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Energiegesetz

«Reine Verbote provozieren eher Widerstand»

Das Stimmvolk hat das Energiegesetz mit 50,6 Prozent abgelehnt. Bau-, Verkehrs- und Energiedirektor Christoph Neuhaus (SVP) möchte die Hauseigentümer künftig mehr einbeziehen. Doch bald sind die Energiefragen wieder in SP-Hand.

Für Energiedirektor Christoph Neuhaus (SVP) war das Energiegesetz nicht sonderlich bürokratisch, «Da haben die Gegner den Teufel an die Wand gemalt.» Bild: Franziska Rothenbühler

Interview: Sandra Rutschi

Christoph Neuhaus, weshalb wurde das Energiegesetz abgelehnt?
Christoph Neuhaus: Bei einem solch knappen Resultat kann man immer spekulieren, welche Rolle andere, eidgenössische Vorlagen spielten oder die Stimmbeteiligung. Wir wollen das zuerst analysieren.

Sind Sie enttäuscht?
Ich stehe zu 50,6 Prozent im Regen, zu 49,4 Prozent an der Sonne. Ich hätte mir ein Resultat von 70 zu 30 gewünscht – für das Energiegesetz. Dass es knapp wird, war mir bewusst.

Nur 3198 Stimmen machten den Unterschied aus.
Es gilt, das Volksverdikt zu akzeptieren. Dennoch gibt es viele Leute, die sich Massnahmen wünschen. Es ist unumstritten, dass der Klimawandel stattfindet. Aber der Weg, den die Berner Regierung und das Parlament hier skizziert haben, ist nicht jener, den eine knappe Mehrheit der Bevölkerung gehen will. Doch diese starke Minderheit wird nicht schweigen. Und das Thema erledigt sich nicht von selbst.

Es gab auch einen Stadt-Land-Graben. Bern und Biel waren klar dafür.
Das tut mir weh. Der Kanton kann es sich nicht leisten, dass man sich gegenseitig bekämpft. Vielleicht herrschte auf dem Land die Angst davor, dass Energie grundsätzlich teurer wird.

Weshalb gab es ein Nein?
Die Gründe waren vielfältig. Die Angst vor Bürokratie und vor mehr Vorschriften sowie das Portemonnaie waren die stärksten Argumente. Man rechnet heute vielleicht eher mit einem kürzeren zeitlichen Horizont. Der eine oder die andere legte also vielleicht ein Nein ein, weil die Heizung in keinem sonderlich guten Zustand ist. Die Gegner führten zudem eine engagierte Kampagne.

Ihre Partei, die SVP, und die Hauseigentümer bekämpften das Gesetz. Wie kann man sie bei Energievorschriften mit an Bord holen?
Die Regierung muss mit ihnen zusammensitzen. Das Geschäft kam wohl bei vielen als etwas etatistisch und lustfeindlich an. Beim Klimaschutz wird es immer schwierig, wenn man nicht lustvoll argumentiert. Man muss versuchen, die Langfristperspektive zu betonen: dass es eben längerfristig günstiger sein kann, eine Ölheizung durch ein alternatives Heizsystem zu ersetzen. Dass es interessant sein kann, darüber nachzudenken.

Hat diese Abstimmung das Bewusstsein für solche Anliegen geschärft?
Das ist immer so. Wenn über ein bestimmtes Thema abgestimmt wird, überlegen sich die Betroffenen, wie sie künftig vorgehen wollen. Gerade Hauseigentümer sind Leute, die langfristig planen und Verantwortung übernehmen. Viele werden sich beim nächsten Heizungsersatz besser überlegen, wie sie energetisch vorgehen könnten.

Wie geht es in der Berner Klimapolitik weiter?
Zuerst gilt es, das Resultat zu analysieren. Mit der Direktionsreform wechselt der Energiebereich Anfang 2020 von der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion zur Volkswirtschaftsdirektion. Das heisst, ich werde mich mit Volkswirtschaftsdirektor Christoph Ammann unterhalten, welche Lösungen möglich wären. Wir müssen die Energiestrategie nochmals anschauen und gegebenenfalls anpassen. Aber wir sollten nichts überstürzen.

Was wäre ein vernünftiger Zeithorizont für eine neue Vorlage?
Das braucht zwei, drei Jahre.

Ist es sinnvoll, eine kantonale Strategie zu überdenken, weil ein Gesetz nicht angenommen wurde?
Überdenken heisst nicht, alles zu ändern. Sondern die Dinge nochmals anzuschauen und eventuell anders anzugehen. Vielleicht könnte man mit Informationsoffensiven die Leute erreichen.

Die Energie wechselt also wieder zu einem SP-Mann. Diese Vorlage kam aus der Feder Ihrer Vorgängerin, der SP-Frau Barbara Egger. Es wäre eine Chance, wenn Sie als SVP-Mann sich nun des Themas annähmen.
Ich war auch im Regierungsrat, als das Gesetz beraten wurde.

Vielleicht hätten Sie der Regierung aber von Anfang an etwas anderes vorgelegt.
Reine Verbote provozieren eher Widerstand. Wir müssen mit dem Hauseigentümerverband und den Wirtschaftsverbänden diskutieren und sie fragen, welche Lösungen sie sich vorstellen könnten. Sie so in die Pflicht nehmen. Gerade der Volkswirtschaftsdirektor könnte dies auch noch clever koppeln. So finden es viele schizophren, wenn der Kanton zwar Fotovoltaikanlagen fördert, dann aber den amtlichen Wert des Gebäudes hochsetzt und höhere Steuern einfordert. So entsteht der Eindruck, dass der Staat mit der einen Hand gibt und mit der anderen wieder nimmt.

Gäbe es unbürokratischere Wege, Klimaschutz umzusetzen?
Die gibt es wohl immer. Aber das Gesetz war nicht so bürokratisch. Da haben die Gegner den Teufel an die Wand gemalt. Es würde die Leute wahrscheinlich motivieren, wenn man im Steuerbereich etwas machen könnte.

Ihr Parteikollege Peter Brand, Präsident des Hauseigentümerverbands, beklagte sich über den Subventionsdschungel.
Ich würde das nicht Subventionsdschungel nennen. Das Problem ist, dass die Anreize immer wieder wechselten. Kontinuität wäre wichtig, eine gewisse Verlässlichkeit über mehrere Jahre hinweg.

Zurzeit demonstrieren viele junge Leute auf der Strasse für den Klimaschutz. Ist einfach die Zeit noch nicht reif – oder wird dieses Engagement verpuffen?
Diese Frage stelle ich mir auch. Ich glaube aber, alle Parteien müssen sich um Nachhaltigkeit kümmern. Man kann nicht einfach nach dem «Nach uns die Sintflut»-Prinzip leben. Jeder Partei steht es gut an, zumindest ein bisschen hellgrün zu sein. Dazu gehören auch Diskussionen um Abfall, Plastik und Wasser. Das beschäftigt die Leute.

Auch der Verkehr gehört zu diesen Fragen. Man spricht im Kanton über die Förderung von Elektromobilität und eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer. Was wäre sinnvoll?
Es gibt nicht den grossen Wurf, der auf einen Schlag alle Probleme löst. Wir haben schon vieles erreicht, indem wir den öffentlichen Verkehr stark gepusht haben. Elektromobilität und Langsamverkehr sind weitere Register, die man ziehen kann. Doch auch hier wird man sich leider politisch die Köpfe einschlagen, weil alle Seiten von der Ideologie her klare Vorstellungen haben. Das heute war mal wieder eine Etappe im Bereich Klimaschutz. Es werden bestimmt noch weitere folgen, wie bei der Tour de France. Wir werden bei dem Thema also noch Tausende Kilometer mehr absolvieren.

Viele Gegner sagen, was wir hier in Bern machen, bringt nichts, solange die Chinesen weiterwursteln wie bis anhin.
Sie müssen nicht nur mit den Chinesen, sondern auch mit den Indern und Amerikanern argumentieren. Aber das ist für mich eine zu fatalistische Haltung. Klar: Mit den 50 000 Tonnen CO, die wir mit dem Gesetz eingespart hätten, hätten wir die Welt nicht gerettet. Aber es wäre immerhin etwas gewesen.

Die Hauseigentümer betonten, dass sie schon sehr vieles freiwillig machen. Müssen sie das nun beweisen?
Sie haben jedenfalls noch Potenzial. Zwei von drei Ölheizungen werden heute noch durch Ölheizungen ersetzt. Der Verband ist gesprächsbereit. Also gehe ich davon aus, dass er das freiwillige Engagement nicht nur hinreden, sondern auch leben will.

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