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Wintersport

Patrouillen und Testcenter

Sind die Berner Oberländer Wintersportgebiete bereit? Haben sie die nötigen Konzepte, 
um Personen mit Covid-19-Symptomen testen lassen zu können? Ein Augenschein.

Mit den nahenden Festtagen dürfte die Zahl der Gäste in den Skigebieten, wie hier in Grindelwald, steigen. Bild: Keystone

Nathalie Günter 
und Samuel Günter

Ab heute gilt es ernst: Neun Oberländer Wintersportorte müssen ein umfassendes Schutzkonzept vorweisen. Dieses wiederum ist nötig, damit die Bergbahnen im entsprechenden Gebiet ab Dienstag ihre Bewilligung erhalten. Die Konzepte der Gemeinden zeigen unter anderem, wie die Wintersportorte genügend Testkapazitäten für Gäste mit Covid-19-Symptomen zur Verfügung stellen können, wo sie erkrankte Gäste unterbringen und isolieren wollen und wo überall Maskenpflicht herrscht. Und sind die neun Gemeinden bereit?

Bei vielen Gemeindevertretern fallen in Bezug auf die geplanten Massnahmen die Schlagworte gesunder Menschenverstand und Selbstverantwortung. Der Tenor ist klar: Die Erarbeitung der Schutzkonzepte ist nötig, fordert viele Arbeitsstunden und Nerven und vor allem Flexibilität.

 

Zur Not in Zivilschutzanlage

Die Gemeinde Zweisimmen ist anscheinend bereit, die Wintergäste zu empfangen. «Wir sind nicht gerade ein Tourismus-Hotspot wie etwa Lenk oder Gstaad – unsere Gäste übernachten eher in Ferienwohnungen», so Gemeindeschreiber Urs Mathys. Deshalb habe die Gemeinde keine Maskenpflicht fürs Dorfzentrum festgehalten. «An den neuralgischen Plätzen werden aber jeweils für circa zwei bis drei Stunden am Tag zwei Personen in Leuchtwesten patrouillieren», so Mathys weiter. Dafür seien bereits zehn Personen re-krutiert. Deren Aufgabe sei Prävention und Kontrolle. Vorerst gelte dies ab Freitag bis 5. Januar.

«Wir haben auch mit Taxiunternehmen ein Abkommen, dass sie mit einem geeigneten Auto Erkrankte nach Thun oder Bern transportieren können», so Mathys weiter. Für die Unterbringung der Patienten im Ort ist die Zivilschutzanlage eingeplant. «Dort können wir – unter Einhaltung der Abstandsregeln – circa 20 Personen unterbringen.» In erster Linie seien jedoch die Betroffenen selber verantwortlich für Unterkunft und Transport. «Die Gemeinde ist hier nur ‹subsidiär› verpflichtet.»

Auch bezüglich Testkapazität hat sich Zweisimmen vorbereitet: «Wir haben zwei Arztpraxen im Dorf sowie eine in Boltigen, die alle testen können.» Und natürlich das Spital Zweisimmen. Dieses sei aktuell daran, einen Standort ausserhalb des Dorfzentrums zu finden, um Schnelltests durchführen zu können.

 

80 000 Franken bereitgestellt

An der Lenk habe man sich «bergübergreifend» mit der Gemeinde Adelboden sowie den Bergbahnen, dem Detailhandel und Gastrobetrieben besprochen, schreibt Gemeindeschreiber Thomas Bucher in einer Mitteilung. «Gemäss Bundesverordnung hat der Gemeinderat zudem mittels Allgemeinverfügung eine Gesichtsmaskentragpflicht im Dorfzentrum umgesetzt», steht weiter im Communiqué. Zur Kontrolle und Überwachung der Massnahmen werde die Firma Securitas beauftragt, dazu habe der Gemeinderat ein Kostendach von 80 000 Franken gesprochen. Weiter werde beim Skibus an den Spitzentagen ein Viertelstundentakt eingeführt.

Als Schnelltestmöglichkeit vor Ort führt die Gemeinde die Praxis von Dr. Hählen und das Lenk-Praxiszentrum auf, dort sei eine Voranmeldung nötig. Die gebildete Taskforce möchte «Ein- und Zweitheimische auch dahingehend sensibilisieren, ihre Nahrungsmitteleinkäufe für die Weihnachtstage bis heute zu erledigen», steht weiter in der Mitteilung. So könnten grosse Ansammlungen vor und in den lokalen Läden verhindert werden. Nach diesem Datum würden viele Gäste anreisen und ihre Einkäufe erledigen.

 

Ohne Sofortmassnahmen

In Saanen gibt man sich noch zurückhaltend. «Wir haben ein Schutzkonzept vorbereitet», erklärt Andreas Zoppas, Leiter Sicherheit, auf Anfrage dieser Zeitung. Allerdings sei es verfrüht, dieses im Detail zu kommunizieren. «Schliesslich könnte es schon mit den nächsten Beschlüssen des Bundesrates wieder Makulatur sein.»

Von Sofortmassnahmen, die schon diese Woche greifen, wie sie zum Teil die anderen betroffenen Gemeinden ergriffen haben, sehe man deshalb auch ab. Gemäss Zoppas sind Zonen mit Maskenpflicht sowie ein Testcenter Teil der Planung. «Aber noch sind nicht alle Fragen geklärt.»

 

Gemeinsames Papier

Meiringen und Hasliberg haben gemeinsam mit den Bergbahnen Meiringen-Hasliberg (BMH) ein Konzept erstellt. «Wir müssen uns ergänzen, das ist das Ziel», so Haslibergs Gemeindepräsident Arnold Schild. Da das Dorf Hasliberg in vier Ortsteile «zerstreut» ist, sei eine Maskenpflichtzone vorläufig nicht vorgesehen. Man werde die Situation im Auge behalten. Falls es in Ballungsgebieten zu grösseren Ansammlungen kommt, werde man eine lokale Maskenpflicht prüfen und allenfalls kommunizieren. Auch in Meiringen wird keine Maskenpflicht verordnet, wie der zuständige Gemeinderat Christian Jossi erklärt. «Wir werden aber an belebten Stellen das Tragen einer Maske empfehlen und entsprechend signalisieren.»

«Die Parkplätze werden durch die Bergbahnen Meiringen-Hasliberg kontrolliert», so Schild. Man sei in ständigem Kontakt und tausche sich aus. Bislang leiste die Bahn sehr gute Arbeit. Eine Kontrolle im Ort sei vorgesehen, sofern es viele Gäste habe – «wir müssen flexibel bleiben», sagt Schild. Und weiter: «Diese Kontrolle übernehmen vorerst die fünf Gemeinderatsmitglieder, die sich freiwillig zur Verfügung stellen.»

Testkapazitäten gebe es jeweils im Gesundheitszentrum Meiringen, sichergestellt seien sie unter der Woche. Auf die Testmöglichkeiten würden die Gemeinden und die BMH jeweils aktuell mittels Website, Flugblättern und Anschlägen informieren. Bezüglich der Unterbringung von erkrankten Gästen sind ebenfalls noch Abklärungen im Gange. Schild: «Wir haben Hotels angefragt. Aber in erster Linie sind die Leute selber verantwortlich. Falls jemand Hilfe bei der Heimführung braucht, wird die Gemeinde die nötigen Kontakte herstellen.» Schild weist aber darauf hin, dass die meisten Gäste am Hasliberg in Ferienwohnungen oder Zweitwohnungen untergebracht seien.

 

Flexibel bleiben

«Da die Vorschriften von Bund und Kanton jederzeit und sehr kurzfristig ändern können, muss eine hohe Flexibilität sichergestellt werden», schreibt der Gemeinderat von Grindelwald. Die Vertreter der Gemeinde hätten sich mit den wichtigen Partnern in Grindelwald zu einem Austausch getroffen – zur Koordination der Massnahmen und zum regelmässigen Informationsaustausch wurde eine Corona-Taskforce gebildet. Das Schutzkonzept der Gemeinde sei noch in Bearbeitung. Fest stehe aber bereits, dass ab heute im Dorfzentrum eine allgemeine Maskentragpflicht im Freien gelte. Diese gilt vom Bahnhof bis zum Pfingsteggparkplatz entlang der Dorfstrasse sowie im Skischulgelände Bodmi. Der genaue Perimeter wird noch publiziert. Zudem werden Hinweisplakate aufgestellt.

Die Gemeinde wird auch einen Patrouillendienst einrichten, der, wenn nötig, auf die Maskentragpflicht und die Abstandsregeln hinweist. Dieser wird gemäss Gemeindeschreiber Stefan Woodtli aus eigenen Leuten und Angestellten einer Sicherheitsfirma bestehen. Eine weitere Massnahme sei, dass der Bärplatz allein den Linienbussen zur Verfügung gestellt werde. «So können diese mehr Abstand untereinander halten, um Menschenansammlungen zu verhindern.»

Kranke Gäste oder solche, die Symptome aufweisen, sollten in erster Linie in eigener Verantwortung nach Hause reisen. «Aber natürlich nicht im ÖV», wie Woodtli erklärt. Falls dies nicht möglich sei, habe sich die Gemeinde mit zwei Organisationen abgesprochen, die den Transport übernehmen können. Eine allfällige Isolation müsse in den Unterkünften erfolgen. Das könne das Hotelzimmer sein. «Aber über die Festtage haben wir vor allem viele Leute in Ferien- und Zweitwohnungen, in denen eine Isolation gut machbar ist.» Zumal die Gemeinde zusammen mit einheimischen Läden und der Apotheke einen Lieferdienst für Waren des täglichen Gebrauchs organisiert habe.

 

Der Spezialfall

Auch die Gemeinde Lauterbrunnen hat eine Maskenpflicht erlassen. Diese gilt in Wengen ab dem Hotel Bernerhof bis zum Bahnhof, bis zur Bahnunterführung Archer und zur Bahnunterführung Koch. In Lauterbrunnen selbst muss vom Gemeindehaus Adler bis zum Bahnhof und auf den Parkplätzen bei der Kirche und im Eyelti eine Maske getragen werden. In Mürren gilt diese Pflicht ab der Bahnstation der Schilthornbahn bis zur Station der BLM auf allen öffentlichen Strassen, Wegen und Plätzen.

Auch hier wird, was die Heimführung betrifft, in erster Linie auf die Eigenverantwortung hingewiesen. Gemeindeschreiber Anton Graf verweist aber auf die Eigenheiten von Wengen und Mürren, die nur per Bahn erreichbar sind. «Hier haben wir uns mit den Bahnunternehmen organisiert, sodass allenfalls erkrankte Gäste transportiert werden könnten.» Ab Lauterbrunnen werde die Fahrt dann von einem spezialisierten Unternehmen aus dem Unterland übernommen. Weiter stehen in Wengen und Mürren Räumlichkeiten für die Unterbringung von Leuten in Quarantäne zur Verfügung.

 

Temporäre Fussgängerzone

Adelboden führt im Dorfzentrum und auf allen öffentlichen Parkplätzen die Maskenpflicht ein. Und geht noch einen Schritt weiter: «Wir werden eine temporäre Fussgängerzone im Dorf verfügen», so Gemeindeschreiberin Jolanda Lauber. Dies auf der Dorfstrasse ab Bäckerei Michel bis zum Edelweiss-Areal. Auch Adelboden wird die belebten Punkte im Dorf überprüfen. «Wir müssen auf jeden Fall unser Personal aufstocken – entweder mit Freiwilligen oder mit jemandem vom Sicherheitsdienst», so Lauber. Sie betont: «Wir müssen die Flexibilität haben, die Massnahmen den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen.»

Als Testmöglichkeiten nennt Lauber die Arztpraxen vor Ort sowie die Drive-in-Zentren in Thun und Interlaken. Bei Unterbringungsmöglichkeiten für erkrankte Gäste müsse man – je nach Situation – schauen, wo Unterkünfte frei wären.

 

Noch ohne Maskenpflicht

Kandersteg, das etwas weniger ein Tourismus-Hotspot ist als etwa Adelboden, plant einen Flyer für Bevölkerung und Gäste. «Unser Grundsatz ist, dass die Verhaltens- und Hygieneregeln des BAG und die bestehenden und erprobten Schutzkonzepte beim Gewerbe und bei den Bahnen konsequent umgesetzt werden», so Gemeinderatspräsident Urs Weibel. Denn die Situation habe sich nun verschärft.

«Wir werden in belebten Fussgängerbereichen im Dorf nur eine Maskenpflicht erlassen, wenn es nicht anders geht», so Weibel weiter. Auch seien für die Kontrolle zwar Pläne gemacht, aber noch kein Personal rekrutiert worden. «Wir werden die ersten Tage – vor Weihnachten – als Test nutzen, um zu schauen, wie viel es braucht.» Sei zum Beispiel der Oeschinensee über Neujahr bereit zum Schlittschuhlaufen, «werden wir sicher im Dorf Personen einsetzen müssen, um die Personenlenkung zu überwachen».

«Wir haben keine Stelle im Dorf, die Schnelltests machen kann», antwortet Weibel auf die Frage nach der Testkapazität. Total seien in der Arztpraxis 15 normale Tests pro Tag möglich. Weibel übt Kritik: «Der Kanton macht sich das etwas einfach, diese Aufgabe an die Gemeinde zu delegieren.» Er erhofft sich zu diesem Thema auch noch mehr von Regierungsstatthalterin Ariane Nottaris. «Was wir als Gemeinde anbieten, ist die telefonische Auskunft, wo der nächste Schnelltest möglich ist und wie man sich bei Erkrankungen verhalten soll», so Weibel.

Weiter hat die Gemeinde ein Factsheet erarbeitet, was bei Gästen mit Symptomen passieren solle. Reisten diese mit dem Auto an? Oder mit dem ÖV? Aus dem In- oder aus dem Ausland? Grundsätzlich gelte die Eigenverantwortung. Weibel: «Wer transportfähig ist, soll nach Hause für den Test und die Isolation.»

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