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Ausbildung

Romands wollen mehr Lehrstellen

Die Berner Verwaltung bildet 600 Lehrlinge aus - davon aber nur gerade 33 Romands. Eine parteiübergreifende Motion mit regionaler Beteiligung verlangt vom Kanton eine Korrektur.

Für angehende Lernende sind laut dem Kanton Bern keine besonderen Massnahmen nötig, um den Anteil der Französischsprachigen zu steigern. symbolbild keystone

Die bernische Verwaltung ist einer der grössten Arbeitgeber des Kantons. Immerhin erhalten hier 600 Jugendliche eine Berufsausbildung. Unter ihnen befinden sich aber nur 33 Romands. Dieser Anteil entspricht 5,5 Prozent der Lernenden. Dabei beträgt der Anteil der französischsprachigen Bevölkerung im Kanton Bern ganze 10,6 Prozent. Diese Zahlen legen zumindest ein Missverhältnis offen.

Deshalb haben Grossräte verschiedener Parteien eine Motion eingereicht. Peter Gasser (SP, Bévilard), Samantha Dunning (SP, Biel), Patrick Gsteiger (EVP, Eschert), Pierre Amstutz (Grüne, Corgémont), Manfred Bühler (SVP, Cortébert) und Pierre-Yves Grivel (FDP, Biel) sowie sechs Mitstreiter fordern den Kanton auf, die «total unbefriedigende Situation» zu korrigieren.

Die Motionäre fordern den Kanton auf, «die notwendigen Richtlinien zu erlassen, damit die Anzahl der französischsprachigen Lernenden wesentlich und womöglich überproportional erhöht werde». Nimmt man den Anteil der französischsprachigen Bevölkerung als Massstab, müsste die Kantonsverwaltung mindestens 64 Lehrlinge ausbilden - immerhin eine Verdoppelung des bisherigen Angebots.

Kanton soll Beispiel geben

Die Motionäre bemängeln, dass der Kanton die Zweisprachigkeit nicht ernst nehme: Erst vor Kurzem sei eine Lehrstelle in Neuenstadt gestrichen worden. Ebenso steht die Berner Erziehungsdirektion in der Kritik. Diese habe sich zwar die Förderung der Zweisprachigkeit auf die Fahne geschrieben, aber gerade sie unternehme nichts, um zweisprachige Lernende zu fördern, bemängeln die Unterzeichner der Motion. «Wie kann der Kanton Bern von den Unternehmen verlangen, bei der dualen Ausbildung mehr zu tun, wenn welsche Lehrlinge selbst in der Kantonsverwaltung untervertreten sind?», fragen die Politiker.

Kanton nicht einverstanden

Der Berner Regierungsrat ist mit diesem Vorstoss gar nicht einverstanden. Die Exekutive weist darauf hin, dass sich das Lehrstellenangebot in den Lehrbetrieben nach der Anzahl der angestellten qualifizierten Berufsleute richten müsse. Der alleinige demografisch ermittelte Anteil der französischsprachigen Bevölkerung, welchen die Motionäre heranziehen, sei untauglich, um ein Bedürfnis nach Lehrstellen zu rechtfertigen. Im gleichen Zug korrigiert die Behörde die aktuellen Zahlen: Der Kanton bildet derzeit 479 Lernende, davon 33 Romands aus. Im Übrigen zeige die gesamtschweizerische Statistik, dass auf 100 Einwohner 4 bis 6 Personen in Berufsausbildung stehen. Die kantonale bernjurassische Verwaltung beschäftigt 644 Personen in Vollzeit und 29 Auszubildende. Dieser Anteil beträgt 4,5 Prozent der Angestellten. Daher erklären die Kantonsbehörden: «Die Zahl zeigt, dass das Lehrstellenangebot im Moment dem Benchmark entspricht und sich somit eine Notwendigkeit von Massnahmen mit Zahlen widerlegen lässt.»

Lange Arbeitswege

Neben den genannten Vollzeitstellen beschäftigt die kantonale Verwaltung weitere 475 französischsprachige Personen im Berner Jura, welche aber zum Teil Aufgaben mit deutschsprachigem Inhalt erfüllen. Zudem seien diese Stellen «über alle Organisationseinheiten der kantonalen Verwaltung verteilt», erklärt der Regierungsrat. Hier zusätzliche Lehrstellen für Romands zu schaffen, wäre eine «sehr grosse Herausforderung». Bei dieser Kategorie von Kantonsangestellten müssten nämlich vorab zweisprachige Lehrlinge gesucht werden, welche zudem bereit wären, lange Arbeitswege in Kauf zu nehmen.

Zu geringe Sprachkenntnisse

Bei den französischsprachigen Bewerbern für eine kaufmännische Lehre bedauert der Kanton mangelnde Kenntnisse der deutschen Sprache. Erstens würden sich nur wenige für diesen Beruf entscheiden, und zweitens brächten die Kandidaten zu wenig Sprachkompetenz für den Arbeitsalltag mit, stellen die kantonalen Behörden fest. Der Regierungsrat beobachtet ebenfalls, dass die jungen Romands in der Regel eine Handelsschule gegenüber der dualen kaufmännischen Ausbildung bevorzugen.

Grundsätzlich sei die Berner Romandie beim Angebot von Berufslehren in der Verwaltung gut aufgestellt. Leider könnten die vielen kleinen französischsprachigen Verwaltungseinheiten die Kriterien einer seriösen Berufsbildung nicht erfüllen. «Dies war auch der Grund, weshalb die von den Motionären angesprochene Lehrstelle in Neuenstadt aufgehoben werden musste», bestätigt der Regierungsrat.

Abschliessend erklärt die Berner Exekutive: «Der Regierungsrat wird die Verwaltung auch künftig dazu anhalten, das Lehrstellenangebot laufend zu überprüfen und nach Möglichkeit neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Er erkennt aber aus heutiger Sicht keinen zusätzlichen Handlungsbedarf, weshalb die Motion abzulehnen ist.»

Nun muss der Grosse Rat über die Motion abstimmen.

Philippe Oudot/pl

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