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Insel-Gruppe

Kugelschreiber verärgert Pflegende

Was ein nett gemeintes Präsent hätte sein sollen, erweist sich für die Berner Spitalgruppe als PR-GAU. Einige Mitarbeitende wollen das Kugelschreibergeschenk gar zurückschicken.

«Kugelschreiber auf Konfirmationsgeschenk-Niveau» Das Geschenk stiess nicht nur auf Gegenliebe. Bild: Manuel C. Widmer

Quentin Schlapbach

Es ist noch nicht lange her, da standen Schweizerinnen und Schweizer an einem sonnigen Freitagnachmittag geschlossen auf ihren Balkonen und applaudierten. Die erste Coronawelle rollte übers Land. Wer konnte, blieb in diesen verrückten Märztagen so weit es ging zu Hause.

Das Pflegepersonal in den Spitälern und Altersheimen aber hatte keine Wahl. Es wurde an den Arbeitsorten dringender gebraucht denn je. Und obwohl die Beschäftigten teils nur unzureichende Schutzausrüstung zur Verfügung hatten, warfen sie sich heldenhaft in die Schlacht.

Über die Parteigrenzen hinweg schien man sich damals einig zu sein, dass diese Menschen einen ausserordentlichen Beitrag an unsere Gesellschaft leisten und dafür fairer – sprich besser – entlohnt werden sollten. Aber seit der gröbste Teil der Krise überstanden ist, drohen all diese schönen Worte und Applausaktionen bereits wieder in Vergessenheit zu geraten.

Empörung auf Facebook

Vor diesem Hintergrund erstaunt es wenig, dass ein an sich nett gemeintes Geschenk von der Geschäftsleitung der Insel-Gruppe an die Pflegenden und Hebammen nun wortwörtlich zum Bumerang wird. Anlässlich des 200. Geburtstages von Florence Nightingale – die Britin gilt als Begründerin der modernen Krankenpflege – erhielten rund 4200 Mitarbeitende in der Pflege letzte Woche einen Kugelschreiber von Caran d’Ache mit spezieller Gravur der Insel-Gruppe geschenkt. Im Detailhandel kostet so ein Schreiber – ohne spezielle Gravur – etwa 15 Franken.

Da Florence Nightingale den Pflegeberuf vor allem mit ihren Schriften entscheidend prägte, schien der Kugelschreiber ein passendes Präsent zu sein. «Auf diesen Kontext sind wir im Begleitschreiben auch eingegangen», sagt Adrian Grob, Mediensprecher der Insel-Gruppe. Gemeinsam wolle man die Erfolgsgeschichte des Pflege- und Hebammenberufs weiterschreiben, heisst es da.

Bei einem Teil des Pflegepersonals traf diese Erklärung aber auf überhaupt kein Gehör. Einige Mitarbeitende liessen ihrem Unmut in den Sozialen Medien freien Lauf. Auch plant eine Gruppe eine koordinierte Aktion, um die Kugelschreiber zurück an den Absender zu schicken. Die entsprechenden Gespräche unter den Abteilungen und mit dem Berufsverband seien am Laufen, sagt eine direkt involvierte Mitarbeiterin. Auch sei ein Schreiben geplant, in dem man der Geschäftsleitung mitteilen wolle, was die Pflegenden wirklich brauchten – mehr Lohn, mehr Personal, fairere Dienstzeiten.

Dass diese firmeninterne Angelegenheit nun auch an die breite Öffentlichkeit getragen wurde, ist vor allem GFL-Stadtrat Manuel C. Widmer zu verdanken. Sein Beitrag auf Facebook wurde vielfach geteilt und löste eine breite Debatte aus. «Die Zukunft des Pflege- und Hebammenberufs wird mit wahrer Wertschätzung und Empathie geschrieben werden. Aber sicher nicht mit einem Kugelschreiber auf Konfirmationsgeschenk-Niveau», kommentierte Widmer seinen Beitrag.

Nicht alle fanden es daneben

Bei der Insel-Gruppe fühlt man sich derweil missverstanden. «Wir bedauern, wenn es in Einzelfällen bei Mitarbeitenden wie auch Aussenstehenden zu einem Missverständnis in Zusammenhang mit dem Versand des Kugelschreibers gekommen ist», sagt Mediensprecher Adrian Grob. Der Kugelschreiber habe mit der Coronakrise überhaupt nichts zu tun.

Für die während der Krise ausserordentlich erbrachten Leistungen habe man sich hingegen schon anderweitig beim Personal erkenntlich gezeigt: etwa mit Videobotschaften, persönlichen Briefen, finanziellen Beiträgen für Teamevents sowie Geschenkgutscheinen für besondere Leistungen. Mitarbeitende, die während der Krise von Kurzarbeit betroffen waren, mussten ausserdem keine Lohneinbussen hinnehmen und keine Minusstunden nacharbeiten, wie das bei anderen Spitälern der Fall war, so Grob.

Sowieso habe der Unmut vor allem in den Sozialen Medien stattgefunden und sei mehrheitlich von Personen geäussert worden, die nicht bei der Insel-Gruppe arbeiten würden. «Von Mitarbeitenden haben wir auch viele positive Rückmeldungen erhalten. Unter anderem hat sich die Personalkommission ausdrücklich beim Verwaltungsratspräsidenten und beim Direktionspräsidenten für die Geste bedankt – sie fanden das Präsent angebracht und passend», so Grob.

Bis jetzt seien jedenfalls noch keine Kugelschreiber an die Geschäftsleitung zurückgeschickt worden. Im Gegenteil. «Es haben auch schon viele Mitarbeitende anderer Berufsgruppen gefragt, ob sie ebenso einen Kugelschreiber erhalten könnten.»

Vielleicht wird ein Teil der Schreibutensilien ja tatsächlich noch zurück an den Absender geschickt. Dann müsste die Insel-Gruppe immerhin keine Nachbestellung tätigen, um die Nachfrage zu befriedigen.

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