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Eventbranche

Retten, was zu retten ist

Kein Gurten, keine BEA, keine Messen: Corona traf die Veranstalter als erste, und sie werden die letzten sein, die sich von der Krise erholen. Seit Monaten geht praktisch nichts mehr. Viele blicken in den wirtschaftlichen Abgrund.

Auf der schiefen Ebene: Die vielen Absagen haben die Veranstalter in Schräglage gebracht. Bild: Christian Pfander

Cedric Fröhlich

Hinter Rolf Oswald liegen frustrierende Wochen, und vor ihm klafft die Leere – vor allem jene in den Auftragsbüchern. Es ist der 23. Mai, ein Samstag. Aber Oswald sitzt in seinem Büro. Auch weil sich sein Kopf einfach nicht abschalten lässt. Schliesslich tippt er: «Wie weiter? Wir brauchen Hilfe!» Und drückt dann auf Senden.

Rolf Oswald führt einen Cateringbetrieb in Oberthal. Er selbst ist auf lange Tage, wenig Freizeit, auf Büez gepolt. Positiver Stress, nennt er es, und dieser Stress fehlt ihm. Seit Monaten nun ist er zum Nichtstun verdammt.

Was tun? Hilfe! Seine Mail ist Ausdruck des Gemütszustands einer ganzen Branche.

Eine Branche im Lockdown

«Eventler», so nennt Rolf Oswald die Menschen, die hinter den Kulissen von Messe- und Konzerthallen arbeiten. Wie viele es von ihnen in der Schweiz gibt, lässt sich nur schätzen. Es dürften mehr als 50000 Beschäftigte sein. Sie alle sind Teil einer Unterhaltungsindustrie, deren Umsatz im letzten Jahr mehr als 2,7 Milliarden Franken betrug.

Corona traf sie als Erste, und sie werden die Letzten sein, die da wieder rausfinden. Während Restaurants, Bars und Hotels wieder Gäste empfangen, während sich in der Bevölkerung das Gefühl einstellt, als würde dieses Land zurück in «die Normalität» finden, während all dem befindet sich die Eventbranche weiter im Lockdown.

Wir treffen Rolf Oswald wenige Tage nach seiner Mail. Es ist ein schöner Tag in Thun, Oswalds Laune aber ist finster. Immerhin hat er für einmal Arbeit. Im Westen der Stadt wird ein Pflegeheim umgebaut und der Küchenbetrieb deshalb ausgelagert, in eine Oswald-Küche. Seine Leute montieren die letzten Dinge. Draussen raucht man.

Zwei solche Aufträge hat er seit der Krise erhalten. Gleichzeitig musste er Dutzende abschreiben – die Tour de Suisse, den Autosalon in Genf, das Emmentalische Schwingfest.

Rolf Oswald verdient sein Geld an Grossanlässen. Und damit, dass dort viele Menschen noch mehr essen, trinken und konsumieren. Er und seine 20 Mitarbeitenden sind auf mobile Küchen spezialisiert. In diesen können innert Minuten Tausende Mahlzeiten zubereitet werden.

«Perfekte Teller, knallheiss serviert», so erklärte es Oswald in einem Porträt zu Beginn von Corona, Krise und Lockdown. Als er vom «Schnuuf» sprach, der ihm langsam ausgehe. Als er noch auf Hilfe hoffte, im besten Fall auf Geld vom Staat, mindestens aber auf einen Fluchtweg aus der Krise.
Die Sache mit den provisorischen Küchen in Pflegeheimen war bis vor kurzem ein Nebenerwerb. Heute ist es die einzige Krücke, die Oswald geblieben ist. «Der Unternehmer ist gefordert, innovativ zu denken und zu handeln.» Da ist eine Menge Bitterkeit in seinem Tonfall, die verrät, was er denkt: «Ich werde im Stich gelassen. Von der Politik im Besonderen. Mich hört niemand.»

«Wie kann ich planen?»

Das Atmen fällt Oswald in diesen Tage immer schwerer. Im ganzen Betrieb wurde schon im März Kurzarbeit angeordnet, zusätzlich hat er einen Notkredit aufgenommen. Das Geld verwenden aber, das will er wenn möglich verhindern. «Wir erhöhen damit in erster Linie den Verschuldungsgrad des Betriebs.» Dieses Geld müsse er irgendwann zurückzahlen. «Die Frage lautet dann: Wie soll das gehen?»

Der Kredit, er hat nicht dafür gesorgt, dass er den Kopf nun freibekommt. Er ist ein zusätzliches Problem. Was er brauche, seien «echte Hilfe» und «klare Ansagen». «Wann geht es auch für uns weiter? Wie kann ich planen?» Das muss er wissen.

Nur, und das ist das Dilemma dieser komischen Zeit, die Antwort kann ihm heute niemand geben. Sie hängt von zu vielen Faktoren ab. Von einer zweiten Welle, von Infektionsraten und nicht zuletzt auch von der alles entscheidenden Frage: Wie schnell sollen Einschränkungen, die auch Menschen wie Rolf Oswald schützen, aufgehoben werden, die Wirtschaft hochgefahren werden?

Mit Schlägen eingedeckt

Anruf in Aarwangen, bei den Wälchli Festen, einem Unternehmen, dessen Slogan lautet: «Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Rufen Sie uns trotzdem vorher an.» Am Apparat ist Beat Fischbach, der Direktor des Zeltbau- und Cateringunternehmens, Chef von 30Festangestellten und weiteren 300auf Abruf. «Noch sind wir nicht am Boden», sagt er.

Die Misere begann hier am 28.Februar. Genauer, an der Langenthaler Fasnacht. Für die Wälchli Feste ein wichtiger Anlass, weil viele Menschen und daher Umsatz. Ehe die Sache aber richtig losging, griff der Bundesrat durch. Die Langenthaler Fasnacht wurde abgesagt, jene in Olten ebenfalls.

Auch die BEA, laut Fischbach «einer der wichtigsten Termine des Jahres», fiel Corona zum Opfer. Der Abbruch der Eishockeysaison war schliesslich «der Super-GAU». Das Unternehmen ist für das Catering im Stadion des SC Langenthal zuständig. «Wir mussten harte Schläge einstecken», sagt Fischbach.
70 Prozent des Umsatzes sind weggebrochen. Das sei nicht mehr aufzuholen. Selbst dann nicht, wenn anstehende Veranstaltungen effektiv stattfinden, etwa die Jazz-Tage in Langenthal und die Herbstmesse in Solothurn. Dank Kurzarbeit hält sich der Betrieb über Wasser. Vorübergehend. Er sei Optimist, sagt Fischbach, dennoch will er dieses leidige 2020 vor allem eines: hinter sich haben.

«Es ist ein Debakel»

«Eine ganze Branche steht am Abgrund.» So liess sich Eugen Brunner, Präsident des Branchenverbands Expo Event, im März vom «SonntagsBlick» zitieren. So lässt sich das alles zusammenfassen. Der Verband zählt 150Mitglieder, darunter auch Bernexpo. Brunner forderte damals eine Beteiligung der Branche am runden Tisch des Bundesrats, neben den Gastronomen, den Hoteliers, all den lauten Stimmen. Am Tisch sitzt man mittlerweile auch. Abgesehen von Kurzarbeit und Krediten steht die Branche aber noch immer mit leeren Händen da.

«Wir sind ganz am Ende der Kette, und ich hoffe, dass dieses Ende bald erreicht ist», sagt Adrian Erni am Telefon. Er ist Sprecher von Expo Event. Im März schon hat der Verband bei den Mitgliedern den Puls gemessen. Die Diagnose: 96 Prozent aller Betriebe in Kurzarbeit, erste Entlassungen. Erwarteter Umsatzeinbruch bis Ende Mai: 450 Millionen Franken.

Aktuelle Zahlen hat der Verband noch keine. «Die Situation ist sehr volatil», so Erni. «Aber, es ist ein Debakel.» Am härtesten treffe es die Selbstständigen und Kleinunternehmer – jene ganz unten. Aber mittlerweile gingen auch die Reserven vieler grösserer Player zur Neige.
Namentlich für das Bundesamt für Gesundheit waren Veranstaltungen «Teufelszeug». So verständlich das unter den Umständen gewesen sei, so sehr hoffe man nun auf Perspektiven. Denn: «Problem Nummer eins ist die Planungsunsicherheit.»

Die Forderungen des Verbandes sind denn auch simpel: Ab Ende Juni sollen Veranstaltungen für bis zu 1000 Personen oder mehr zugelassen werden. Und ab Ende August auch die noch grösseren. Das gebe einen Planungshorizont. «Damit die Branche retten kann, was noch zu retten ist.»

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