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Umweltskandal

Neuhaus will Grossbaustellen untersuchen

Bei der Sanierung des Lötschbergtunnels sind Fehler passiert. Dies gesteht SVP-Baudirektor Christoph Neuhaus im Interview ein. Er kündigt für die Zukunft vermehrt Stichproben auf Grossbaustellen an.

Symbolbild Keystone

Marius Aschwanden
und Julian Witschi

Christoph Neuhaus, teilweise mit Giftstoffen belasteter Altschotter aus dem Lötschbergtunnel wurde in einer ungeschützten Kiesgrube illegal deponiert, und keiner von Ihren Leuten merkte etwas. Wie kann das sein?

Wir haben etwa 130 Materialabbaustellen im Kanton, jährlich werden rund 4 Millionen Kubikmeter Kiesmaterial umgeschlagen. Vor diesem Hintergrund können wir nicht alles wissen. Schliesslich leben wir nicht in einem Polizeistaat. Zum Vorwurf des «mit Giftstoffen belasteten Altschotters» kann ich mich nicht äussern, das ist Gegenstand eines laufenden Verfahrens der Staatsanwaltschaft.

Also bleiben wir bei den Behörden. Wir sprechen hier nicht von einem beliebigen Stallumbau. Die Sanierung des alten Lötschbergtunnels ist eine der grössten Baustellen im Kanton.

Es ist eine Baustelle des Bundes. Aber zur Aufsicht kann ich Folgendes sagen: Wenn schon nur in jeder Kiesgrube einer meiner Mitarbeiter vor Ort kontrollieren würde, dann wäre niemand mehr hier im Büro. Um überall einen Kontrolleur zu haben, dafür haben wir schlicht zu wenig Ressourcen.

In Mitholz wurde mutmasslich das Grundwasser verschmutzt – auch weil die Kantonsbehörden Fehler gemacht haben. Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Staatsanwaltschaft und Polizei machen zurzeit ihre Arbeit. Den laufenden Untersuchungen will ich nicht vorgreifen, weder spekulieren noch vorverurteilen.

Der Kanton und der Bund haben aber erlaubt, dass das Material auf den Steinbruch gebracht wird, obwohl das gemäss der Überbauungsordnung gar nicht zulässig ist.

Ja, diesen Vorwurf müssen wir uns gefallen lassen. Dem Ort für den Umschlag des Materials haben wir zu wenig Beachtung geschenkt. Wir sind aber davon ausgegangen, dass der Gleisaushub von der Bahn direkt auf Lastwagen auf befestigtem Untergrund umgeladen und dann nach Wimmis transportiert wird. Für die Bearbeitung des Schotters in der Kiesgrube haben wir keine Bewilligung erteilt. Die Nutzung des Lagerplatzes ist zudem nicht offenkundig baurechtswidrig.

Wie kann es passieren, dass Ihre Mitarbeiter bei einem Megaprojekt eine Zwischenlagerung «übersehen», wie es in einer Aktennotiz steht?

Das Bundesamt für Verkehr ist die verantwortliche Stelle für den Vollzug und die Kontrolle der Baustelle beziehungsweise die Bauherrin. Aber wie gesagt, es gibt keine flächendeckende Kontrolle, sondern nur ein Controlling. Bei grossen Projekten müssen wir in diesem Bereich zwingend nachbessern.

Um das zu merken, hätte man nicht nach draussen gehen müssen. Die Zwischenlagerung war im Entsorgungskonzept von Marti aufgelistet.

Das stimmt. Wichtig ist aber die Enddestination des Materials, nämlich die Gleisaushub-Waschanlage in Wimmis. Das war eine kantonale Auflage.

Trotzdem: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Vorfall?

Auch auf Grossbaustellen müssen Bund und Kanton vermehrt Stichproben machen. Und wenn es Verdachtsmomente gibt, dass sich jemand nicht an die Bewilligung hält, dann müssen wir rigide kontrollieren.

Gilt das auch für die Lötschberg-Baustelle der BLS?

Selbstverständlich. Ich habe zudem der Bauherrin zurückgemeldet, dass auch sie mehr Kontrollen durchführen muss. Es ist zwingend, dass Konzepte und Bewilligungen eingehalten werden.

Es gibt aber einen Zielkonflikt: Sie stehen dem Amt für Wasser und Abfall vor und sind als Verkehrsdirektor zugleich für die BLS zuständig, die mehrheitlich dem Kanton gehört.

Das funktioniert problemlos. Das Bahnunternehmen BLS gehört zwar mehrheitlich dem Kanton, die Bahninfrastruktur aber dem Bund. Für Bahnbaustellen ist somit der Bund zuständig. Ich persönlich kümmere mich um meine Aufgaben und meine Verantwortung und gehe nicht auf Baustellen, um zu kontrollieren, ob alles seine Ordnung hat.

Aber Sie haben ein Interesse daran, dass die Baustelle im Scheiteltunnel möglichst termingerecht fertig wird, und können solche Zwischenfälle nicht brauchen.

Es geht immer um die Verhältnismässigkeit. Hier handelt es sich um unverschmutzten und schwach verschmutzten Gleisaushub, der falsch behandelt worden ist, nicht um radioaktives Material. Es wird auch nicht gleich jede Baustelle geschlossen, wenn jemand keinen Helm trägt.

Die prominenten Blausee-Besitzer kritisieren, dass die Aufklärung der Affäre viel zu langsam geht. Können Sie das nachvollziehen?

Wenn man selber betroffen ist, kann es nie schnell genug gehen. Das verstehe ich besonders als Tierhalter voll und ganz. Aber noch einmal: Das Fischsterben ist Gegenstand von polizeilichen Ermittlungen im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Zu diesem Verfahren äussern wir uns nicht.

Glauben Sie, die Blausee-Besitzer erhofften sich aufgrund ihres Bekanntheitsgrads eine Sonderbehandlung?

Das müssen Sie diese Personen selber fragen. Wir behandeln alle gleich, unbesehen von Rang, Namen oder Vermögen.

Das AWA sendet auch unterschiedliche Signale aus. 1000 Tonnen Material wurden zurückgebaut. Dann heisst es wieder, vom Altschotter gehe keine Gefahr aus. Das ist schwer nachvollziehbar.

Das verstehe ich. Die Materie ist aber kompliziert. In einer Abbaustelle darf kein belastetes Material abgelagert werden. Hier gilt Nulltoleranz. Gleichzeitig kann Altschotter sehr unterschiedlich stark verschmutzt sein. Es ist nicht per se giftiger Abfall.

Die Wasseranalysen der Blausee-Besitzer und die Zehntausende toter Bioforellen deuten aber auf eine Verschmutzung des Grundwassers hin.

Dazu kann ich aufgrund des laufenden Verfahrens nichts sagen.

Sie unterstützen aber die Strafanzeige der Blausee AG?

Ja, wir sind gegenüber der Öffentlichkeit und allen Betroffenen verpflichtet, der Sache auf den Grund zu gehen.

Noch immer wird der Gleis aushub auf einem Platz umgeladen, der nicht korrekt entwässert wird. Für dieses Vorgehen wurde eine Ausnahmeregelung schon mehrmals verlängert. Wie lange soll das noch so weitergehen?

Noch bis höchstens Ende September. Spätestens dann müssen die geschlossenen Mulden für den direkten Umlad auf Lastwagen und die entsprechenden neuen Fahrzeuge einsatzbereit sein. Diese zu beschaffen, geht nicht von heute auf morgen. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit tolerieren wir den offenen Umlad auf dem Teil der Lagerfläche, der korrekt an die Kanalisation angeschlossen ist, bis dahin.

Was geschieht, wenn die Lastwagen doch nicht bereit sind?

Bei weiteren Verstössen müssen wir zusammen mit dem BAV weitere Schritte einleiten. Das könnte dazu führen, dass diese Baustelle stillgelegt wird.

Welche Schuld trifft in dieser ganzen Sache die BLS als Bauherrin?

Sie trägt eine Mitverantwortung. Doch die grösste Verantwortung für die korrekte Ausführung eines Projekts liegt klar beim Auftragnehmer.

Die BLS rattert von einer Affäre in die nächste. Verlieren Sie nun auch das Vertrauen in die Projektverantwortlichen der Berner Bahngesellschaft?

Der BLS-Infrastruktur-Chef geniesst mein volles Vertrauen. BLS Infrastruktur ist eine eigene AG, wird mehrheitlich vom Bund gesteuert. Da besteht kein Zusammenhang zu anderen Themen.

Halten Sie das Gebiet der Kiesgrube nach wie vor für geeignet dafür, wie geplant als Installationsplatz für den Ausbau des Basistunnels und für die Entsorgung der Munitionsabfälle aus dem ehemaligen Militärdepot genutzt zu werden?

Diese Beurteilung ist in erster Linie Sache des Bundes. Es gibt verschiedene Ansprüche an das Gebiet. Das erhöht den Druck. Das heisst natürlich nicht, dass man dort machen kann, was man will.

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