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Uhren

Über 10 000 neue Arbeitsplätze seit 2009

Im vergangenen Jahr waren fast 60 000 Menschen in der Schweizer Uhrenindustrie beschäftigt - so viele wie noch nie zuvor seit den 70er-Jahren. 2015 dürften die Beschäftigungszahlen stabil bleiben.

2014 beschäftigte die Uhrenindustrie knapp 60 000 Arbeitskräfte. Diese Zahl wurde seit der Mitte der 70er Jahre nie mehr erreicht. Bild: bt/a

von Philippe Oudot/pl

Nach dem Konjunktureinbruch von 2008 und 2009 erlebt die Schweizer Uhrenindustrie wieder ein ausserordentliches Wachstum. Das Exportvolumen ist von 13,2 Mrd. im Jahr 2009 auf 22,2 Mrd. Franken im vergangenen Jahr hochgeschnellt.

Diese Entwicklung hat auch den Arbeitsmarkt beflügelt: Der Uhren- und Mikrotechniksektor beschäftigt heute über 10 000 Personen mehr als noch vor wenigen Jahren. Gemäss einer Erhebung des Arbeitgeberverbands der Schweizer Uhrenindustrie (Convention Patronale, CP) arbeiteten Ende September 2014 59 112 Personen in der Uhrenbranche.

Diese Statistik umfasst alle Personen mit unbefristetem oder befristetem Anstellungsvertrag. «Temporäre Arbeitskräfte sind dabei nicht berücksichtigt, weil ihre Anzahl grossen Schwankungen unterworfen ist», erklärt der Generalsekretär der CP, François Matile. Er weist aber darauf hin, dass allein diese Personalkategorie 3 bis 4 Prozent der Arbeitnehmenden ausmacht.

Emsige Produktionsstätten 

Im Vergleich zu 2013 hat sich die Mitarbeiterzahl in der Uhrenbranche um 3,2 Prozent erhöht (1826 Vollzeitstellen). Dabei wurden in erster Linie Arbeitskräfte in der Produktion angestellt (+ 2010 Mitarbeitende). Diese Gruppe bildet drei Viertel der Neuanstellungen.

Die CP erkennt in diesen Zahlen ein verlässliches Instrument zur Beurteilung der Gesundheit der Branche. Die Zahl der Verwaltungsangestellten ist hingegen kaum gestiegen (+ 66 Stellen). Interessanterweise wurden trotz des Aufschwungs Führungskräfte abgebaut (-114). Auch die Zahl der Heimarbeiterinnen hat abgenommen (-136).

François Matile kann sich den Rückgang von Führungskräften nicht genau erklären. Er vermutet zwei Gründe für diese Entwicklung: «Entweder haben die Unternehmen ihr Management personell gestrafft, oder die Pflichtenhefte wurden derart angepasst, dass diese Personen nun an einer anderen Stelle des betrieblichen Organigramms verortet sind.

Ende einer Tradition

Heute beträgt der Anteil der Heimarbeiterinnen nur noch 0,4 Prozent. «Die Zahl schwankt von Jahr zu Jahr, denn diese Arbeitskräfte dienen der Industrie in gewisser Weise als Manövriermasse, ähnlich wie wir dies von temporär Angestellten kennen», erklärt der Generalsekretär der CP.

So gesehen erleben wir gerade das Ende einer Tradition. Vor der grossen Uhrenkrise in den 80er-Jahren arbeiteten 90 000 Personen in der Uhrenindustrie und 15 Prozent davon waren Heimarbeiterinnen, weiss Matile.

Aber inzwischen haben sich die Produktionsbedingungen verändert: Zum einen gibt es keine einfachen Arbeitsschritte mehr, die ohne Aufsicht des Werkstattleiters ausgeführt werden können; zum anderen sind die technischen Anforderungen erheblich gestiegen. Das gelte besonders für die staubfreie Umgebung in der Fabrikation, so Matile.

Kanton Jura im Aufwind

Geht es nach der Anzahl der Beschäftigten, liegt der Kanton Bern mit 11 836 Angestellten auf dem zweiten Rang der Uhrenkantone. Die Spitze bildet Neuenburg (15 465). Hinter Bern liegt Genf (9769). Diese drei Kantone beherbergen rund zwei Drittel aller Angestellten der Branche.

An vierter Stelle liegt der Kanton Jura (6687). Dort ist der Personalbestand in den vergangenen Jahren um 16,6 Prozent (951 Personen) gestiegen. «Die erfreuliche Entwicklung verdanken wir der Eröffnung der neuen Produktionsstandorte von Sonceboz SA und Swatch Group in Boncourt, sagt Matile.

Auch im Kanton Bern ist die Zahl der Beschäftigten um 4,2 Prozent (475 Personen) gestiegen. Der Aufschwung verteilt sich regelmässig über viele Betriebe der Uhrenbranche. Demgegenüber ist die Zahl der Angestellten im Kanton Neuenburg konstant geblieben. Der Generalsekretär der CP glaubt, dass die Jahre des Wachstums zu einer gewissen Arbeitsmarktsättigung geführt haben. Zudem hatten auch Neuenburger Unternehmen mit wirtschaftlichen Turbulenzen zu kämpfen, was wiederum zu einer gewissen Zurückhaltung bei der Einstellung von Personal geführt habe, meint Matile.

Botschaft ist angekommen

Der Arbeitgeberverband stellt eine regelmässig steigende Zahl von Lernenden im dualen Ausbildungssystem fest. Heute befinden sich 1230 Lehrlinge in einer Ausbildung, 8 Prozent mehr als im Vorjahr. «Unsere Botschaft ist bei den Unternehmen gut angekommen», freut sich François Matile.

Tatsächlich ermuntert die CP ihre Mitglieder beharrlich, neue Fachkräfte auszubilden. Vor 15 bis 20 Jahren absolvierten nur 20 Prozent der angehenden Uhrmacher eine Berufslehre; 80 Prozent erlangten ihr Diplom an einer Fachschule. Inzwischen wählen 42,6 Prozent der Auszubildenden den dualen Ausbildungsweg.

Diese Entwicklung stärkt den Anteil der Fachkräfte in der Belegschaft. Heute gelten rund zwei Drittel der Angestellten in der Uhrenindustrie als qualifizierte Arbeiter mit Berufszeugnis oder mit höherer Ausbildung; noch vor 20 Jahren hatte lediglich ein Drittel eine abgeschlossene Ausbildung.

Ganz wolkenlos ist der Himmel über der Uhrenbranche trotzdem nicht: Seit vergangenem September stellt die CP eine gewisse Abschwächung der Dynamik fest. Einige Unternehmen mussten Personal entlassen oder Kurzarbeit einführen.

Die Begleitumstände sind bekannt: Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, schwächelnde Märkte in Asien sowie die massive Aufwertung des Frankens nach dem Nationalbankentscheid vom 15. Januar. Deshalb erwartet François Matile eine gewisse Stagnation auf dem Arbeitsmarkt. Sogar einen Rückgang der Beschäftigung schliesst er nicht aus, auch wenn gewisse Unternehmen immer noch Arbeitskräfte einstellen.

Trotz allem tönt die Botschaft des Generalsekretärs versöhnlich: «Sollte es zu einer Abschwächung kommen, würde diese zweifellos mild ausfallen.»

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Bewährter GAV

Breit abgestützte Sozialpartnerschaft: Die meisten Unternehmen des Uhrensektors sind dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der schweizerischen Uhren- und Mikrotechnikindustrie unterstellt (489 von 647 Betrieben).

• Insgesamt sind 51 155 Angestellte (86,4% des Branchenpersonals) durch den GAV geschützt. 

• Damit gehört die Uhrenindustrie zu den Wirtschaftssektoren mit den tief greifendsten gesamtarbeitsvertraglichen Regulierungen.

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Aufteilung der Betriebe nach Tätigkeitsbereich

• 24,1% Herstellung von Uhrenbestandteilen

• 20,6% Zusammenfügen und Fertigstellen von Uhrenprodukten

• 15,2% Handelstätigkeit im Uhrensektor

• 10,4% Galvanoplastik, Polieren und andere Oberflächenbehandlungen, inkl. Dekoration

• 7,7% Fertigung von Rohwerken und mechanischen Quarzuhren

• 5,7% Mikrotechnik ausser Uhren

• 2% Herstellung von Maschinen

• 14,3% Andere Bereiche (Herstellung Drehteile, Metallurgie, Forschung und Entwicklung, Beratung, Herstellung von Schachteln und Verpackungen usw.)

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