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Fachhochschule

«Ich spüre eine Schule im Aufbruch»

Der neue Rektor der Berner Fachhochschule heisst Sebastian Wörwag. Der 53-jährige Ökonom aus dem Kanton Thurgau erläutert im Interview, was er mit der Schule vorhat.

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Quentin Schlapbach

Sebastian Wörwag, Sie waren 16 Jahre lang Rektor der Fachhochschule St. Gallen. Wieso haben Sie sich eigentlich für die Stelle in Bern beworben?

Sebastian Wörwag: Das hat vor allem zwei Gründe. Im Alter von 53 Jahren stellt man sich biografische Fragen, was man in seiner letzten Berufsphase noch machen will. Nach 16 Jahren als Rektor der Fachhochschule St. Gallen hatte ich Lust, eine neue Herausforderung im Bildungsbereich anzutreten. Seit vielen Jahren habe ich auch bereits einige Kontakte zu Mitarbeitenden der Berner Fachhochschule BFH. Durch sie gewann ich den Eindruck einer vielseitigen, attraktiven und bewegten Hochschule im Aufbruch. Das finde ich interessant.

Aufbruch ist wohl das richtige Stichwort. Mit den Neubauprojekten in Biel und Bern befindet sich die BFH aktuell in einer Übergangsphase. Wie wollen Sie mit dieser Herausforderung umgehen?

Neubauprojekte sind immer komplex und politisch auch anspruchsvoll. Vor allem dann, wenn sich eine Schere auftut zwischen den finanziellen Möglichkeiten und den Anforderungen, die an einen Campus gestellt werden. In seiner Bedeutung kann man einen neuen Hochschulcampus kaum hoch genug gewichten. Trotz aller Digitalisierung ist es weiterhin wichtig, dass sich Studentinnen und Studenten untereinander und auch mit den Lehrkräften in einem modernen und inspirierenden Umfeld treffen können. Bei vielen Hochschulen stellte man zuletzt fest, dass Neubauprojekte direkt mit steigenden Studierendenzahlen korrelieren. Deshalb ist es strategisch wichtig – auch für den Kanton Bern –, einen solchen Lern- und Begegnungsort zu schaffen. Ein konzentrierter Standort erleichtert zudem die Interdisziplinarität, die Zusammenarbeit zwischen den Departementen.

Bei der kantonalen Politik stand die BFH jüngst in der Kritik. Im Grossen Rat wurde etwa bemängelt, dass das Studienangebot zu breit und zu wenig fokussiert sei. Wie erklären Sie einem Berner Parlamentarier, was die BFH auszeichnet?

Im politischen Diskurs ist man sich ja jeweils schnell einmal einig, dass Bildung für die Attraktivität eines Standorts enorm wichtig ist. Sie ist wichtig für die Ansiedlung von Technologie, Unternehmen und auch für Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft. Dass man sich an dieses Bekenntnis auch erinnert, wenn es um finanzielle Fragen geht, ist aus meiner Sicht zentral. Da muss man viel kommunizieren und auch beim politischen Diskurs im Gespräch bleiben. Das wird meine Aufgabe sein.

Sie treten Ihre Stelle am 1. September 2020 an. Wissen Sie schon, wo Sie Ihre Schwerpunkte setzen werden?

Es wäre jetzt viel zu früh, wenn ich schon mit einer Strategie oder Plänen aufwarten würde. Klar habe ich bereits Ideen. Und ich habe auch jetzt schon eine Sichtweise der Berner Fachhochschule. Mir ist es aber ganz wichtig, zuerst viele Gespräche mit den Mitarbeitenden zu führen und alle Organisationseinheiten persönlich kennen zu lernen. Das Zukunftsbild der BFH werden wir dann gemeinsam weiterentwickeln und gestalten.

Ihre Aussensicht interessiert aber. In wenigen Worten: In welchem Zustand werden Sie die BFH übernehmen?

Ich kann die Antwort auf zwei Wörter reduzieren: Vielfalt und Aufbruch. Ich spüre einerseits eine Hochschule im Aufbruch. Andererseits sehe ist die vielseitigen Kompetenzen und Ressourcen, die hier vorhanden sind. Beides zusammen ist die Zukunft der Berner Fachhochschule.

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Der neue Rektor steht vor einer schwierigen Aufgabe

2019 war kein einfaches Jahr für die Berner Fachhochschule (BFH). Misstöne im Departement Wirtschaft, politischer Druck im Grossen Rat und der ins Stocken geratene Neubau des Campus Biel prägten zuletzt die öffentliche Wahrnehmung der Schule. In einigen Studiengängen waren die Studierendenzahlen im Vergleich mit anderen Fachhochschulen zuletzt eher enttäuschend – die Departemente Wirtschaft, Soziale Arbeit und Gesundheit befinden sich nicht zuletzt deshalb seit 2018 in einer Neupositionierung. In dieser bewegten Zeit steht jetzt also ein Führungswechsel an. Sebastian Wörwag heisst ab September 2020 der neue Mann an der Spitze der BFH. Er übernimmt das Zepter von Herbert Binggeli, der sich im Sommer des kommenden Jahres pensionieren lässt.

Wörwag ist studierter Ökonom, kam 1966 in Stuttgart zur Welt und zog im Alter von 15 Jahren in den Kanton Thurgau. Zwei Jahre nach seiner Übersiedlung erlangte er die Schweizer Staatsbürgerschaft. Wörwag verfügt über jahrelange Erfahrung im Schweizer Hochschulwesen, zuletzt 16 Jahre lang als Rektor der Fachhochschule St. Gallen. Seinen dortigen Rücktritt verkündete er bereits im Frühling dieses Jahres. Der Schule steht im September 2020 ein Zusammenschluss mit den Hochschulen in Buchs und Rapperswil bevor. Wörwag hat sich entschieden, nicht in die neu entstehende Organisation einzutreten. In einem Interview mit dem «St. Galler Tagblatt» liess er durchblicken, dass er die Weiterentwicklung der St. Galler Hochschullandschaft nicht zuletzt durch regionalpolitische Interessen erschwert sieht – was wohl auch mitverantwortlich für seinen Entscheid war.

Die heutige Führungsriege der BFH könnte von solchen regionalpolitischen Sonderwünschen auch ein Liedchen singen. Nach jahrelangem Hickhack um Standortentscheide scheinen nun aber die Parameter für die Zukunft der BFH gegeben. Schulratspräsident Markus Ruprecht ist überzeugt, mit Sebastian Wörwag die richtige Person für den Weg in diese Zukunft gefunden zu haben. Wörwag passe «menschlich und fachlich» ausgezeichnet zur BFH, so Ruprecht.

Da Herbert Binggeli Ende Juni 2020 abtritt und Sebastian Wörwag erst zwei Monate später seine Stelle antritt, wird die stellvertretende Rektorin Magdalena Schindler Stokar die BFH kurzfristig interimistisch leiten. qsc

 

Stichwörter: Berner Fachhochschule

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