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Pädagogischen Hochschule

Studierende wehren sich

Prüfungsknatsch wegen der Coronakrise: Studierende der Pädagogischen Hochschule verlangen, 
dass ungenügende Prüfungen gestrichen werden – wie es verschiedene Universitäten vorsehen.

Die Bibliothek im Hochschulzentrum von Roll, wo sich auch die PH Bern befindet, bleibt seit wochen leer. Symbolbild: Keystone

Marius Aschwanden

Es war eine kurze Mitteilung, welche die Studentinnen und Studenten der Pädagogischen Hochschule (PH) Bern am Gründonnerstag erhalten haben. Unter der Überschrift «Corona: Prüfungen Frühlingssemester 2020» stand in einer Mail, dass die Leistungskontrollen im Juni voraussichtlich stattfinden werden. Die Rahmenbedingungen seien zwar noch unklar.

Aber: «Bereits entschieden ist, dass es an der PH Bern – im Unterschied zu anderen Hochschulen – keine zusätzlichen Wiederholungsmöglichkeiten geben wird. Dies bedeutet, im Frühlingssemester nicht bestandene Leistungsnachweise werden nicht einfach gestrichen.»

Eine Erklärung für diesen Entscheid blieb die Hochschulleitung schuldig. Entsprechend rasch regte sich bei den Studierenden Widerstand. Schon einen Tag später, am Karfreitag, wurde eine Onlinepetition lanciert. Die Forderung: «Wir, die Studenten der PH Bern, möchten die gleichen Chancen erhalten wie Studierende anderer Hochschulen.» Bis Mittwochmittag hatten über 730 der 2850 angehenden Lehrerinnen und Lehrer die Petition unterzeichnet.

Annullierung an der Uni

Um zu verstehen, was genau ein Viertel der PH-Studierenden derart auf die Palme bringt, muss man kurz zurückblenden. Vor mittlerweile über vier Wochen, am Freitag, 13. März, trat der Bundesrat vor die Medien und verkündete die ersten rigorosen Massnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen. Seither ist Präsenzunterricht an allen Schulen im Land verboten. Entsprechend stellte nicht nur die Volksschule, sondern auch die Universitäten, die Fachhochschulen und eben auch die Pädagogischen Hochschulen auf digitalen Fernunterricht um.

Lange Zeit unklar blieb jedoch, ob und wie die Leistungsnachweise am Ende des Semesters durchgeführt werden können. Vor zwei Wochen schuf die Berner Bildungsdirektorin Christine Häsler ein wenig Klarheit. Die Hochschulen müssten die notwendigen Vorkehrungen treffen, damit Abschlüsse, Zulassungen oder Prüfungen «unter den aktuellen Bedingungen sichergestellt werden können, selbst wenn dafür von den regulär geltenden Reglementen abgewichen werden muss». Weitere Vorgaben macht der Kanton allerdings nicht.

Auch von Swissuniversities, der Rektorenkonferenz der Schweizerischen Hochschulen, sind keine einheitlichen Empfehlungen erlassen worden. In einem Orientierungsschreiben von letzter Woche heisst es einzig, dass die Institutionen beschliessen könnten, einen Fehlversuch bei einer Leistungskontrolle nicht anzurechnen. Sprich: Die Studierenden könnten dann eine ungenügende Prüfung nicht nur zwei-, sondern gleich dreimal wiederholen. Dies, um der speziellen Situation Rechnung zu tragen.

Wie Recherchen nun zeigen, machen von dieser Möglichkeit verschiedene Universitäten Gebrauch. Im Covid-19-Reglement der Uni Bern steht etwa, dass ungenügende Leistungskontrollen nach dem laufenden Semester grundsätzlich annulliert würden. Ähnliche Regelungen haben auch die Universitäten in Freiburg, Zürich oder Basel erlassen.

Viel Präsenzpflicht

Und damit zurück an die PH Bern. Hier also wurde den Studierenden mitgeteilt, dass es keine zusätzliche Wiederholungsmöglichkeit geben wird.

Einer, der sich an diesem Beschluss stört, ist Olivier Kämpfen. Der 23-jährige Student im vierten Semester unterstützt die Onlinepetition. «Wenn sich Universitäten kulant zeigen, die kaum Veranstaltungen mit Präsenzpflicht haben, dann sollten auch wir von dieser Möglichkeit profitieren können», sagt er.

Schliesslich müssten an der PH Bern in normalen Zeiten beinahe alle Veranstaltungen vor Ort besucht werden. Insofern sei die Umstellung auf Fernunterricht für die künftigen Lehrerinnen und Lehrer sogar noch grösser als für die Uni-Studierenden. «Wir absolvieren zu Hause Aufträge und nehmen an virtuellen Seminaren teil. Die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Dozierenden leidet jedoch unter der Distanz», so Kämpfen. Er kann deshalb nicht verstehen, weshalb die Schulleitung nicht bereit ist, eine gewisse Erleichterung zuzulassen. «Für uns ist der Druck sehr gross», sagt er.

Der Rektor der PH Bern, Martin Schäfer, kann den Unmut der Studierenden teilweise nachvollziehen. «Wenn wir ausschliesslich ganz normale Prüfungen durchführen würden, wäre ich als Student auch irritiert», sagt er. Doch das sei nicht geplant. «Wir eruieren derzeit, welche Formen von Leistungsnachweisen dem speziellen Semester gerecht werden können», so Schäfer.

Das Ziel dabei sei klar: «Wir sind als Pädagogische Hochschule gefordert, ein stimmiges Paket zu schnüren. Wir verlangen von unseren Studierenden künftig ja auch, dass sie als Lehrpersonen auf spezielle Situationen pädagogisch geschickt reagieren.»

Wenn die Art der Leistungsnachweise gut auf die Art des Lernens im Corona-Semester passe, gebe es keinen Grund für eine zusätzliche Wiederholungsmöglichkeit. Damit mache sich die PH Bern auf einen anspruchsvolleren Weg. «Am einfachsten wäre es, wir würden die Prüfungen wie bisher durchführen und ungenügende Ergebnisse einfach annullieren. Aber als Pädagogische Hochschule können wir das aus meiner Sicht nicht.» Denkbar seien nun neuartige Formate oder der Ersatz von Prüfungen durch eine schriftliche Arbeit.

Nichts zu verlieren?

Schäfer gibt sich aber auch selbstkritisch. Die Information letzte Woche sei nicht ideal gewesen. «Sie liess zu viel Raum für Fragen und Interpretationen. Das ist vermutlich auch Ausdruck der aktuellen Situation.»

Student Olivier Kämpfen gibt sich damit nicht zufrieden. Letztlich werde es an den Dozenten liegen, inwiefern sie die Leistungskontrollen anpassen würden. Und wenn das Paket tatsächlich so gut aufeinander abgestimmt sein sollte, würde die PH trotzdem nichts verlieren, wenn sie eine zusätzliche Wiederholung zulassen würde, findet er. «Aufgrund der angepassten Bedingungen müssten dann auch nur wenige Studierende darauf zurückgreifen.»

Stichwörter: PH, Bibliothek, Bern, Hochschule

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