Sie sind hier

Abo

Därliggrat

Umweltskandal-Firmen winkt Goldgrube

Die Baufirmen Marti und Vigier, die in der Nähe des Blausees giftigen Aushub deponierten, bewerben sich beide für die Abbaulizenz am Därliggrat. Das bringt den Regierungsrat in die Bredouille.

Symbolbild: Keystone

Quentin Schlapbach

Mitte Oktober fällt der Regierungsrat einen Millionenentscheid. Es geht um die Abbaurechte am Därliggrat, dem Bergmassiv am südöstlichen Thunerseeufer. Ab 2023 soll aus dem Innern des Berges Hartschotter im grossen Stil abgebaut werden. Der Regierungsrat wird entscheiden, welches Unternehmen den Zuschlag erhält.

Neben den Steinbrüchen in Mitholz und Balmholz wäre dies erst der dritte Abbaustandort für Hartschotter im Kanton Bern. Weil in der gesamten Schweiz nur noch wenige Orte für die Gewinnung des Gesteins infrage kommen, ist das Los hoch begehrt. Das geringe Vorkommen garantiert dem Betreiber des Werks stabile Preise, die konstante Nachfrage aus dem Gleisbau ein krisensicheres Geschäft – eine wahre Goldgrube also.

 

Die Ausgangslage

Nicht nur für die an der Ausschreibung teilnehmenden Unternehmen, auch für den Kanton Bern geht es um viel Geld. Laut Baudirektor Christoph Neuhaus wird die Lizenzvergabe einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in die Kantonskasse spülen. Anfang Sommer sagte er, dass sich drei Konsortien für die Konzession beworben hätten. Wegen der komplexen baulichen Anforderungen haben nur Unternehmen eine Chance, die über ein ausgewiesenes Know-how im Fachbereich Tunnelbau verfügen.

Recherchen zeigen nun: Zu den drei Bewerbern gehören unter anderem die Firmen Marti und Vigier – also ausgerechnet jene beiden Unternehmen, die im Verdacht stehen, mit ihrer Deponie im Hartschotterwerk Mitholz das grosse Fischsterben am Blausee verursacht zu haben. Die Firmen jedoch bestreiten diesen Zusammenhang.

Dass die Berner Marti-Gruppe sich für das Los bewirbt, ist bereits seit längerem bekannt. Sie hat den Abbaustandort vor zwei Jahren dem Regierungsrat vorgeschlagen und das Projekt damit quasi initiiert. Auch das Unternehmen Vigier bestätigt indirekt, dass es am Wettbewerb teilnimmt, hält sich mit näheren Auskünften allerdings bedeckt. «Das Projekt Därliggrat ist ein laufendes Verfahren. Zu diesem nehmen wir keine Stellung», sagt Marcel Rychen, Unternehmensleiter von Vigier Beton Berner Oberland.

 

Das Verfahren

Die brisante Ausgangslage wirft Fragen auf. Wird der Umweltskandal Blausee einen Einfluss auf die Entscheidung des Regierungsrats haben? Und: Müsste die Regierung die Vergabe nicht konsequenterweise vertagen, bis abgeklärt ist, welche umweltrechtlichen Verfehlungen beim Hartschotterwerk Mitholz wirklich gegeben sind? Um diese Fragen zu beantworten, lohnt sich ein genauerer Blick auf das Vergabeverfahren. Geführt wird dieses vom Amt für Wasser und Abfall (AWA), also ausgerechnet jener Behörde, die beim Umweltskandal Blausee auch keine rühmliche Rolle gespielt hat.

 

Drei Bewerbungen

Das AWA wertete in den letzten Wochen die Bewerbungen der drei Unternehmen nach einem Kriterienkatalog aus. Diese Eignungs- und Zuschlagskriterien richten sich nach den allgemeinen Vorgaben, die im öffentlichen Beschaffungsrecht festgehalten sind. Eine wichtige Frage war beispielsweise, wie die Unternehmen gedenken, den Schotter abzutransportieren. Die Auswertung des AWA soll bald vorliegen – die Entscheidung fällt aber der Regierungsrat.

Im Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen ist explizit festgehalten, dass ein Unternehmen zur Eignung nachweisen muss, dass es die Umweltgesetzgebung einhalten kann. Beim Fall Blausee wurde ein umweltrechtlicher Verstoss allerdings noch nicht verbindlich festgestellt. Dass der Altschotter aus dem Lötschberg illegal auf dem Hartschotterwerk deponiert wurde, steht zwar ausser Frage. Bestritten ist jedoch, ob die Giftstoffe aus dem Altschotter in ausreichend hoher Konzentration ins Grundwasser gelangten, um die Fische zu töten. Vigier weist sämtliche Vorwürfe eines solchen Fehlverhaltens zurück. Marti nahm bisher – wie üblich für das öffentlichkeitsscheue Berner Unternehmen – keine Stellung. Die Besitzer der Fischzucht haben Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Auch die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates geht der Sache in einer eigenen Untersuchung auf dem Grund.

 

Das Dilemma

In diesem Umfeld muss der Regierungsrat nun also den millionenschweren Entscheid fällen. Klar ist: Wenn er einer Firma die Rechte für ein neues Hartschotterwerk erteilen würde, die bei einem anderen solchen Werk grobe Umweltverstösse begangen hätte, würde dies Kritik nach sich ziehen.

Baudirektor Christoph Neuhaus musste sich bereits Untätigkeit vorwerfen lassen, als er die beiden Unternehmen für die illegale Deponie in Mitholz nicht belangte. Als er im Interview mit der «Rundschau» gefragt wurde, weshalb Marti und Vigier keine Busse für ihr Fehlverhalten erhalten hätten, meinte er lapidar: «Die haben nun schlechte Presse.»

Aus dem Grossen Rat werden nun Forderungen laut, dass der Regierungsrat den Vergabeprozess vorläufig stoppen soll, bis beim Fall Blausee Klarheit herrscht. «Solange nicht geklärt ist, dass die Umweltvorgaben eingehalten werden können, muss der Kanton mit der Vergabe zuwarten», sagt Natalie Imboden (Grüne, Bern). Es könne nicht sein, dass Firmen wie Marti und Vigier weitere Zuschläge erhielten, wenn noch so viele Fragen zum Fall offen seien. «Zuerst müssen die Ergebnisse der parlamentarischen Untersuchungen vorliegen. Die Einhaltung des Umweltschutzrechts ist zwingend», so Imboden.

Auch Andrea Zryd (SP, Magglingen) fordert, dass der Regierungsrat mit dem Vergabeentscheid vorerst zuwartet. «Es wäre naiv, einer Firma jetzt den Zuschlag zu erteilen, gegen die solch gravierende Vorwürfe im Raum stehen», so Zryd. Wenn der Regierungsrat die Vergabe als dermassen dringend erachte, müsse er halt einem dritten Unternehmen den Auftrag geben. Und: «Bevor die Ergebnisse der GPK-Untersuchung vorliegen, dürfen Marti und Vigier keine neuen Abbaulizenzen erteilt werden.» Diese Untersuchung könne mehrere Monate dauern, sagt Zryd, die selbst Mitglied der GPK ist.

Ob der Regierungsrat diesen Forderungen nachkommen wird und den Entscheid vertagen wird, bleibt unklar. Trotz mehrmaliger Nachfrage wollte Baudirektor Christoph Neuhaus sich zum laufenden Vergabeverfahren Därliggrat nicht weiter äussern.

Nachrichten zu Kanton Bern »