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Berner Jura

Die Klus war in zwei Weltkriegen eine Festung

Wem der Sommer zu heiss wird, kann einen der Bunker oberhalb von Villeret besichtigen: Dort herrschen konstant 13 Grad. Ein Verein hat die Festung gekauft und ein Militärmuseum eingerichtet. Dazu gehören auch zwei Kanonen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.

  • 1/24 Selbst während des Hitzesommers ist es kühl und feucht im Bunker oberhalb von Frinvillier. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 2/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 3/24 Der Notausgang des Bunkers oberhalb von Villeret endet in einem Tunnel der A 16. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 4/24 Löcher in der Eisentüre, in die Visier und Maschinengewehr gesteckt wurden. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 5/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 6/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 7/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 8/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 9/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 10/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 11/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 12/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 13/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 14/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 15/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 16/24 In der Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 17/24 In der Kanone im Bunker oberhalb von Frinvillier hat sich eine Übungspatrone verklemmt. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 18/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 19/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 20/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 21/24 Ein Maschinengewehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Echte Munition gibt es im Bunker keine mehr. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 22/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 23/24 Die Festungsanlage oberhalb von Villeret - heute ein Militärmuseum. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
  • 24/24 Hannes Hübner, Bieler Hobbyforscher, hat im Berner Jura zahlreiche Patronen aus dem Zweiten Weltkieg gefunden. copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt
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Camera obscura: Durch die Löcher für Visier und Gewehr wird die A 16 auf die Rückwand projiziert copyright: matthias kaeser/bieler tagblatt

von Lotti Teuscher

58 Stufen führen durch den Berg hinauf. Die Treppe beginnt hinter einer tonnenschweren Stahltür, eingebaut in den Fels eines Tunnels, durch den die alte Verbindungsstrasse von Biel in den Berner Jura führt. Elektrische Lampen erhellen das steinerne Treppenhaus schwach, durch den Fels tritt Feuchtigkeit ein, die Stufen sind nass, die Luft riecht entfernt nach Weinkeller. Es ist 13 Grad kühl. Selbst an einem Hitzetag. Vor fünf Jahren hatte die Association des ouvrages de Frinvillier den Bunker östlich des Dorfs für 8000 Franken samt Inhalt dem Militär abgekauft. Heute befindet sich darin ein Museum mit Utensilien aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg.

Die Klussperre oberhalb von Frinvillier wurde 1940 gebaut, ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkriegs. Sie ist eine Fortsetzung der Sperre in Sonceboz. Noch heute, 70 Jahre nach Kriegsende, umfasst die Anlage 23 Objekte. Beim nördlichen Eingang der Klus in La Reuchenette gibt es zwei Stollenwerke im Fels zur Verteidigung der Panzersperre auf der Strasse. Sichtbar sind auch die Vorrichtungen, in die Eisenbahngeleise gehängt worden wären, um den Einmarsch deutscher Soldaten zu stoppen.

Im Süden der Klus, unterhalb von Rondchâtel, existieren weitere Werke der Sperre: zwei Infanteriewerke, fünf Unterstände, ein Kompaniekommandoposten, fünf Panzerbarrikaden auf der Strasse und eine auf der Eisenbahnlinie. Zudem befindet sich an der heute geschlossenen Brücke, die in schwindelerregender Höhe über die Taubenlochschlucht führt, eine Militärleiter aus Eisenbügeln: Im Fall eines Angriffs wären Soldaten die Via Ferrata hinuntergeklettert, um den Sprengstoff unter der Brücke zu zünden.

Der Bunker in der Montagne de Plagne ist bis heute so eingerichtet, wie ihn das Militär hinterlassen hat. Nachdem die 58 Stufen überwunden sind, stehen Besucher in einem Korridor, von dem diverse Räume abgehen. Die Elektrizität, die die Lampen speist, wird aus der Eisenbahnleitung bezogen. Dank eines Notstrom-aggregats kann auch im Bunker Energie erzeugt werden. Würde die Notversorgung versagen, hätten die Soldaten auf Batterien und Petrolfunzeln zurückgreifen können. Licht war somit reichlich vorhanden, etwas anderes, lebenswichtiges, fehlte hingegen: die Küche.

Wissentlich dem Feind ausgeliefert

Die Bunker im Berner Jura wurden von extern versorgt, in den Forts wurden nur wenige Lebensmittel gelagert. Was wäre gewesen, wenn der Feind die Bunker belagert hätte? Hatten die Verantwortlichen einen Fehler gemacht und dieses Szenario nicht einbezogen? «Nein», sagt der Bieler Historiker Juri Jaquemet: «Die Bunker im Jura waren lediglich dazu da, den Feind ein paar Stunden aufzuhalten.»

Während dieser Zeit hätte man sich auf den Einmarsch vorbereitet, und sich ins Reduit zurückgezogen; das nächste befindet sich bei Thun. Im Gegensatz zu den Bunkern im Jura waren die Reduits mit allem ausgerüstet, was es zum Überleben braucht: Nahrung, Trinkwasser, Medikamente und Notfallstation.

Die Soldaten im Jura hingegen wären ihrem Schicksal überlassen worden: Im besten Fall wären sie gefangen genommen worden. Im schlimmsten Fall getötet worden.

Herzstück des Bunkers sind die beiden Räume mit den Kanonen, die auf die Strassen nach Reuchenette und nach Vaufflin gerichtet sind. Wenn die Kanonen bewegt werden, zeigt das Schiesspanorama an, auf welchen Punkt gezielt wird; so konnte auch bei Nacht und Nebel gezielt werden. Bevor sie die Kanone abfeuerten, steckten sich die Soldaten Watte in die Ohren, einen besseren Gehörschutz gab es während des Zweiten Weltkriegs nicht. Danach zogen sie sich die Gasmaske über den Kopf. Die Gasmaske wurde an die Stauerstoffzufuhr angeschlossen, die, ähnlich wie heute in Flugzeugen, an der Decke aufgehängt war.Danach zogen die Soldaten einen Hebel, es gab einen fürchterlichen Knall, noch verstärkt durch den engen Raum. Das Schiesspulver verbrannte den Sauerstoff, es traten Gase aus. Ohne Gasmaske und Sauerstoffzufuhr wären die Soldaten nach dem ersten, oder spätestens nach dem zweiten Schuss erstickt.

Claude Jeanbourquin und «Wernu» Thomi, Mitglieder des Vereins, der den Bunker gekauft hat, schieben eine grosse Übungspatrone in die Kanone. Die Patrone verklemmt sich, die beiden «mechen» heftig am Schiessgerät herum. «Wir sind halt keine Kanoniere», sagt Jeanbourquin und lacht. Im Krieg wäre ein solches Malheur fatal gewesen.

In der Ecke des Raums steht ein Soldat in Tarnkleidung, mit unbewegter Miene schaut er den beiden Pensionierten zu. Soldaten tauchen an mehreren Orten im Bunker auf, beim zweiten Ausgang im oberen Stockwerk steht sogar eine Soldatin. Aus den Augenwinkeln sehen sie in ihren alten Uniformen aus wie Geister aus der Vergangenheit. Erst auf den zweiten Blick bemerken die Besucher, dass es Schaufensterpuppen sind.

Vis à vis des Forts, westlich von Frinvillier, befindet sich ein zweiter Bunker. Ziel der beiden Bunker war nicht allein, den Feind aufzuhalten. Die Soldaten hätten auch das Fort gegenüber freigeschossen, falls Panzer und Soldaten bis dort vorgedrungen wären.

Der Bunker war bis Ende des Kalten Krieges in Betrieb. 1970 wurde ein Notausgang gebaut, der über eine 30 Meter hohe Leiter erreichbar ist. Je weiter Besucher nach unten steigen, desto stärker wird das Echo. Dann vermischt es sich mit Verkehrslärm, die Geräusche werden zu einem dumpfen, hallenden Geräusch. Wer den Notausgang verlässt, betritt einen Tunnel der A 16.

Im Bunker werden Maschinengewehre aus dem Zweiten Weltkrieg, Werkzeug, Pritschen, Mobiliar, Uniformen, Laternen, Militärrucksäcke und vieles mehr gezeigt. Ganz anders der Bunker oberhalb des Geländes der Zementfabrik Vigier: Er wurde komplett leer geräumt, das Militär hat demontiert, was nicht niet- und naggelfest war.

Kamera obscura im Fels

Die armierte Eingangstür dieses Bunkers befindet sich rund 70 Meter oberhalb des Fabrikgeländes. In der Tür befindet sich eine Schiessscharte mit Aufhängung für ein Maschinengewehr. Auch innerhalb des Bunkers gibt es mehrere schwere Eisentüren mit dieser Vorrichtung. Wären feindliche Soldaten eingedrungen, hätten sie diese Barrieren nicht ohne empfindliche Verluste überwinden können.

Eine steile Treppe führt in die oberen Räume mit Schlafsälen, Abort und einem Raum, indem eine Kanone stand. Soldaten, die sich um die Belüftungsanlage ausserhalb des Bunkers kümmerten, mussten durch die grosse Schiessscharte nach draussen klettern, ein Felsband 70 Meter über dem Boden überwinden und schliesslich auf einer schmalen Eisenbrücke zur Belüftung balancieren.

Eine zweite Treppe führt steil nach unten, an mehreren Stellen sind Baumwurzeln durch den Fels gedrungen, am Boden liegen Steinbrocken, die Treppenstufen sind schmal und feucht.

Am Ende dieser Treppe befindet sich ein Raum mit zwei kleinen Löchern an der Vorderseite: In das obere Loch wurde das Visier gesteckt, in das untere das Maschinengewehr. Auf der Rückwand des Raumes ist Wald zu sehen und die A 16. Schwarze, rote und silberne Autos fahren über die Autobahn, dann ein langer, blauer Lastwagen, jeder Lichtreflex wird auf der Wand abgebildet.

Heute, 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, ist aus dem Schützenraum eine Camera obscura geworden. Die Projektion ist spiegelverkehrt, die Autos fahren mit den Rädern nach oben. Eine poetische Erscheinung, die ohne den schlimmsten Krieg in der Geschichte der Menschheit nicht existieren würde.

Info: Die Association des ouvrages de Frinvillier bietet öffentliche Besichtigungen gegen eine Eintrittsgebühr an. Anmeldung unter 079 481 57 70 oder 079 515 48 12.

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Die «Vordere Linie» im Berner Jura

Vor und während des ersten Ersten Weltkiegs fürchtete sich die Schweiz nicht vor Deutschland, sondern vor einem Überfall aus Frankreich. Von Frankreich her führten mehrere Einfallachsen durch den Jura. Eine Route verlief von Pontarlier durch das Val de Travers nach Neuenburg, eine weitere vom Raum La Chaux-de-Fonds durch das Vallon de St-Imier nach Sonceboz. Der Weg führte danach durch die Taubenlochschlucht nach Bözingen und ins Mittelland.

Bereits ab dem Jahr 1815 wurden deshalb zahlreiche Pläne zur Verteidigung der Jurafront ausgearbeitet. Die engen Stellen bei Sonceboz und Taubenloch hätten beispielsweise gesperrt werden können. Zu konkreten Befestigungsarbeiten kam es während dieser Zeit allerdings nicht.

Grenze zwischen Krieg und Frieden

1913, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, schrieb der Pfarrer und Lehrer Emanuel Friedli: «Was aus einem grossen Teil des angrenzenden Frankreich auf unsere Hochebene kommen will, mues hie düüra. Daraus geht ohne weiteres die grosse Bedeutung der Gegend hervor für Friiden u Chrieg.»

Zwischen Twann, Mont Sujet, Chasseral, Corgémont, Tramelan und Les Genevez war die 5. Division für den Ausbau der Befestigungen zuständig. Im Frühjahr 1917 sollte dort eine Front in verteidigungsfähigem Zustand inklusive Vorposten entstehen. Vorerst galt es, die taktisch wichtigen Punkte mit Feldbefestigungen zu sichern. Die Tiefe der Gräben wurde, vermutlich wegen des steinigen Jurabodens, auf 1,2 bis 1,5 Meter reduziert. Die Schützengräben wurden teilweise in den Boden gesprengt, dafür waren erfahrene Mineur-Unteroffiziere verantwortlich.

Auf einen Antrag hin bewilligte der Bundesrat am 24. April 1917 einen streng geheimen Kredit von einer Million Franken für den Bau von Feldbefestigungen im Jura. Mit dem Geld sollten hauptsächlich Baumaterialien gekauft werden. Das Ziel der Bauarbeiten war das Schaffen einer feldmässig verstärkten Front, hinter der die Schweizer Armee imstande sein sollte, während 10 bis 14 Tagen die Stellung zu halten. Damit konnte die eigene Mobilisation und der erste Aufmarsch gedeckt sowie der Transport, das Ausladen und die Integration der zu erwartenden Hilfsarmee ermöglicht werden.

Schützengräben am Twannbach

Während die Arbeiten in den tieferen Lagen gut vorankamen, bereiteten die Schnee- und Witterungsverhältnisse auf dem Mont Sujet und dem Chasseral Probleme. Die Arbeiten kamen dort deutlich langsamer voran. Oberhalb von Twann wurden die Schützengräben der «Vorderen Linie» gebaut. Dass in der Twannbachschlucht Schützengräben ausgehoben wurden, ist heute kaum mehr bekannt.

Um die Fortifikation Murten mit der «Vorderen Linie» zu verbinden, gab es Pläne, die St. Petersinsel zu befestigen. Denn diese war seit der Ersten Juragewässerkorrektion von Erlach aus auf dem Landweg zu erreichen. Auf der Nordseite der Insel waren betonierte Bunkeranlagen für 8,4-cm-Geschütze und Maschinengewehre vorgesehen. Die Geschütze hätten das Bielerseeufer im Raum La Neuveville, Ligerz und Twann unter Feuer nehmen können, und auch die Strasse von Neuenburg nach Biel sollte von der St. Petersinsel aus verteidigt werden.

Die Franzosen sind kriegsmüde

Am 21. Juli 1917 schrieb General Wille seinem Generalstabschef einen Brief, worin er klar stellte, dass auf einen weiteren Ausbau der «Vorderen Linie» zwischen Les Rangiers und Bielersee zu verzichten sei, die Befestigungsarbeiten seien zu sistieren. Wille argumentierte, dass Frankreich für einen Umfassungsangriff zu geschwächt und die dortige Bevölkerung zudem kriegsmüde sei. Nach dem Kriegsende 1918 wurden die Feldbefestigungen der «Vorderen Linie» liquidiert. Diese Arbeiten dauerten bis in den Herbst 1919 hinein.

Bearbeitung: LT

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Der Kalte Krieg

Im Kalten Krieg wurden viele Anlagen aus dem Zweiten Weltkrieg weiterhin genutzt. Sie wurden dem Fortschritt der Militärtechnik angepasst, und erhielten zum Beispiel ABC-Schleusen sowie Filter und Ventilationsanlagen. In Gstaad unterhielt P-26 einen Bunker. Im Untergrund befand sich, nebst Schlafund Lagerräumen, ein werkeigener Schiesskeller. Das P-26 (Projekt 26) war eine geheime Kaderorganisation zur Aufrechterhaltung des Widerstandswillens in einer besetzten Schweiz. Sie wurde 1979/1981 als Nachfolgerin des Spezialdienstes in der Untergruppe Nachrichtendienst und Abwehr eingesetzt und wurde 1990 – immer noch im Aufbau begriffen – nach der Bekanntmachung durch eine parlamentarische Untersuchungskommission durch den Bundesrat aufgelöst. LT

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