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Pensionskassen

«Die Schulden steigen so oder so»

Aus Sicht des Regierungsrats wäre ein doppeltes Nein in der Pensionskassenabstimmung am 18. Mai das Horrorszenario. Er hält jene Vorlage, die dem Personal höhere Lasten aufbürdet, für tragbar.

Das Pensionskassenduo der Kantonsregierung: Erziehungsdirektor Bernhard Pulver und Finanzdirektorin Beatrice Simon. Bild: Susanne Keller

von Fabian Schäfer

Die Wahl, die das Berner Volk am 18. Mai hat, ist eine echte Qual. Es stimmt über zwei Pensionskassenvorlagen ab, die sowieso zu einer Neuverschuldung des Kantons Bern in Milliardenhöhe führen und die dem Staatspersonal und der Lehrerschaft sowieso höhere Lohnabzüge bescheren. Die beiden Vorlagen – eine Hauptvorlage und ein Eventualantrag – weichen in zwei entscheidenden Punkten voneinander ab (siehe Infobox). Aber: In beiden Varianten tragen der Kanton und die anderen beteiligten Arbeitgeber wie die Insel und die Bedag den Hauptteil an die Sanierung der kantonalen Pensionskassen bei.

Zwei Differenzen
= 360 Millionen

Der Grosse Rat hat zur Sanierung der Pensionskassen zwei Varianten erarbeitet: die Hauptvorlage und einen sogenannten Eventualantrag. Weil das Referendum ergriffen wurde, kommen beide Vorlagen an die Urne. Sonst wäre automatisch die Hauptvorlage in Kraft getreten, ohne Abstimmung.

Die Varianten unterscheiden sich nur in zwei Punkten – in Franken ausgedrückt ist die Differenz aber enorm: Aus Sicht der Angestellten geht es um rund 360 Millionen Franken, die sie in den nächsten 20 Jahren mehr oder weniger bezahlen müssen (alle Zahlen: Stand Ende 2013).

Schuldanerkennung: Obsiegt an der Urne die Hauptvorlage, zahlt der Kanton einen grösseren Betrag an die Unterdeckung der Rentner. Zurzeit wären es 1,1 Milliarden Franken. Mit dem Eventualantrag, der andere Renditeannahmen trifft, wären es nur 0,7 Milliarden Franken.

Finanzierungsbeiträge: Die verbleibende Lücke wird mit sogenannten Finanzierungsbeiträgen über 20 Jahre gefüllt. Auch hier ist die Hauptvorlage personalfreundlicher: Mit ihr würden der Kanton und die anderen Arbeitgeber bis zu 60 Prozent der Beiträge zahlen. Der Eventualantrag sieht zwingend eine Fifty-fifty-Aufteilung vor.

Das Volk kann der einen oder anderen Vorlage zum Durchbruch verhelfen. In der Stichfrage kann man seine Präferenz angeben. Möglich ist auch, beide Vorlagen abzulehnen.

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Im Fall der Hauptvorlage ist ihr Anteil aber noch um etwa 360 Millionen Franken grösser. Diese Summe müsste das Personal zusätzlich aufbringen, wenn der Eventualantrag angenommen wird (alle Zahlen: Stand Ende 2013 – entscheidend wird sein, wie gross die Unterdeckung der Pensionskassen Ende 2014 ist).

 

Welche der beiden Vorlagen angenommen wird, ist gar nicht so entscheidend – Hauptsache ist, dass eine angenommen wird: Diese Botschaft überbrachte die Kantonsregierung gestern vor den Medien. Sie fürchtet nichts so sehr wie ein doppeltes Nein. Am liebsten wäre der Regierung, wenn die Hauptvorlage obsiegt, die sie als «gute Lösung» bezeichnet. Aber auch den Eventualantrag, der die Belastung für das Personal in Form von Lohnabzügen vergrössert, stuft die Regierung als «tragbar» ein.

Aus ihrer Sicht stellen beide Vorlagen Kompromisse dar: Sie trügen der schlechten Finanzlage des Kantons ebenso Rechnung wie den Bedürfnissen der Angestellten, deren Löhne in den letzten Jahren bei weitem nicht so stark gewachsen sind wie im Gehaltssystem vorgesehen.

Keine falschen Hoffnungen

Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne) sagte, natürlich habe niemand Freude daran, dass die Staatsschulden mit diesen Vorlagen um 2 bis 3 Milliarden Franken anwachsen. «Aber die Pensionskassen müssen so oder so saniert werden – und der Kanton muss als Arbeitgeber so oder so seinen Beitrag dazu leisten.»

Auch Finanzdirektorin Beatrice Simon (BDP) betonte, die Schulden würden so oder so ansteigen, auch bei einem doppelten Nein. Pulver warnte auch das Staatspersonal vor falschen Hoffnungen: Die Pensionskasse BPK werde das Rentenalter auch nach einem doppelten Nein rasch von 63 auf 65 anheben müssen. Auch Sanierungsbeiträge seien sowieso unausweichlich.

 

Die Milliardenvorlagen im Überblick

Die beiden Pensionskassenvorlagen, die an die Urne kommen, weisen zwei gewichtige Unterschiede auf, sind ansonsten aber absolut identisch.

62 Artikel soll das neue Pensionskassengesetz des Kantons Bern umfassen. Nur in 2 Artikeln weichen die beiden Varianten, die am 18. Mai an die Urne kommen, voneinander ab – und auch dies nur bei zwei unscheinbaren Zahlen. Diese Zahlen entscheiden über mehrere Hundert Millionen Franken (siehe Infobox links). Im Grossen und Ganzen stimmen die Vorlagen aber überein. Eine Zusammenfassung: • Sanierung, Teil 1: Der Kanton geht gegenüber den Pensionskassen eine «Schuldanerkennung» ein und füllt denjenigen Teil der Unterdeckung auf, der auf die heutigen Rentner entfällt, die zur Sanierung nicht mehr herangezogen werden können. Er überweist das viele Geld aber nicht auf einen Schlag, sondern verzinst die Schuld und zahlt sie in Tranchen über vierzig Jahre ab. • Sanierung, Teil 2: Der Kanton, die andern Arbeitgeber (Inselspital, Bedag u. a.) und die Angestellten müssen die restliche Unterdeckung mit sogenannten Finanzierungsbeiträgen im Verlauf von zwanzig Jahren beheben. Diese Beiträge kommen zu den ordentlichen Pensionskassenbeiträgen (Lohnabzügen) hinzu. Im Unterschied zu diesen werden sie nicht den einzelnen Angestellten gutgeschrieben, sondern dienen zur Tilgung der Unterdeckung. • Sanierung, Teil 3: Die Pensionskasse BPK, die neben den Staatsangestellten auch das Personal von Insel und Bedag versichert, erhöht das ordentliche Rentenalter von 63 auf 65 Jahre. Die Angestellten müssen damit zwei Jahre länger arbeiten und Beiträge einzahlen, um etwa dies gleiche Rente zu erhalten wie bisher. Dadurch wird die Kasse stark entlastet, auch weil sie die Renten künftig weniger lang auszahlen muss, da die Zeit von der Pensionierung bis zum Tod tendenziell verkürzt wird.

In der Pensionskasse der Lehrpersonen BLVK gilt schon seit der Sanierung von 2005 Rentenalter 65. Dabei bleibt es auch. • Primatwechsel: Beide Pensionskassen wechseln vom Leistungs- ins Beitragsprimat. Damit entfallen die bisherigen Rentenversprechen, die den Kanton nun teuer zu stehen kommen. Bisher ist die Höhe der Renten im Voraus garantiert, in Prozent des letzten Lohns. Neu ist wie in den meisten Kassen entscheidend, wie viel Geld für die einzelnen Versicherten einbezahlt wurde, wie stark die Kassen das Geld an den Kapitalmärkten vermehrt haben und wie hoch der Umwandlungssatz ist, mit dem das Sparguthaben in eine Rente umgerechnet wird.

Der Primatwechsel ist nicht mit einem Leistungsabbau verknüpft. Der Kanton zahlt nicht weniger in die Pensionskassen ein als heute. Ob die Angestellten die bisherigen Renten erreichen, hängt aber stärker als heute davon ab, ob die Kassen die erwarteten Renditen erwirtschaften.

Damit insbesondere ältere Angestellte beim Wechsel ins neue System nicht schlechter gestellt werden, bezahlt der Kanton eine Übergangseinlage von rund 500 Millionen Franken, die den einzelnen Versicherten gutgeschrieben wird. • Staatsgarantie: Der Kanton soll wieder für beide Pensionskassen eine Staatsgarantie eingehen; zurzeit besteht diese nur für die BLVK, da sie bereits in einer Sanierung steckt.

 

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