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Sozialhilfe

Eine Studentin muss auch arbeiten

Ein Gerichtsurteil bestätigt: Eine Studentin, die Sozialhilfe bezieht, muss einen Teilzeitjob antreten, auch wenn sie sich «voll und ganz» auf das Studium konzentrieren will. Doch auch das Sozialamt der Stadt Bern muss über die Bücher.

Symbolbild: Pixabay

Studenten ist es zuzumuten, einen Nebenjob zu übernehmen. Dabei sollten sie ein Einkommen von mindestens 350 Franken im Monat erzielen. So lässt sich ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern zusammenfassen.

Eine heute 23-jährige Biologiestudentin hat im Herbst 2017 ihr Studium begonnen. Vor Studienbeginn hatte sie im Sommer 2017 beim Sozialamt der Stadt Bern ein Gesuch um Unterstützung gestellt. Sie reichte dieses ein, weil ihre Eltern den Unterhaltspflichten nicht nachkommen wollten oder konnten. Gemäss dem Zivilgesetzbuch sind Eltern verpflichtet, ihre Kinder zu unterstützen, bis sie ihre erste Ausbildung abgeschlossen haben.

Auch Stipendien erhielt die Frau keine. Die Erziehungsdirektion des Kantons Bern hat das Gesuch abgelehnt. In der Begründung führte sie an, dass das Budget der Frau «unter Berücksichtigung der zumutbaren Elternleistungen keinen Fehlbetrag» mehr aufweise.


Ist Arbeit zumutbar?
Da die Studentin weder mit Elternbeiträgen noch mit Stipendien rechnen konnte, verfügte das Sozialamt der Stadt Bern, dass sie Sozialhilfe erhält. In einem solchen Fall behält sich jedoch der Sozialdienst vor, die geleisteten Beiträge bei den unterhaltspflichtigen Eltern zurückzufordern.

Der Streit zwischen dem Sozialamt und der Studentin drehte sich jedoch um die Frage, ob Letztere einen Teilzeitjob antreten muss. Das Sozialamt verfügte, dass es der Studentin zuzumuten ist, einen Studentenjob anzutreten und so 350 Franken selbst zu erwirtschaften. Es nahm bei der Berechnung der Sozialhilfezahlung einen entsprechenden Abzug vor.


Studentin blitzt ab
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern kam nun zum Schluss, dass es von der Studentin erwartet werden kann, dass sie mit einem Teilzeitjob im Monat 350 Franken verdient. Ihre Argumente, sie wolle sich «voll und ganz» auf das Studium konzentrieren, seien nicht haltbar.

Das Gericht gab aber auch dem Sozialamt der Stadt Bern einen Nasenstüber: Dieses stütze sich in der Begründung seiner Verfügung auf ein Handbuch der Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz. Das Gericht erachtet es als nicht zulässig, dass bei Studenten «schematisch» angenommen wird, dass sie monatlich 350 Franken verdienen können, «ohne Rücksicht auf tatsächlich realisierbare Verdienstmöglichkeiten».


Handbuch wird angepasst
Das Urteil hat nun zur Folge, dass die Berner Konferenz der Sozialhilfebehörden ihr Handbuch anpassen wird, wie Felix Wolffers, Chef des Stadtberner Sozialamtes, bestätigt. Zudem sagt er, ohne auf den Einzelfall einzu¬gehen, dass der Sozialdienst in solchen Fällen das Geld von den Eltern «wenn immer möglich zurückfordert – falls nötig durch eine Klage vor Gericht». Stefan Schnyder

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