Sie sind hier

Abo

Radiostudio

Neue Kritik an Zentralisierung

Bern Ist die geplante Zusammenlegung von Fernseh-, Radio- und Onlinejournalisten im Zürcher SRF-Campus in Anbetracht der Pandemie zu riskant? Die Politik fragt nach.

Teile des SRF-Radiostudios an der Berner Schwarztorstrasse werden Ende 2021 nach Zürich zügeln. Bild: Adrian Moser

Benjamin Bitoun

Die Coronapandemie führt vor Augen, wie wichtig die Medien gerade in Krisenzeiten sind. Zum einen, weil der Hunger der Bevölkerung nach Information gross ist. Zum anderen, weil die Medien die Entscheide der Behörden rasch der Bevölkerung übermitteln. Das gilt besonders für das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), dessen Programme vom Bundesrat als offizielle Kanäle für seine Mitteilungen genutzt werden.

Dass Schweizerinnen und Schweizer den Service public als systemrelevant betrachten, zeigen die Einschaltquoten der vergangenen Wochen: Seit dem Beginn der Coronakrise haben sich die Nutzerzahlen der SRF-Informationssendungen verdoppelt. Und mit einem Marktanteil von 71,4 Prozent lag die «Tagesschau»-Hauptausgabe gemäss einer Umfrage der Europäischen Rundfunk-Union (EBU) hinter derjenigen Islands europaweit auf dem zweiten Platz. Entsprechend wichtig ist es, dass der Sendebetrieb selbst dann aufrechterhalten werden könnte, wenn viele SRF-Mitarbeitende gleichzeitig wegen Covid-19 oder Quarantäne ausfielen.

Damit verleiht Corona der Kritik am Umzug von Teilen des Berner Radiostudios nach Zürich eine zusätzliche Note. Ab Ende 2021 will SRF die Nachrichtenredaktionen und SRF 4 News in den Newsroom in Leutschenbach integrieren, 70 von 170 Arbeitsplätzen werden nach Zürich verschoben. Während die Kritik daran bislang darauf abzielte, dass durch die Zentralisierung in Zürich der regional verankerte Service public geschwächt werde, stellt sich nach den Lehren der vergangenen Wochen zusätzlich die Frage: Ist die Strategie von SRF, 560 Mitarbeitende von Fernsehen, Radio und Online in einem gemeinsamen Newsroom auf fünf offenen Stockwerken zusammenzuziehen, wirklich die richtige?

«Effizienzgewinne auch ohne Zentralisierung»

Die Grünen-Präsidentin und Berner Nationalrätin Regula Rytz wollte es genau wissen und hat sich mit der SRG-Spitze getroffen. Die Coronakrise habe auch bei der SRG eine Homeoffice-Welle ausgelöst. Trotzdem seien alle Inhalte pünktlich gesendet worden, sagt Rytz, die sich gemeinsam mit weiteren Politikern gegen den Umzug von Bern nach Zürich wehrte. «Damit wurde der Beweis erbracht, dass Effizienzgewinne dank technischer Innovation auch ohne Zentralisierung möglich sind.»

Auch der Berner Ständerat Werner Salzmann (SVP) stellt ein Fragezeichen hinter die Pandemietauglichkeit eines zentralisierten SRF-Newsrooms in Zürich. Er werde das Thema sowohl in der Inspektion der Geschäftsprüfungskommission zur Coronakrise als auch in der Sicherheitskommission des Ständerats thematisieren, teilt Salzmann auf Anfrage mit.

Service public aus dem Homeoffice

Fakt ist, dass der Lockdown der SRG-Spitze in Erinnerung rief, dass journalistische Beiträge auch dezentral produziert werden können. SRF sei technisch gut ausgerüstet, sehr viele Arbeiten könnten auch von daheim aus erfüllt werden, teilt SRF-Mediensprecher Stefan Wyss mit. Der Grossteil der 3000 Mitarbeitenden arbeite noch immer im Homeoffice. Nach den Sommerferien Mitte August werde die Lage neu beurteilt.

Bislang habe es im Mediencampus Leutschenbach nur vier bestätigte Coronafälle gegeben, so Wyss. «Durch die Anordnung von Quarantäne, Selbstisolation und weiteren geeigneten Massnahmen konnte eine Ausbreitung von Covid-19 innerhalb des Betriebs bisher verhindert werden.»

Ein erhöhtes Risiko für Sendeausfälle aufgrund des Umzugs in einen grossen, gemeinsamen Newsroom in Zürich sieht der SRF-Mediensprecher nicht. Denn zum einen sei SRF eben technisch so gut aufgestellt, dass ein Grossteil der Belegschaft nötigenfalls im Homeoffice arbeiten könne. Zum anderen würde weiterhin dezentral an den Studiostandorten in Zürich, Bern und Basel sowie in den bestehenden Regionalstudios gearbeitet.

Mitarbeitende wollen dezentral arbeiten

Für viele SRF-Medienleute scheint jedoch schon jetzt klar, dass sie der flexiblen, mobilen Arbeitsart der vergangenen Wochen gegenüber dem Grossraumbüro den Vorzug geben. Das geht aus einer Umfrage hervor, die dieser Zeitung vorliegt und an der 27 Prozent aller SRF- Mitarbeitenden teilnahmen. Als Gründe wurden etwa die Reduktion des Pendelns und die damit verbundenen ökologischen Überlegungen genannt, aber auch die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

In der Folge würden 85 Prozent der Befragten auch nach Corona gerne weiter im Homeoffice arbeiten. Einige fordern gar, wegen der guten Erfahrungen die Umzugspläne von Bern nach Zürich nicht umzusetzen, wie es in der Auswertung heisst. Ausserdem habe die Zusammenarbeit zwischen den Teams und den Führungskräften gut funktioniert – und die Gesprächskultur sei sogar als besser wahrgenommen worden als zuvor.

Stichwörter: SRF, Radiostudio, Umzug

Nachrichten zu Kanton Bern »