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«Die Wahlbeteiligung wäre bestimmt höher»

Nach der nationalen Abstimmung vom 4. März gilt es für die Stimmbürger des Kantons bereits wieder, den bernischen Regierungsrat und den Grossen Rat zu besetzen. Weshalb haben die Wahlen eigentlich nicht gleichzeitig mit der Abstimmung stattgefunden?

Erst letzte Woche hat der Kanton die Unterlagen für die kantonalen Gesamteneuerungswahlen verschickt. BiId: Peter Samuel Jaggi
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Deborah Balmer

Nun kann es endlich losgehen mit kumulieren, panaschieren und der Wahl der Kandidatinnen und Kandidaten: Spätestens am Samstag mussten alle stimmberechtigen Bernerinnen und Berner die Wahlunterlagen für die Gross- und Regierungsratswahlen vom 25. März im Briefkasten haben. Frühestens 20 Tage und spätestens 15 Tage vor dem Wahltag erhalten die Berner nämlich jeweils das entsprechende Wahlmaterial. So schreibt es das kantonale Gesetz vor (siehe Infobox).

Bei einigen Stimmberechtigen in der Stadt Biel ist das Couvert erst Ende letzte Woche eingetroffen, während es etwa bei vielen Lyssern bereits Mitte der vergangenen Woche im Briefkasten lag. Sicher ist: Der Kanton Bern hat zuerst die nationale Abstimmung vom letzten Wochenende vorbeigehen lassen. Und das hat einen bestimmten Grund: «Die Stimmberechtigen und die politischen Parteien sollen sich auf ein politisches Thema konzentrieren können: die Besetzung der kantonalen Behörden. Kantonale Gesamterneuerungswahlen werden deshalb an separaten Terminen ausserhalb der Abstimmungsagenda des Bundes durchgeführt», sagt der Leiter Politische Rechte der Staatskanzlei des Kantons Bern, Stefan Wyler.

 

Das Sparen versäumt?
Doch dafür erntet der Kanton Bern eben auch Kritik. «Hätte mit dem gemeinsamen Versand der Wahl- und Abstimmungsunterlagen im Kanton Bern nicht auch Geld eingespart werden können?», fragt ein BT-Leser in einer Mail an die Redaktion. Schliesslich werden die Wahlen nicht in allen Kantonen ausserhalb der Abstimmungsagenda des Bundes durchgeführt. So haben am letzten Wochenende verschiedene Zentralschweizer Kantone das Parlament neu gewählt. Und auch in der Stadt Zürich haben am Wochenende der Billag-Abstimmung Stadt- und Gemeinderatswahlen stattgefunden.

Unter den amtierenden Grossräten aus dem Seeland finden sich mehrere, die durchaus einen Vorteil darin gesehen hätten, wenn die Wahlen bereits stattgefunden hätten. «Die Wahlbeteiligung wäre bestimmt höher und das Ergebnis somit repräsentativer gewesen, wenn die Wahlen mit der Billag-Abstimmung durchgeführt worden wären. Das wäre demokratiepolitisch ein Vorteil gewesen, weil Grossratswahlen leider nicht auf so grosses Interesse stossen», sagt Kilian Baumann (Grüne, Suberg).

Für Grossrätin Andrea Zryd (SP, Magglingen) wäre es vor allem aus linker Sicht interessant gewesen, wenn die Wahlen gleichzeitig mit der nationalen Abstimmung über die Bühne gegangen wären. «Mit der Ablehnung von No Billag, der Annahme des Trams Ostermundigen und der Ablehnung der Lehrplaninitiative hatte die SP ein höchst erfolgreiches Wochenende. Das war in letzter Zeit selten», so Zryd, die bemerkt, dass vor dem wichtigen Abstimmungswochenende ein klassischer Wahlkampf kaum möglich war, da die kantonale Politik von nationalen Themen überdeckt war.

Der Seeländer Grossrat Jakob Etter (BDP, Treiten) hätte die Kombination der Grossrats- und Regierungsratswahlen mit den Volksabstimmungen nicht sinnvoll gefunden. Seiner Meinung nach wären viele Stimmberechtigte damit überfordert gewesen. «Die Vorlage über No Billag, Finanzordnung, Schulreform und Tramkredit plus kommunale Abstimmungen waren als solche schon komplex und anspruchsvoll», sagt er.

Einen anderen Aspekt findet der Treitener BDP-Grossrat allerdings viel unglücklicher. Die Tatsache, dass die Wahlen dieses Mal mitten in die Märzsession fallen. «Wie soll sich ein Grossrat nach den Wahlen verhalten, wenn er nicht wiedergewählt worden ist?», fragt sich Etter. «Das wird sicher speziell und für die Betroffenen nicht einfach. Ich hoffe, dass ich persönlich nicht betroffen sein werde.»

Das ist auch Grossrat Peter Moser (FDP, Biel) aufgefallen: «In der zweiten Sessionswoche werden einige nicht wiedergewählte Grossräte Politarbeit machen – vielleicht mit hängenden Köpfen.» Mit Sicherheit aber werde mindestens ein neugewählter Regierungsrat noch Grossratsarbeit verrichten. «Das finde ich dann doch etwas eigenartig», so Moser.

 

Ein unerlaubter Effekt
Zurück zur gestellten Frage: Wären die Wahlen tatsächlich günstiger gewesen, wenn sie bereits stattgefunden hätten? Nicht unbedingt, wie der Kanton sagt. Denn der kombinierte Versand der Unterlagen hätte wegen des Gewichts des Couverts deutlich höhere Kosten ausgelöst. «Möglicherweise hätten sogar neue und grössere Couverts beschafft werden müssen», sagt Stefan Wyler.

Und noch etwas viel Wichtigeres spreche gegen eine Zusammenlegung: «Mobilisierungseffekte eidgenössischer Abstimmungen, die allenfalls der einen oder anderen Partei einen Vorteil bringen, sollen bei der Wahl keine Rolle spielen.» Und die Zusammenlegung wäre laut Wyler für etliche Gemeinden und Behörden eine grosse Belastung und könnte zu Verzögerungen bei der Ermittlung der Resultate führen.

 

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Vor 2014 galten 
andere Regeln

  • Die Stimmberechtigten erhalten das Wahlmaterial frühestens
20 Tage und spätestens 15 Tage vor dem Wahltag. Dies gemäss Artikel 46 Absatz 1 des kantonalen Gesetzes über die politschen Rechte.
  • Seit 2014 wird das Wahlmaterial im Kanton Bern innerhalb dieser Fristen zugestellt.
  • Vor 2014 galt hingegen die Regel, dass die Stimmberechtigten das Wahlmaterial frühestens 20 Tage und spätestens 10 Tage vor dem Wahltag erhalten müssen. bal

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