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Der Kanton Bern will die leidende Wirtschaft per Notrecht wiederbeleben

Der Regierungsrat arbeitet mit Hochdruck an einer Notverordnung, um die Folgen des Virus-Notstands abzufedern. Zahlen soll dies vor allem der Bund.

Regierungsrat Christoph Ammann «Wir dürfen die Menschen jetzt nicht im Stich lassen.» Bild: Keystone
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Es waren dramatische Zahlen, die Regierungsratspräsident Christoph Ammann gestern im Berner Rathaus bekannt gab. Über 5000 Kurzarbeitsgesuche sind im Kanton Bern seit dem 1. Februar eingegangen. Und täglich werden es mehr. «Wir kommen mit dem Zählen nicht mehr nach», gab ein sichtlich angespannter Volkswirtschaftsdirektor zu.

Wegen des Coronavirus ist das wirtschaftliche Leben im Kanton Bern in weiten Teilen eingeschränkt und heruntergefahren worden. Tausende Menschen sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Wie zahle ich den März-Lohn meiner Angestellten? Wie begleiche ich die kommende Miete? Es geht bei vielen Menschen derzeit ums Eingemachte.

«Liquidität sinkt stündlich»

Der Regierungsrat nutzt nun seinen vollen Spielraum, um dieser Krise zu begegnen. Er greift zu Artikel 91 in der Kantonsverfassung: Notrecht. Mit einer Reihe an Massnahmen will er so den wirtschaftlichen Kollaps verhindern. «Es ist ein politischer Entscheid von noch nie da gewesener Dimension», sagte Ammann. Die Lage werde derzeit von Tag zu Tag schwieriger – für die Spitäler, die Wirtschaft, aber auch für die Bevölkerung. «Wir dürfen die Menschen jetzt nicht im Stich lassen.»

Als Hauptinstrument zur Bewältigung der wirtschaftlichen Krise hat der Regierungsrat die Kurzarbeit definiert. Sie soll massiv ausgebaut werden und auch weiteren Anspruchsgruppen zur Verfügung stehen wie etwa Selbstständigerwerbenden oder Personen mit befristeten Arbeitsverhältnissen. Diese Entscheidung kann der Regierungsrat allerdings nicht allein fällen. «Nur der Bundesrat hat diese Möglichkeit», sagte Ammann und verlangte eindringlich nach dessen Hilfe. «Die Liquidität der Unternehmen sinkt stündlich. Der Zeitdruck ist hoch.»

Auch die finanziellen Mittel sollen zum allergrössten Teil vom Bund kommen. Aber auch auf den – bekanntlich notorisch klammen – Kanton Bern kommen voraussichtlich ungeheure Kosten zu. Von einem dreistelligen Millionenbetrag sprach Ammann. Wie wird sich diese Corona-Krise auf das Kantonsbudget auswirken? «Wir dürfen diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht stellen», so der Volkswirtschaftsdirektor. Im Berner Rathaus, wo sonst um jeden Rappen gefeilscht wird, klangen diese Worte fast surreal.

Die Notmassnahmen gehen aber noch weiter. Alle kantonalen Direktionen müssen in diesen Tagen abklären, welche Steuern, Gebühren oder Abgaben für die kommenden drei Monate gestundet oder allenfalls gar erlassen werden können. Auch sollen die Direktionen sämtliche offenen Rechnungen bis 250 000 Franken unverzüglich bezahlen, um die Wirtschaft liquide zu halten.

Die Finanzdirektion soll zudem prüfen, wo die Möglichkeiten für Überbrückungskredite oder Bankgarantien bestehen. Die Sicherheitsdirektion klärt ab, ob sie den Lotteriefonds anzapfen kann. Und der Standortförderung des Kantons Bern werden zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um bereits laufende Forschungs- und Entwicklungsprojekte zu unterstützen. Wie viel Geld dafür bereitgestellt wird, lässt die Regierung offen.

Schulterschluss gefordert

Eine Zeitachse fehlt im Plan des Regierungsrats. Das liegt vor allem daran, dass keiner so genau weiss, wann diese Corona-Krise überstanden sein wird. Die Berner Regierung scheint aber wie der Bundesrat gewillt zu sein, einen enorm hohen Preis zu zahlen, um die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen. Es gelte nun, Partikularinteressen und Parteipolitik beiseitezulegen, so Ammann. «Es braucht einen Schulterschluss. Wir wollen künftigen Generationen zeigen, dass wir das schaffen.»

Die Notverordnung tritt ab heute in Kraft. Dann wird auch der Bundesrat informieren, wie er die vom Coronavirus verursachten Folgeschäden für die Wirtschaft abfedern will. 
Quentin Schlapbach

Stichwörter: Bern, Coronavirus, Wirtschaft

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