Sie sind hier

Abo

Streit

Der Jurakonflikt auf dem Fahnentuch

Grossrätin Anne-Caroline Graber (SVP) will eine eigene Fahne für den Berner Jura. Die Kantonsregierung hat aber keine Lust auf eine Fahnendebatte.

Symbolbild: Keystone
  • Dossier

Stefan von Bergen

Jawohl, die Jurafahne flattere derzeit am Hôtel de Ville von Moutier, bestätigt Gemeinderat Valentin Zuber (PSA). Dass im immer noch bernischen Jurastädtchen das Emblem des Kantons Jura und der Separatisten am Rathaus hängt, ist ein Dauerpolitikum. Für die Berntreuen ist es schlicht eine Provokation, dass die separatistische Mehrheit der Gemeindebehörden die Fahne aufzieht, bevor Moutier offiziell zum Kanton Jura gehört. Das dauert noch. Nach der Annullierung durch das Berner Verwaltungsgericht muss die Abstimmung über den Kantonswechsel wiederholt werden.

Im Januar drohten probernische Kreise und das Komitee Moutier résiste mit rechtlichen Schritten gegen die Beflaggung. An einem Zürcher Rathaus würde schliesslich auch keine Luzerner Fahne toleriert, argumentierten sie. Für Moutiers Separatisten aber ist die Fahne eine Herzensangelegenheit, ein Symbol ihrer regionalen Identifikation und ein Abbild des Traums von einem vereinigten Jura von Pruntrut bis zum Bielersee. Gerne verweisen sie auch darauf, dass die Jurafahne sogar in der Staatsverfassung des Kantons Bern anerkannt werde.

 

Die sistierte
Fahnen-Anerkennung

Nun kann man aber einer Antwort des bernischen Regierungsrats auf eine Interpellation entnehmen, dass diese Anerkennung längst sistiert worden ist. Die Fahnenfrage aufgeworfen hat die probernische SVP-Grossrätin Anne-Caroline Graber aus La Neuveville. Sie will von der Kantonsregierung wissen, ob die Jurafahne immer noch Gültigkeit im Berner Jura habe und ob man sie durch eine andere Fahne ersetzen könnte.

Der bernische Regierungsrat bestätigt in seiner Antwort, dass die Fahne 1951 tatsächlich als Zeichen für die Gesamtheit der Jurassier anerkannt worden sei. Man versuchte so, die damals aufwallenden separatistischen Emotionen zu beruhigen. 1976 wurde dann absehbar, dass ein eigener Kanton Jura entstehen würde – mit besagtem Emblem als Kantonsflagge. Gemäss Regierungsrat suspendierte der Kanton Bern darauf den Anerkennungsbeschluss von 1951. Die Begründung: Die jurassische Fahne stehe nun für den neuen Kanton, aber nicht mehr für die Gesamtheit der Jurassier. Nach der Schaffung des Kantons Jura könne man den alten Fahnenbeschluss dann aufheben.

So weit kam es aber nie. Und das ärgert Anne-Caroline Graber. «Ich bedaure den fehlenden politischen Mut der Kantonsregierung», sagt die Grossrätin. Sie störe sich überdies an der juristisch immer noch unklaren Lage. Die Kantonsregierung schreibt, seit der Neustrukturierung des Kantons in Verwaltungskreise hätten die Jurafahne und auch «Fahnen im Allgemeinen» im Berner Jura keine Bedeutung mehr. Deshalb sei auch die formelle Aufhebung der früheren Anerkennung nicht mehr nötig.

 

Die sechs Balken
der Jurafahne

Dass die Jurafahne im Berner Jura gar keine Gültigkeit mehr hat, hindert Moutiers Separatisten allerdings nicht, sie weiterhin aufzuhängen. Für Anne-Caroline Graber ist das «intellektuell unredlich». Auch die Separatisten wüssten ja, dass die sieben roten und weissen Balken im Wappen für die früheren sieben Bezirke des Bistums Basel im Jura stünden. Die drei südlichen Bezirke – heute zum Verwaltungskreis Berner Jura vereinigt – hätten sich in mehreren Abstimmungen dezidiert für einen Verbleib beim Kanton Bern ausgesprochen. Die Jurafahne könne also für den Berner Jura keine Bedeutung mehr haben.

Um das klarzumachen, schwebt Anne-Caroline Graber gar die Schaffung einer eigenen Fahne für den Berner Jura vor. Es wäre eine Art Konkurrenzfahne zur Jurafahne. «Ich suche keine Konfrontation mit dem Kanton Jura und den Separatisten», beteuert sie. Und sie wolle schon gar nicht die Einigkeit des Kantons Bern infrage stellen. Es gehe ihr vielmehr darum, abzubilden, wie seit der Kantonsgründung im Norden im Berner Jura eine einheitliche Identität entstanden sei. Graber hat recherchiert, dass früher auch das Seeland und das Berner Oberland eine eigene Fahne hatten.

Grabers Vater, der frühere bernjurassische Nationalrat Jean-Pierre Graber, hat in der Zeitung «Le Matin» einen Ideenwettbewerb lanciert, der zwei Entwürfe hervorgebracht hat. Der eine mit den drei Farbbändern blau-weiss-grün stehe für den blauen Himmel und den Bielersee, den weissen Schnee und Jurakalk sowie die grünen Weiden und Tannen, erklärt Anne-Caroline Graber. Entwurf zwei verwende rot-gold, die Farben der Berner Flagge.

Neue Symbole ohne Tradition zu etablieren, ist nicht leicht. Das zeigt etwa die Debatte um das neue Wappen fusionierter Gemeinden. Die Berner Regierung geht übrigens in ihrer Antwort auf Grabers Fahnenwunsch nicht weiter ein. Vielleicht überlegt sie, dass emotionale Fahnenstreite mit juristischen Mitteln kaum zu gewinnen sind. Würde man Moutiers Separatisten verbieten, die Jurafahne am Rathaus zu hissen, würden sie es wohl erst recht tun. Soll die Abstimmung über Moutiers Kantonszugehörigkeit ruhig ablaufen, verzichten die Berner Behörden jetzt besser auf eine Konfrontation auf der Symbolebene.

Stichwörter: Jura, Streit, Kanton Bern, Jurafrage

Nachrichten zu Kanton Bern »