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Bern

Der vergessene Bruder

Welche Rolle hat Emil Tobler in der gleichnamigen Schokoladefabrik in der Berner Länggasse gespielt? Sein Enkel Thomas Tobler hat Dokumente gefunden.

Thomas Tobler mit den Unterlagen über seinen Grossvater. Bild: BM

Claudia Salzmann

Am 11. Juli 1920 kam es im Schlössligut Ins zu einem tragischen Unfall: Emil Tobler lag in der Hängematte und «träumte von der strahlenden Schönheit des Sonntags». Dann machte er eine unvorsichtige Bewegung und fiel zu Boden. So fanden ihn die Bediensteten. Wegen innerer Blutungen verstarb er am Dienstag im Spital. So steht es in der Trauerrede seiner Beerdigung. Und weiter: «Noch vor wenigen Tagen stand der nun Entschlafene bei froher Arbeit in voller Kraft, mitten im Lebenssommer, im tätigen Mannesalter.»

Lebensabend im Schlössli

Diese Rede und weitere Unterlagen hat sein Enkel Thomas Tobler zusammengetragen. Auch die Todesanzeige, in der sich der Verwaltungsrat der Chocolat Tobler von ihrem Direktor verabschiedet. Emil Tobler präsidierte gemeinsam mit seinem Bruder Theodor die Schokoladenfabrik in der Länggasse. «Er war 18 Jahre lang bei allen wichtigen Entscheidungen dabei», sagt Enkel Thomas Tobler. Somit war Emil Tobler auch im Jahr 1908, als sein Bruder Theodor und sein Cousin Emil Baumann die Toblerone erfanden, in führender Stellung bei der Schokoladenfabrik tätig. «Mein Grossvater ist zu früh gestorben, deshalb redet heute niemand mehr von ihm», so Thomas Tobler.

Emil Tobler wurde als ältestes von drei Kindern geboren: Am 9. August 1873 kam er an der Fellenbergstrasse im Berner Länggassquartier zur Welt, wie einer Urkunde zu entnehmen ist. 1899 starb die Mutter, 1905 der Vater. Nach der Schulzeit absolvierte er eine KV-Lehre in Vevey und arbeitete später in Venedig. Danach kehrte er in die väterliche Konfiseriefabrik zurück, drei Jahre vor seinem Bruder Theodor. Er heiratete 1904 Clara Weber, die zwei Kinder in die Ehe brachte. Sie wohnten bis 1919 in Bern, zogen dann ins Schlossgut Ins. Dieses ist ein Herrschaftssitz aus dem 16. Jahrhundert mit 10 000 Quadratmetern Umschwung. Dort wollte Emil Tobler seinen Lebensabend verbringen. Sie hatten ein gemeinsames Kind: Werner Emil, der Vater von Thomas Tobler.

Ungewisse Rolle

Thomas Tobler stört sich daran, dass sein Grossvater nicht gross im Buch «Schoggibaron» erwähnt wird. Geschrieben wurde es von Andreas Tobler, Historiker und Enkel von Theodor Tobler, und Patrick Feuz, dem heutigen Chefredaktor der Tageszeitung «Bund». Thomas Tobler geht es wie dem Nachfahren des Toblerone-Miterfinders, Emil Baumann. Dieser moniert, dass sein Grossvater Emil Baumann bei der Erfindung der Toblerone 1908 ungenügend erwähnt worden sei.

Welche Verdienste Emil Alfred Rudolf Tobler als Direktor der Schoggifabrik zu verdanken sind, oder welche Rolle er gespielt hat, ist ungewiss, zumindest werden sie im Buch «Schoggibaron» nicht erwähnt. Andreas Tobler, Autor des Buchs und Enkel von Theodor Tobler, bestätigt: «Wir haben keine Dokumente gefunden, die die Leistungen von Emil Tobler beschreiben. Weil er so früh verstorben ist, kannten ihn leider auch die Personen, die wir befragten, nicht mehr.»

In den niedergeschriebenen Jugenderinnerungen seines Grossvaters Theodor Tobler kam der Bruder nur am Rande vor. Vermutlich sei er eher der ruhende Pol gewesen, während Theodor Tobler mit dynamischer Kraft im Vordergrund agierte, so Tobler. So steht es auch im Buch: Bei der Fabrikübergabe 1900 habe Theodor faktisch das Unternehmen übernommen. Wie Emil Toblers Leistungen in der Fabrik bleibt auch sein tragischer Sturz aus der Hängematte bloss eine Randnotiz.

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