Sie sind hier

Abo

Kultur-App

Ganz Ohr für die Berner Geschichte

Auch Menschen mit Sehbeeinträchtigung sollen dank einer neuen App die Kulturgeschichte der Stadt Bern erkunden können. Wenn sie denn funktionieren würde.

Alexander Wysmann (rechts) hat mitgeholfen bei der Entwicklung der neuen App. Bild: Franziska Rothenbühler

Flavia von Gunten

Ein Blick auf markante Bauten wie Münster, Zytglogge oder Bundeshaus, und für die meisten Menschen steht fest: Das ist Bern. Wer aber eine Sehbeeinträchtigung hat, muss sich die Stadt über andere Kanäle als die Augen erschliessen, den Hör- oder Tastsinn etwa.

Ein Weg, wie das konkret geschehen könnte, bietet neu die Stadt Bern an. Ab sofort lässt sich die App KU:BE via ku-be.ch auf das Smartphone herunterladen. Das Ziel: Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigung sollen Kunst und Kultur im öffentlichen Raum erleben. Gemeinsam oder allein. Blinde und Menschen mit Sehbehinderung können die App selbstständig nutzen. Gleichzeitig achteten die Entwicklerinnen und Entwickler darauf, dass die App auch für Menschen mit voller Sehkraft attraktiv ist.

Wenn das GPS streikt

Zumindest aus der Perspektive einer Person mit intaktem Sehvermögen lässt sich sagen, dass dieses Vorhaben geglückt ist. Ohne das Wissen, dass auch Sehbehinderte angesprochen werden sollen, würden keine Besonderheiten auffallen. Zum Beispiel die starken Kontraste – helle Schrift auf dunklem Hintergrund –, welche für eine gute Lesbarkeit des Texts sorgen, könnten genauso rein ästhetischen Zwecken dienen.

Zur Auswahl stehen zwei Touren à eineinhalb oder zweieinhalb Stunden. Eine führt in die Länggasse, die andere ins Kirchenfeld. Stationen sind etwa Loeb-Egge, Egelsee und Pauluskirche. Der Weg von einem Posten zum nächsten lässt sich entweder vom Bildschirm des Smartphones ablesen oder von dessen Lautsprecher vorlesen. Eine Station der Länggass-Tour ist der Brunnen beim Restaurant Veranda. Eigentlich sollte die App den Standort via GPS erkennen und den entsprechenden Text abspielen. Beim Testlauf fanden aber weder das Gerät der Fotografin noch jenes der Autorin den Brunnen.

Erst nach einigem Rumdrücken und Experimentieren erschien der richtige Vorlesetext auf dem Smartphone. Wer wenig sieht, hätte wohl Mühe gehabt, sich in dieser Situation auf dem kleinen Bildschirm durch die App zu navigieren.

Eröffnet wird die rund fünfminütige Audio-Sequenz beim Brunnen mit Klängen einer Melodika, gespielt von Alexander Wyssmann. Der Jazzmusiker ist einer von sechs Menschen mit Sehbehinderung, die in Probeläufen ihre Bedürfnisse für die Spaziergänge den Entwicklerinnen mitteilen konnten. Zum Beispiel werden die Standorte der Tour so beschrieben, dass alle Menschen sich diesen Ort vorstellen können, ohne ihn zu sehen.

Die zwei Gründe

Wie gut sich Menschen mit Sehbehinderung tatsächlich zurechtfinden mit der App, wird sich zeigen. Der nach dem Pressetermin geplante Spaziergang mit Wyssmann wurde stark abgekürzt – zu gross war der Rummel in der Feierabendzeit, zu schwierig die Konzentration auf die Audio-Texte.

Lanciert hat die Stadt Bern die App aus zwei Gründen: Sie will die Chancen der Digitalisierung nutzen und sich einsetzen für Barrierefreiheit und Inklusion. In einem halben Jahr wird die Stadt entscheiden, ob und in welcher Form sie die App weiterführt. An den Kosten von 150 000 Franken beteiligt haben sich EWB, BLS und Bernmobil.

Stichwörter: Bern, Kultur, App, Sehbehinderung

Nachrichten zu Kanton Bern »