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Asylwesen

Müller geniesst zu wenig Vertrauen

Mit einem Passus im kantonalen Asylgesetz will der Grosse Rat sicherstellen, dass der Kanton seinen Handlungsspielraum bei Härtefällen konsequent ausschöpft. Es ist ein Misstrauensvotum gegenüber FDP-Polizeidirektor Philippe Müller.

Bild: Stefan Wermuth

Marius Aschwanden

Eines machte FDP-Polizeidirektor Philippe Müller den Grossrätinnen und Grossräten gleich zu Beginn der gestrigen Debatte klar: «Es ist egal, wie ihr heute abstimmt. Ändern wird sich sowieso nichts.»

Der Regierungsrat bezog sich mit dieser Aussage auf den einzigen Antrag aus dem Parlament zum neuen kantonalen Asylregime, der nach der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzes noch übrig geblieben ist. EDU- und GLP-Vertreter wollten sicherstellen, dass Asylsuchende, die einen negativen Entscheid vom Bund erhalten haben, ihre begonnene Lehre bis zum Zeitpunkt der Ausreise weiterführen können. Insbesondere dann, wenn das Verfahren mehrere Jahre gedauert hat oder die Personen gar nicht ausreisen können. Sei es wegen fehlender Rücknahmeabkommen oder weil sie keine Reisepapiere beschaffen können.

Allen voran Michael Köpfli (GLP) warf Müller in Medienberichten immer wieder vor, er schöpfe den bundesrechtlichen Handlungsspielraum nicht aus. Dem hielt der Polizeidirektor gestern jedoch entgegen: «Wir tun schon heute alles, was möglich ist. Wer etwas anderes behauptet, weckt Erwartungen, die wir nicht erfüllen können.» Die Diskussionen hätten in den letzten Monaten «groteske Züge» angenommen, angefeuert durch den nationalen Wahlkampf und falsche Zahlen.

Aber eigentlich spielt das alles sowieso keine Rolle, wenn man Müller zuhörte. «Der Antrag ist toter Buchstabe und bestätigt lediglich die bisherige Praxis des Kantons Bern», sagte er. Seinen früheren Widerstand jedenfalls hatte er aufgegeben – das Anliegen wurde gegen den Willen von SVP und FDP mit 90 zu 52 Stimmen angenommen.

 

In Basel läuft es anders

Tatsächlich ist der Antrag so formuliert, dass Bern nur das Bundesgesetz umsetzen soll. Dieses sieht grundsätzlich vor, dass für Asylsuchende mit negativem Entscheid ein Arbeitsverbot gilt. Die Kantone können allerdings Härtefallgesuche beim Bund stellen. Die Kriterien seien aber streng und würden auf nationaler Ebene festgelegt, so Müller. «Die Zahlen beweisen, dass Bern schon heute einer der aktivsten Kantone ist.» So habe das zuständige Berner Amt von 2013 bis 2018 knapp 130 solcher Gesuche gestellt. Dem stünden beispielsweise 21 Gesuche aus Basel-Stadt gegenüber.

Mit diesen Zahlen wollte Müller in einer Mail an die Grossräte bereits gestern Morgen vor der Debatte einen Bericht dieser Zeitung entkräften. Darin wurde aufgezeigt, dass es Kantone gibt, die doch mehr für abgewiesene Asylsuchende tun. Basel-Stadt wird in einem noch unveröffentlichten Bericht der eidgenössischen Migrationskommission als lobende Ausnahme erwähnt. Denn dort wird jungen Asylsuchenden ermöglicht, eine begonnene Lehre weiterzuführen. Pro Jahr erhalte eine «Handvoll» Personen eine solche Bewilligung, heisst es.

In den Zahlen von Regierungsrat Müller tauchen diese allerdings nicht auf. Die Basler Praxis habe «nichts mit vom Bund bewilligten Härtefällen zu tun», sagt Martin R. Schütz, Mediensprecher des dortigen Justiz- und Sicherheitsdepartements. Vielmehr handelt es sich um eine entsprechende Auslegung der Bundesgesetze. Ob diese zulässig ist, ist jedoch unklar. Trotzdem hinkt der Vergleich der Anzahl Härtefallgesuche, welcher Regierungsrat Müller im Rat präsentiert hat.

In der Debatte spielte das Basler Beispiel letztlich keine Rolle. Die Frage war vielmehr, ob die Grossrätinnen und Grossräte Müller glauben, dass seine Direktion schon heute alles Mögliche für abgewiesene Asylsuchende in einer Lehre tut. Angesichts des Ausgangs der Debatte ist die Antwort darauf: nein.

«Natürlich hat der Kanton schon heute die Möglichkeit von Härtefallgesuchen. Wir wollen aber, dass er einen verbindlichen Auftrag hat, solche einzureichen», sagte etwa Mirjam Veglio (Zollikofen), Co-Präsidentin der SP. Den Genossen fehle schlicht das Vertrauen in Müller, da das neue Asylregime grundsätzlich repressiver ausgestaltet ist als das bisherige.

So weit ging Antragssteller Jakob Schwarz (EDU, Adelboden) zwar nicht. Aber auch er erachtete eine Regelung im kantonalen Gesetz als notwendig. «Wir wollen den Kanton nicht dazu zwingen, aussichtslose Gesuche einzureichen», sagte er. Es gehe auch nicht darum, Schlupflöcher im nationalen Recht zu schaffen, sondern um Einzelfälle, die «systembedingt» entstanden seien.

 

Motion im Nationalrat

Für Thomas Knutti (Weissenburg) von der SVP hingegen war klar: «Der Antrag ist Kosmetik, und wir wollen keine Kosmetik.» Die Spielregeln seien klar und vom Bund vorgegeben. Und die Zahlen zur Anzahl Härtefallgesuche würden wenn schon zeigen, dass der Kanton eher zu viele einreiche als zu wenige. Schliesslich gehe es immer noch um rechtskräftig weggewiesene Personen. Auch Hans Schär (Schönried) von der FDP war dieser Meinung. «Mit dem Antrag lösen wir keine weiteren Handlungen aus.»

Trotzdem wurde das Anliegen deutlich angenommen. Doch auch für die Befürworter war klar, dass sich die Bemühungen nicht auf die kantonale Ebene beschränken dürfen. «Der Passus in unserem Gesetz ist ein Signal an den Bund», sagte etwa Ueli Stähli (BDP, Gasel). Die dortigen Regelungen müssten nun nachgebessert werden. Sprich: die strengen Voraussetzungen für ein Härtefallgesuch gelockert werden. Tatsächlich sind bereits solche Vorstösse hängig.

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