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Ständerat

Regula Rytz und Beatrice Simon unter Druck

Besinnen sich die SVP und die FDP auf ihre langjährige Allianz und legen Beatrice Simon nahe, sich aus dem zweiten Ständeratswahlgang vom 17. November zurückzuziehen? Bis heute Mittag müssen die Parteien ihre Kandidaturen bekannt geben.

Bild: Nicole Philipp
  • Dossier

Stefan von Bergen

Das bürgerliche Lager gleicht nach dem ersten Wahlgang für den Ständerat einem aufgeregten Hühnerhaufen. In der Frage, wie man sich am 17. November für den zweiten Wahltag auf­stellen soll, herrscht Uneinigkeit. Noch im Laufe des Wahlabends preschte die FDP mit einem Communiqué vor und empfahl ihre Kandidatin Christa Markwalder für ein bürgerliches Zweierticket. Obwohl sie von den drei bürgerlichen Kandidierenden das schlechteste Ergebnis erzielt hat.

SVP-Kandidat und Parteipräsident Werner Salzmann bekannte hingegen offen, er wünsche sich, dass nur ein Bürgerlicher antrete. Und die bloss auf dem vierten Platz gelandete Beatrice Simon von der abgestraften BDP dachte gar laut darüber nach, ob die Wähler sie lieber weiterhin in der Kantonsregierung haben wollten. So nährte sie Spekulationen, dass sie nicht zum zweiten Ständeratswahlgang antrete.

 

Unkoordinierte Einzelgänge

Einigkeit tönt anders. SVP, BDP, und FDP mussten sich an ihrer Strategiesitzung von gestern Abend deshalb wohl erst einmal zusammenraufen und aus ihren unkoordinierten Einzelgängen eine Strategie schmieden. Ein Thema könnte auch das Communiqé der FDP gewesen sein. Entweder die SVP oder die BDP könnten es als Affront verstehen, dass Christa Markwalder als Kandidatin vorgeschlagen wird. Greift die FDP den Ereignissen vor und geht schon davon aus, dass sich Beatrice Simon von der angeschlagenen BDP ohnehin zurückzieht? Oder hat die FDP die Kühnheit, den bürgerlichen Tagessieger Werner Salzmann zu konkurrenzieren?

Stefan Nobs, kantonaler Parteisekretär der FDP, will das Communiqué überhaupt nicht als ein Vorpreschen verstehen. «Wir haben einfach einen Vorschlag gemacht, einen Werbespot für unsere Kandidatin», sagt er. Auch SVP-Parteisekretärin Aliki Panayides gibt sich konziliant. Für die SVP stehe das Ziel des bürgerlichen Ständeratssitzes im Vordergrund. «Wir sind bis jetzt davon ausgegangen, dass sich der unterlegene linke Kandidat zurückzieht, was eventuell eine stille Wahl eines linken und eines bürgerlichen Kandidaten möglich gemacht hätte», sagt sie.

Nach dem links-grünen Doppelsieg im ersten Wahlgang gelte aber dieses Versprechen offenbar nicht mehr. Die rot-grünen Sieger des ersten Wahlgangs erklärten am Sonntagabend, dass sie sich alle Optionen offenhalten und die Verzichtsvereinbarung nicht allzu starr zu verstehen sei. Daran halte man weiterhin fest, bestätigt SP-Co-Präsidentin Mirjam Veglio.

 

Allianz von SVP und FDP?

SVP-Parteisekretärin Panayides mag sich nicht über das Vorpreschen der FDP ärgern. Ein Ticket mit Werner Salzmann und Christa Markwalder würde die alte Ständeratspartnerschaft von SVP und FDP wieder aufleben lassen, sagt sie. Nicht nur die im Kanton Bern erstarkte Linke, sondern auch die von SVP-Dissidenten gegründete BDP hat diese Kooperation durchkreuzt. Auch die SVP signalisiert der BDP – wie gestern schon die FDP in ihrem Communiqué –, dass es dem bürgerlichen Lager mehr dient, wenn Beatrice Simon im Regierungsrat bleibt und dort die bürgerliche Mehrheit sichert. Bei einer Ersatzwahl für Simon erwägt die SP, mit einer Kampfkandidatur anzutreten.

SVP, FDP und BDP müssen vor allem zwei Konstellationen evaluieren. Im Interesse von SVP-Spitzenmann Werner Salzmann wäre es, allein anzutreten. Der pointiert politisierende SVP-Kantonalpräsident würde dann keine Stimmen an eine gemässigte Mitte-rechts-Person verlieren. Die BDP und Beatrice Simon aber müssen – genauso wie Christa Markwalder und die FDP – hoffen, dass die Linke nur mit einer Kandidatur kommt. Auf die freie zweite Linie ihrer Wahlzettel würden dann die linken Wählerinnen und Wähler möglicherweise Simon oder Markwalder schreiben, um den SVP-Mann Salzmann zu verhindern.

Das rot-grüne Lager muss überlegen, ob es nur mit einem oder gleich mit beiden Siegern des ersten Wahlgangs antritt. Rot-Grün könnte auf sicher gehen und den erstplatzierten Hans Stöckli von der SP ins Rennen schicken und Regula Rytz gemäss der ursprünglichen Vereinbarung zum Rückzug bewegen. Denkbar ist aber auch, die Gunst der Stunde zu nutzen und beide Spitzenleute ins Rennen zu schicken. Mit dem Risiko, dass sich die linken Stimmen verzetteln und so bürgerliche Kandidaturen profitieren.

Eigentlich müssten die beiden Lager vom anderen wissen, was es nun plant, wenn sie bis heute Mittag ihre Kandidaturen für den zweiten Wahlgang anmelden müssen. Haben sie sich auf eine informelle Weise verständigt – oder pokern sie hoch?

 

Regula Rytz’ Dilemma

Es geht auch darum, wie Regula Rytz und Beatrice Simon ihr jeweiliges, persönliches Dilemma lösen. Die Grüne-Präsidentin ist die grosse Siegerin des Wahlwochenendes, ihre Partei feierte einen Erdrutschsieg, sie selber verkörpert Umweltthema und Frauenpower. Können Rytz und die Grünen nun ihre 119 960 euphorisierten Wählerinnen und Wähler enttäuschen und sich aus taktischen Gründen zurückziehen? Es macht Rytz’ Entscheid nicht leichter, dass sie noch für höhere Aufgaben ins Spiel gebracht wird: als Bundesratskandidatin.

Beatrice Simon könnte erkennen, dass ihr Wechsel auf die nationale Bühne ihrer Partei nicht mehr hilft und sie zur Sicherung der bürgerlichen Regierungsmehrheit im Kanton besser Finanzdirektorin bleibt. Dann allerdings würde sie den Willen von 52 612 Wählerinnen und Wähler übergehen, die sie in den Nationalrat gewählt haben. Auch das ist kein leichter Entscheid.

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