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«Stadt trägt keine Sorge zu ihrem Eigentum»

Ein Bieler Paar wehrt sich gegen die Änderung des Baurechts im geplanten Quartier Mett-Zentrum und ruft zur Ablehnung der Abstimmungsvorlage vom 20. Oktober auf.

Die geplante Erholungszone reicht mehrere Meter in den Garten der Liegenschaft am Gottfried-Ischer-Weg 8. Bild: Peter Samuel Jaggi

Didier Nieto/pl

Martine Clémence und Luz Wehren sind wütend. Mit SMS-Nachrichten und E-Mails fordern die beiden ihr Umfeld auf, am 20. Oktober ein Nein gegen die Änderung des Baurechts im geplanten Quartier Mett-Zentrum in die Urne zu legen.

Die Anpassung der baulichen Vorschriften ist Voraussetzung für die von der Stadt betriebenen Weiterentwicklung des Quartiers hinter dem Metter «Bärenkreisel». Die aktuelle Etappe, die den Namen «Jardin Métropole» trägt, umfasst zwei Projekte: Zum einen soll die Lücke geschlossen werden, die nach dem Abbruch des Restaurants Bären entstanden ist. Hier ist ein neungeschossiges Gebäude geplant. «Dieser Bau wird das Quartier verschandeln», befürchten Martine Clémence und Luz Wehren.

Zum anderen soll zwischen der Mühlestrasse und dem Gottfried-Ischer-Weg ein baumbestandener öffentlicher Freiraum entstehen. Nun aber wohnt das Bieler Paar just am Rande der zukünftigen Erholungs- und Verbindungszone. Dafür müssen einige Meter vom Garten ihres historischen Mietshauses amputiert werden. «Die Stadt trägt keine Sorge zu ihrem Eigentum», poltert Clémence.

«Mit Füssen getreten»

Ihre Wohnung, die sie mit ihrem Partner teilt, liegt nämlich in einem Haus, das ausgerechnet der Stadt Biel gehört. Die stattliche Liegenschaft aus dem Jahr 1850 gelangte in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Legat in städtischen Besitz. Nun aber ist die Immobilie im kantonalen Register als schützenswertes Baudenkmal verzeichnet. Deshalb dürften Garten und Gebäude nicht verändert werden, glaubt Clémence, die seit über 30 Jahren am Gottfried-Ischer-Weg 8 wohnt. Deshalb ihr Urteil: «Die Stadt tritt dieses Gebot mit Füssen.»

Die Anwohnerin hatte schon 2009 für den Erhalt des Gartens gekämpft. Mit den anderen Mietern des Dreiparteienhauses wandte sie sich gegen das Immobilienprojekt Aurora, das inzwischen auf der gegenüberliegenden Seite ihres Hauses entstanden ist und zur ersten Etappe der Neugestaltung von Mett-Zentrum gehört. Schon damals war die öffentliche Anlage in der Mitte des baulichen Ensembles geplant, und damit gab es bereits Befürchtungen, der Garten könnte der Quartierplanung zum Opfer fallen. Die Einsprache der Mieter wurde sogar vom Berner Heimatschutz unterstützt. Dieser empfahl der Stadtplanung, den Garten als wertvollen Bestandteil der gesamten Liegenschaft zu erhalten.

Die Stadtverwaltung hatte sich seinerzeit beschwichtigend geäussert. Sinngemäss antwortete die Baudirektion, dass die Neugestaltung des Quartiers nach städteplanerischen und ästhetischen Grundsätzen erfolge – getreu nach den gesetzlichen Vorgaben. Grünzonen und Kleingärten von Mietern dürften davon nicht betroffen sein, so die Verwaltung damals.

Frage der Auslegung

Florence Schmoll, die Leiterin der Abteilung Stadtplanung, erklärt auf Anfrage: Der Status «schützenswert» verbiete bauliche Massnahmen nicht grundsätzlich, aber «die Bausubstanz und ihr Bezugsrahmen müssen respektiert werden». Der besondere Charakter des historischen Hauses und der Garten seien sehr wohl in die Gestaltung des Quartiers eingeflossen, so Schmoll. Das Projekt «Jardin Métropole» ist das Ergebnis eines Architekturwettbewerbs aus dem Jahr 2016. Es wurde von einer Expertenjury ausgewählt, die «als Garantin für die Qualität» des Vorhabens stehe, erklärt Schmoll. Der geplante öffentliche Raum wird als Erholungszone zum Spazieren einladen. Gleichzeitig dient er als Verkehrsweg für Fussgänger, Velofahrer und Schulkinder.

Dennoch zeigt Florence Schmoll Verständnis für die Reaktion der Mieter: «Wir haben die Einbettung der öffentlichen Anlage in das Wohnquartier sorgfältig bedacht. Unsere Lösung ist das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen den verschiedenen Interessen. Es ist schwierig, alle Einzelbedürfnisse auf einen Nenner zu bringen.»

Die Bieler Stadtplanerin erinnert daran, dass die Gestaltung der Erholungszone in keiner Weise vom Abstimmungsergebnis am 20. Oktober abhängt: «Sie ist Bestandteil des Planungsgebiets Mett-Zentrum und wurde 1998 vom Stimmvolk gutgeheissen.»

Egal wie die Abstimmung ausgeht, der Park sollte bis spätestens 2015 gebaut sein. Dazu Florence Schmoll: «Für die Realisierung sind so oder so Baubewilligungen notwendig. Während dieser Verfahren erhalten Gegner die Möglichkeit zur Einsprache.»

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Verhandlungen mit dem Bildhauer

Der Bau einer öffentlichen Anlage im alten Metter Zentrum bewegt nicht nur die Mieter am Gottfried-Ischer-Weg 8: In unmittelbarer Nähe betreibt der Bildhauer Felice Bottinelli seine Werkstatt. Er soll 70 Quadratmeter Fläche abgeben. Aber genau dort lagert er die Steine und Skulpturen. Das Stückchen Land, das für die öffentliche Anlage benötigt wird, gehört zwar der Stadt Biel, aber in seinem Mietvertrag steht: Der Mieter darf den Platz nutzen, solange er seiner kunsthandwerklichen Tätigkeit nachgeht. Die Stadtverwaltung hat Bottinelli bereits ein grösseres Ersatzgrundstück angeboten. Dieses liegt jedoch 100 Meter von der Werkstatt entfernt. Das Angebot ist für den Bildhauer nicht befriedigend. Dazu sagt die Stadtplanerin Florence Schmoll: «Wir werden weiterverhandeln.» dni/pl

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