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Gesundheitsversorgung

Die Angst vor einer Spitalblase

Die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates kritisiert die Regierung.
Sie möchte, dass diese im Spitalwesen stärker in den Markt eingreift.

Auf dem Insel-Areal entsteht ein neues Bettenhochhaus. Bild:chp

Marius Aschwanden

Das Inselspital investiert fast 600 Millionen Franken in das neue Bettenhochhaus, das Spitalzentrum Biel über 200 Millionen in einen kompletten Neubau. Insgesamt geben die Spitalunternehmen im Kanton Bern in den kommenden Jahren über eine Milliarde Franken für neue Gebäude aus. Gleichzeitig erwirtschaften praktisch alle Kliniken zu wenig Geld, um diese Investitionen längerfristig eigenständig finanzieren zu können.

Diese heikle Kombination alarmiert nun die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rates. Sie befürchtet, dass eine Spitalblase entstehen könnte und im Falle eines Kollapses der Kanton als Mehrheits- oder Alleinaktionär bei den meisten Unternehmen dafür geradestehen müsste.

Andere steuern stärker

Deshalb hat die GPK jetzt eine Motion eingereicht, in welcher sie den Regierungsrat auffordert, Rechenschaft abzulegen. «Wir sind der Meinung, dass der Kanton zu wenig Einfluss nimmt auf die Entscheide der Spitalverantwortlichen. Bei den Investitionsvorhaben etwa gibt es weder eine gesamtstaatliche Betrachtungsweise noch eine Steuerung», sagt Kommissionspräsident Peter Siegenthaler (SP, Thun). Und dies, obschon die Verfassung vorgebe, dass der Regierungsrat die Aufsicht über die sogenannten Träger öffentlicher Aufgaben und somit auch der Spitäler wahrnehmen müsse.

Die bisherige Argumentation der Berner Regierung, dass es sich bei den Unternehmen um AGs handle und sie ihre Entscheide selber zu verantworten hätten, lässt er nicht gelten. «Bei Fehlinvestitionen wird nicht nur das betreffende Spital, sondern auch der Kanton der Leidtragende sein.»

Siegenthaler anerkennt, dass die Spitäler immer stärker unter Druck geraten. Etwa durch die Verschiebung von Behandlungen vom stationären in den ambulanten Bereich. Dort aber sind die Tarife noch nicht kostendeckend. Um den Herausforderungen zu begegnen, investieren die Spitäler in Neubauten. Dadurch versprechen sie sich eine bessere Rentabilität dank effizienteren Prozessen und zusätzlichen Angeboten. Das Problem: Experten sind sich einig, dass eher Kapazitäten abgebaut werden müssten, weil es noch immer zu viele Spitäler gibt.

«Die Frage nach der richtigen Anzahl Spitäler haben wir nicht diskutiert», sagt Siegenthaler zwar. In der Motion der GPK wird jedoch auf den Kanton St. Gallen verwiesen, der den Handlungsbedarf erkannt habe und fünf Akutspitäler schliessen wolle. Siegenthaler ist überzeugt, dass andere Kantonsregierungen – unter anderem eben von St. Gallen – ihre Verantwortung besser wahrnehmen als die bernische.

Als Oberaufsichtsorgan frage sich die GPK deshalb, wie lange es sich der Regierungsrat noch leisten könne, in seiner Rolle als Spitalbesitzer nicht vermehrt einzugreifen. In der nun eingereichten Motion will sie aufgezeigt bekommen, welche Risiken für den Kanton aufgrund der Entwicklungen in der Spitallandschaft bestehen. Zudem sollen diverse Fragen beantwortet werden. Etwa, welche Spitalversorgung Bern künftig noch braucht, wenn immer mehr Eingriffe ambulant erfolgen. Oder ob in Grenzgebieten nicht Kooperationen mit anderen Kantonen möglich wären. Und schliesslich will die GPK wissen, mit welchen Massnahmen die bernische Spitallandschaft angepasst werden müsste, um eine «funktionierende, wirtschaftliche» Versorgung zu gewährleisten.

Mehr Kooperationen

Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) von SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg weist die Vorwürfe von sich. Sie teilt zwar die Einschätzung, dass die Situation für viele Spitäler schwierig ist. Es sei aber fraglich, «ob durch eine stärkere Steuerung durch den Kanton eine Besserung herbeigeführt werden kann», teilt die GEF mit. Sie ist denn auch der Überzeugung, dass die heutige Praxis sowohl den gesetzlichen Vorgaben entspreche als auch eine gute Führung der Spitäler ermögliche. Eine Analyse des Bundes zeige, dass enger von den Kantonen geführte Spitäler nicht per se bessere Resultate erwirtschafteten.

Die GEF möchte stattdessen, dass die Unternehmen von sich aus mehr kooperieren und Synergien nutzen würden. Auf die einzelnen Punkte der Motion werde der Regierungsrat «zu gegebener Zeit» antworten.

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