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Jura-Frage

Die zweite Abstimmung wird wohl Realität

Bisher hat niemand die Annullierung der Abstimmung über die Kantonszugehörigkeit von Moutier am Bundesgericht angefochten.

Moutiers Stadtpräsident Marcel Winistoerfer nach dem ersten Wahlgang. Bild: Keystone
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Stefan von Bergen

Bis gestern war es möglich, in der umstrittenen Sache von Moutiers Kantonszugehörigkeit das Bundesgericht anzurufen. Weil eine Beschwerde am letzten Tag der Frist und per B-Post noch abgeschickt werden kann, wird erst Ende Woche offiziell informiert. Bis heute ist in Lausanne kein entsprechendes Schreiben aus dem Jurastädtchen eingetroffen. Und Valentin Zuber, Sprecher von Moutiers projurassischem Lager, hat keine Kenntnis von einer Beschwerde.

Die Chancen stehen also gut, dass das Urteil des Berner Verwaltungsgerichts, das am 29. August Moutiers Abstimmung vom 18. Juni 2017 für ungültig erklärt hatte, nicht an das oberste Schweizer Gericht weitergezogen wird. Schon an einer Konferenz vom 12. September hatten Moutiers Separatisten mit grossem Mehr dafür votiert, gar nicht ans Bundesgericht zu gelangen, um möglichst bald eine Wiederholung der Abstimmung zu erwirken.

Die beiden Kantone Bern und Jura sowie die neue eidgenössische Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP) hatten an der Tripartiten Konferenz vom 5. März schon bestätigt, dass die Abstimmung wiederholt werden solle, falls sie ungültig sei. Laut der Absichtserklärung der drei Parteien zur Lösung der Jura-Frage von 2012 hat Moutier auch weiterhin das Recht auf eine solche Gemeindeabstimmung. Beim Urnengang vom 18. Juni 2017 votierten die Einwohner mit einem sehr knappen Mehr von 137 Stimmen für einen Wechsel zum Kanton Jura. Die bernjurassische Regierungsstatthalterin und auch das bernische Verwaltungsgericht erklärten den Urnengang aber wegen Unregelmässigkeiten und der unstatthaften Einmischung von Moutiers Stadtpräsident Marcel Winistoerfer (CVP) für ungültig.

Über eine zweite Moutier-Abstimmung wird bereits diskutiert. Marcel Winistoerfer hofft, sie schon im kommenden Sommer 2020 durchführen zu können. Überdies gibt es die Forderung, der Bund müsse die Abstimmung diesmal schärfer überwachen oder gar unter seiner Regie durchführen. Der Aarauer Staatsrechtler und Demokratiekenner Andreas Glaser hat laut darüber nachgedacht, für die Abstimmung in Moutier auf die briefliche Stimmabgabe zu verzichten, um Betrug zu vermeiden.

Die Form und der Zeitpunkt

Jean-Christophe Geiser, Jura-Beauftragter beim Bundesamt für Justiz, will sich zu solchen Fragen noch nicht äussern. Diese müssten erst an der kommenden Tripartiten Konferenz im Oktober mit den Vertretern der Kantone Bern und Jura besprochen werden. Geiser weist aber bereits darauf hin, dass eine Aussetzung der brieflichen Stimmabgabe wohl eine Änderung des kantonalbernischen Gesetzes über die politischen Rechte nötig machen und entsprechend Zeit brauchen würde. Die Abstimmung schon im Sommer 2020 ansetzen zu wollen, könnte dann allzu ehrgeizig sein.

Die vom Verwaltungsgericht monierten Unregelmässigkeiten beim Urnengang vom 18. Juni 2017 betreffen aber laut Geiser nicht primär die briefliche Stimmabgabe, sondern die Transparenz des Gemeindestimmregisters, Fälle von fiktivem Wohnsitz sowie die Einmischung der Gemeindebehörden Moutiers in den Abstimmungskampf.

Am 16. September hat der Bundesrat in seiner Antwort auf einen Vorstoss des bernjurassischen SVP-Nationalrats Manfred Bühler schon Hinweise auf die Rolle des Bundes bei einer zweiten Moutier-Abstimmung gegeben. Bühler wollte wissen, ob die Wahlbeobachter des Bundes am 18. Juni 2017 mit einer weitergehenden Intervention Unregelmässigkeiten hätten korrigieren können. Die Landesregierung antwortete, die Wahlbeobachter hätten ein klar definiertes Mandat gehabt, das sie zur vollen Zufriedenheit wahrgenommen hätten. «Eine Überwachung der Abstimmungskampagne war nie ein Auftrag. Die Beobachter des Bundes sind auch nicht in der Lage gewesen, kurzfristig fiktive Wohnsitze aufzudecken», sagt Jean-Christophe Geiser.

Die Rolle des Vermittlers

Damit bleibt der Bund auf der zurückhaltenden Linie, die Geiser so zieht: Die Abstimmung sei Sache der Gemeinde Moutier und des Kantons Bern, der Bund könne aus verfassungsrechtlichen Gründen nur Vermittler sein und einem Kanton nicht einfach eine Abstimmung aus der Hand nehmen. Dass die Wahlbeobachter des Bundes nicht eruieren konnten, ob es Fälle von fiktiven Wohnsitzen gab, hatte allerdings damit zu tun, dass die Behörden von Moutier das Gemeindestimmregister erst einen Tag vor der Abstimmung dem Bundesamt für Justiz aushändigten. Zumindest in diesem Punkt könnte bei einer zweiten Abstimmung durch einen längeren Vorlauf mehr Klarheit geschaffen werden.

Stichwörter: Jura-Frage, Abstimmung, Moutier

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