitz, den sie verlor, musste sie bereits während der Legislatur abgeben, weil ein Mitglied zur SVP wechselte. Und noch immer ist die BDP das Zünglein an der Waage, wenn es im Grossen Rat darum geht, Mehrheiten zu schaffen.

Simons Stimmen

Von daher geht die Berner BDP nicht so angeschlagen in diese nationalen Wahlen wie in die letzten. «Die Stimmung ist gut, die Listen füllten sich rasch», sagt Lorenz Hess. Kommt hinzu, dass Beatrice Simon auch für den Nationalrat kandidiert – und der Partei Stimmen sichern könnte, die durch Gasches und Grunders Rücktritt verloren gingen.

Von den anderen neuen Kandidatinnen und Kandidaten sticht jedoch niemand heraus. Grossräte sind dabei, auch Kantonalpräsident Jan Gnägi und Fraktionschefin Anita Luginbühl. Ebenso BDP-Schweiz-Geschäftsführerin Astrid Bärtschi und der Berner Stadtratspräsident Philip Kohli. Solide Politiker auf ihrer Ebene, doch keine markanten Exponenten. Ob sie bei den Wählern ausreichend bekannt sind, ist fraglich.

Als Quereinsteiger portiert die Partei die ehemalige TeleBärn-Moderatorin Michelle Renaud und Martin Lüthi, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Heinrich Gartentor. Der Promi-Faktor mag bei diesen beiden eine Rolle spielen. Und doch ist er weniger stark als etwa bei Matthias Aebischer, der seinen Moderatorenjob bei SRF für einen Nationalratssitz der SP aufgab. Man muss der BDP zugutehalten, dass sie mit dem selbstironischen Wahlslogan «Langweilig, aber gut» Sympathien zurückgewinnen konnte. Zudem versucht sie, sich in der Klimapolitik zu profilieren, die ihr im Gegensatz zur FDP und zur SVP stets wichtig war.

Und doch muss die Partei im Kanton Bern in den nächsten Monaten einen Hürdenlauf absolvieren, damit sie ihre Ämter halten und neue Leute nachziehen kann. Die ersten beiden Hürden stehen im Herbst an: Beatrice Simon muss den dritten Nationalratssitz verteidigen und gleichzeitig Ständerätin werden. Der erste Ersatz könnte dann in die grosse Kammer nachrutschen. Ein neues Gesicht, das sich etablieren könnte.

Die dritte Hürde folgt, wenn Simon gewählt wird: Der frei werdende Regierungssitz wird umkämpft sein. Vom Bekanntheitsgrad her ist Nationalrat Lorenz Hess der einzige BDPler, der ihn im Februar verteidigen könnte – allenfalls auch gegen einen SP-Spitzenkandidaten wie Matthias Aebischer.

Er höre das oft, sagt Hess, und es freue ihn, dass ihm dies zugetraut werde. Aber Hess ist zurückhaltend. «Zurzeit passt ein Regierungsamt nicht in meine Pläne. Ich verweigere aber nie das Gespräch.»

Wesentlicher als der Bekanntheitsgrad sei der Rückhalt, den ein Kandidat oder eine Kandidatin von den anderen bürgerlichen Parteien erhalte. «Wenn sich die Bürgerlichen geschlossen hinter eine Person stellen, wird diese gewinnen. Auch gegen einen Topkandidaten der Linken.»

Erst wenn die Berner BDP all diese Hürden schafft, kann sie wirklich aufatmen. Und hat eine weitere Galgenfrist, um sich auch national am Leben zu erhalten.

Info: Lesen Sie mehr zu den 
Wahlen 2019 im Dossier auf 
bielertagblatt.ch/Wahlen19

Stichwörter: BDP, Bern, Wahlen, Kanton Bern

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