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Fahrende

Der Transitplatz bei Wileroltigen soll der einzige seiner Art bleiben

Auf ihrer Werbetour für den geplanten Halteort für Fahrende macht die Berner Regierungsrätin Evi Allemann ein überraschendes Bekenntnis.

Die Fahrenden sollen neben dem Autobahnrastplatz bei Wileroltigen einen definitiven Halteort bekommen. Raphael Moser

Stephan Künzi

Vor knapp zwei Wochen erläuterten die Gegner der Öffentlichkeit ihre Argumente, nächste Woche werden es ihnen die Befürworter gleichtun. Mittendrin trat gestern Regierungsrätin Evi Allemann (SP) vor die Medien und erklärte, warum der fixe Transitplatz für ausländische Fahrende beim Autobahnrastplatz Wileroltigen gebaut werden soll. Der Abstimmungskampf um die dafür nötigen 3,3 Millionen Franken, über die der Kanton Bern am 9. Februar an der Urne entscheiden wird, ist voll entbrannt.

In aller Deutlichkeit machte Allemann gestern klar, dass das Projekt mit seinen 36 Stellplätzen für bis zu 180 Leute das einzige seiner Art im Bernbiet bleiben wird. In der Vergangenheit war immer wieder die Rede davon, dass der Kanton noch einen zweiten Ort schaffen werde, an dem die Fahrenden haltmachen können. Zu gross ist der Drang in die Schweiz mit ihren vergleichsweise guten Verdienstmöglichkeiten, wie Zahlen in der jüngeren Vergangenheit zeigten: Reisten 2017 im ganzen Jahr rund 1500 Wohnwagen ein, so war 2018 diese Zahl bereits im Herbst überschritten.

Richterliches Machtwort

Selbst Allemann musste gestern vor den Medien eingestehen, dass «der Druck jeweils gross ist». Trotzdem blieb sie dabei, dass Bern allein mit dem Transitplatz bei Wileroltigen seine Pflicht erfülle – auch auf das Risiko hin, dass dies ihrer Beliebtheit vor Ort nicht zuträglich ist. Immerhin lehnt die Gemeinde das Vorhaben ab. Sie dürfte nun noch frustrierter sein, wenn sie weiss, dass sie als einzige im Kanton regelmässig mit den ausländischen Fahrenden klarkommen muss. Und alle anderen aus dem Schneider sind.

Wenn Allemann von einer Pflicht sprach, hatte sie ein bald 20-jähriges Urteil des Bundesgerichts vor Augen. Dieses wies schon 2003 die Behörden schweizweit an, in der Raumplanung Plätze für die Fahrenden vorzusehen. Weil es aber an den Halteorten regelmässig zu Reibereien und Auseinandersetzungen mit der ansässigen Bevölkerung kommt, harzt es mit der Umsetzung des Auftrags. Im westlichen Mittelland, wo die Fahrenden nach ihrer Einreise aus Frankreich jeweils besonders zahlreich unterwegs sind, machte der Kanton Freiburg im Sommer 2017 einen ersten grossen Schritt. Er eröffnete in der Region Bulle den Transitplatz La Joux-des-Ponts.

Mit seiner Lage direkt an der Autobahn und seiner Grösse von rund 40 Plätzen entspricht dieser in etwa dem, was Allemann mit ihren Leuten nun bei Wileroltigen umsetzen will. Nur – flächen- wie einwohnermässig ist Bern mehr als dreimal so gross wie Freiburg. Ein zweiter fixer Transitplatz auf Berner Boden wäre vor diesem Hintergrund nichts als logisch, doch die Regierungsrätin blieb dabei: Einen solchen Halteort wird es nicht geben.

Viel lieber setzt sie auf die interkantonale Zusammenarbeit. Die Kontakte nach Freiburg, aber auch nach Neuenburg und in die Waadt seien eng und gut, erklärte sie. Und auf die Frage, ob sie nun von der Waadt und von Neuenburg, die entweder noch gar keinen Platz oder aber nur ein Provisorium betreiben, ähnlich handfeste Projekte erwartet: Mit einem koordinierten Vorgehen lasse sich die Situation sicher allseits entspannen. Auch wenn dies, so Allemann in ihrer recht allgemein gehaltenen Antwort weiter, natürlich «eine Herausforderung» sei.

Kulturelles Erbe

Dass die Leute in Wileroltigen dem Vorhaben derart ablehnend gegenüberstünden, sei natürlich bedauerlich, zumal der Kanton stets ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Standortgemeinden anstrebe, sagte Allemann noch. Mit den Behörden finde aber ein regelmässiger Austausch statt, und man versuche auch, den Anliegen der Bevölkerung möglichst zu entsprechen. In diesem Zusammenhang betonte sie nochmals, dass für den Transitplatz der Kanton die Verantwortung tragen wird. Er wird auch den Platzwart anstellen, der seinerseits für Ruhe und Ordnung sorgen muss.

Ein allfälliges Defizit wird ebenfalls vom Kanton getragen. Wie hoch dieses sein wird und ob die Gebühren, die die Fahrenden zu leisten haben, den Aufwand nicht sogar zu decken vermögen, konnte sie noch nicht sagen. «Das wäre Kaffeesatzlesen», erklärte sie – um doch noch einen Rahmen von 20_000 bis 60_000 Franken pro Jahr abzustecken. Dieses Geld würde, weil es mit der fahrenden Lebensweise letztlich ein kulturelles Erbe stützt, dem Kulturförderungsfonds entnommen.

Vom Platz selber zeigte sie sich ungebrochen überzeugt. Weil er an einer für die Fahrenden wichtigen Transitachse von Frankreich ins Mittelland liegt. Weil er nur von der Autobahn her erreichbar ist und so Distanz zum Dorf schafft. Und nicht zuletzt, so zumindest die Hoffnung, weil er die Fahrenden davon abhält, sich in der Art von Wildcampierern sonstwo niederzulassen.

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