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Raumplanung

«Die Umsetzung ist eine passive Angelegenheit»

Für eine Schweiz mit 10 Millionen Einwohnern muss dichter gebaut werden. Was uns daran hindert, wird in einer Diskussionsreihe der Universität Bern diskutiert.

Bild: Keystone

Es dauert noch gut 20 Jahre, dann könnten in der Schweiz laut den Prognosen des Bundesamts für Statistik statt 8,5 Millionen Menschen wie heute 10 Millionen Menschen leben. Dass damit der Druck auf das landwirtschaftliche Kulturland sowie Naturflächen steigt, liegt auf der Hand, obschon das Schweizer Stimmvolk vor sechs Jahren mit der Revision des Raumplanungsgesetzes einer Reduktion des Bodenverbrauchs seinen Segen gegeben hat. In einer dreiteiligen öffentlichen Diskussionsreihe widmet sich das Forum für Universität und Gesellschaft der Universität Bern der Frage, warum es die Verdichtung trotzdem so schwer hat.

Das Netzwerk Raumplanung, eine nationale Interessenorganisation für haushälterischen Umgang mit dem Boden, hat kürzlich in einer Analyse eine kritische Bilanz gezogen: Die Kantone führten trotz der Revision des Raumplanungsgesetzes nur zögerlich Instrumente zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung ein – auch der Kanton Bern. Bei der Einführung der Mehrwertabgabe, die erhoben wird, wenn Boden etwa aus der Landwirtschaftszone in die lukrative Bauzone überführt wird, bleibt Bern auf dem gesetzlichen Minimum und verzichtet damit auf eine wirksamere Bremse des Bodenverbrauchs.

Jean-David Gerber, Professor am Geographischen Institut der Universität Bern, befasst sich mit seiner Forschungsgruppe unter anderem mit den Gründen, die verdichtetes Bauen erschweren. Ein zentraler Aspekt sind die Interessen der Grundeigentümer. «Die Umsetzung der Raumplanung ist in der Realität meistens eine passive Angelegenheit», sagt Gerber. Verdichtungsfördernde Pläne würden nur umgesetzt, wenn die Eigentümer mitmachen wollen, der Zugriff des Staates sei limitiert.

Die Herausforderung der Raumplanung bestehe darin, gesellschaftliche Interessen mit denjenigen des Privateigentums «in eine Balance zu bringen». Mit dem wachsenden individuellen Flächenverbrauch habe in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eine Verschiebung zugunsten der Privatinteressen stattgefunden. Die aktuelle Debatte um mehr raumplanerische Einflussnahme sieht Gerber als Korrektiv.

Die Frage sei nicht, ob 10 Millionen Menschen in der Schweiz leben könnten. Sondern wie der Siedlungsbau organisiert werde, der dieses Wachstum absorbieren könne, ohne den Bodenverbrauch zu beschleunigen. Schwierigkeiten bei der Umsetzung haushälterischen Bodenverbrauchs sieht Gerber vor allem in kleineren Städten oder peripheren Gemeinden. Und zwar nicht nur, weil sie gegen die Interessen von Grundeigentümer handeln müssten, sondern auch, weil die vergleichsweise tiefen Bodenpreise eine undichte Bauweise noch erlaubten. Jürg Steiner

Info: Erster Anlass heute Mittwoch, 18.30 Uhr, Aula Hauptgebäude, Universität Bern. Eintritt frei. www.forum.unibe.ch

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