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Pensionskassen

Volk segnet Milliarden Paket klar ab

Unerwartet klar sprach sich das Volk in der Abstimmung über die Sanierung der kantonalen Pensionskassen für die grosszügigere Variante aus. Dem Kanton blühen 2,4 Milliarden Franken neue Schulden.

Erfreut bis verblüfft – Sieger unter sich: (v. l.) Matthias Burkhalter vom Staatspersonalverband, der abtretende Polizeiverbandspräsident Markus Meyer und Regierungsrat Bernhard Pulver gestern im Rathaus. Bild: Enrique Munoz Garcia

von Fabian Schäfer

Man braucht fast eine Lupe dafür, die Abweichler zu finden. Nur 45 der 362 Berner Gemeinden haben gestern in der Abstimmung über die Pensionskassenvorlage anders gestimmt als die grosse Mehrheit. Insgesamt sprachen sich 60,5 Prozent Stimmenden in der Stichfrage für die Hauptvorlage des Grossen Rats aus. Damit wählten sie die Variante, die den Staatsangestellten und Lehrpersonen kleinere Opfer abverlangt, dafür aber beim Kanton zu einer grösseren Neuverschuldung führt. Sie erreicht am Ende voraussichtlich ein Ausmass von 2,4 Milliarden Franken.
 

Deutlich unterlegen

Die Mehrheit hiess beide Pensionskassenvorlagen gut: Wie die Hauptvorlage wurde auch der «Eventualantrag» von 61 Prozent angenommen. Er unterlag in der Stichfrage aber deutlich.

Bei den 45 Gemeinden, die mehrheitlich für den Eventualantrag waren, handelt es sich zumeist um kleinere Dörfer. Zu den Ausnahmen zählen etwa Huttwil, Adelboden, Frutigen, Wimmis und Diemtigen. Im Oberaargau stimmten auffällig viele Gemeinden für den Eventualantrag, was damit zusammenhängen dürfte, dass das Komitee, das sich für ein doppeltes Nein einsetzte, von hier aus operiert hatte. Der Oberaargau ist auch der einzige Verwaltungskreis, in dem die Hauptvorlage mit 51 Prozent nur eine knappe Mehrheit fand.
 

Tiefere Stimmbeteiligung

Weiter fällt auf, dass die Stimmbeteiligung tiefer ausfiel als bei den zwei anderen kantonalen Vorlagen. Zu Mühleberg und den Handänderungssteuern äusserten sich 51,6 Prozent der Stimmberechtigten. Bei den Pensionskassen waren es «nur» 45,1 Prozent. Sprich: Zehntausende, die an die Urne gingen, liessen die Fragen zu den Pensionskassen unbeantwortet. Es haben auch nicht alle, die zu den Vorlagen Stellung bezogen haben, die Stichfrage beantwortet. Das mag an der Komplexität des Themas und am Abstimmungsmodus mit zwei Varianten und einer Stichfrage liegen.
 

Reaktionen

Die Reaktionen zum Ausgang der Pensionskassenabstimmung fielen fast durchwegs positiv aus. Einzig die SVP, die den Eventualantrag unterstützt hatte, fand, es sei bedauerlich, dass die Stimmenden die «Referendumschance nicht vollumfänglich genutzt haben». Die FDP hatte zwar ebenfalls den Eventualantrag vorgezogen, tröstete sich aber damit, dass der Primatwechsel nun umgesetzt wird.

Gänzlich ungetrübt ist die Freude der Sieger. Aus Sicht der SP hat gestern nicht nur das Personal, sondern auch der Kanton als Arbeitgeber gewonnen. Die Bevölkerung stehe klar hinter den Kantonsangestellten. Die BDP freute sich, dass die beiden Pensionskassen nun auf Basis «eines ausgewogenen Finanzierungsschlüssels» saniert werden können. Die Grünen sind sehr erfreut und sprechen von einem Zeichen des Respekts und der Anerkennung gegenüber dem Personal. Der Staatspersonalverband hatte nicht mit einem derart deutlichen Sieg gerechnet und zeigt sich dankbar. Nichtsdestotrotz betont er bereits, wenn die neuen Belastungen in Zukunft ein zumutbares Mass überschritten, müsse dies «mit zusätzlichen Lohnmassnahmen abgefedert» werden. Der Lehrerverband Lebe lobt, das Stimmvolk habe Augenmass bewiesen. Die beschlossene Lösung sei für den Kanton und das Personal «hart, aber fair». Die Gewerkschaft VPOD spricht von einer «fairen, guten» Lösung.

Der zuständige Regierungsrat Bernhard Pulver (Grüne) trat gestern mit «grosser Erleichterung» vor die Medien. Er freute sich, dass die Mehrheit ein starkes, positives Zeichen an das Personal ausgesandt und den breit getragenen Kompromiss gutgeheissen habe.
 

Höheres Rentenalter, höhere Schulden

Nun steht fest, wie der Kanton Bern die Pensionskassen des Staatspersonals (BPK) und der Lehrpersonen (BLVK) saniert. Die Vorlage im Überblick:

- Schuldanerkennung. Der Kanton kommt bei beiden Kassen für den Teil der Unterdeckung auf, der auf die Rentner entfällt. Wie viel das kostet, weiss noch niemand, da der Deckungsgrad von Ende 2014 entscheidend sein wird. Per Ende 2013 hätten die Steuerzahler 1,1 Milliarden Franken aufbringen müssen.

- Finanzierungsbeiträge. Um den Rest der Unterdeckung zu beheben, zahlen Arbeitgeber und Angestellte 20 Jahre lang sogenannte Finanzierungsbeiträge. Diese schmälern das verfügbare Einkommen der Angestellten. Allerdings zahlen sie voraussichtlich nur 40 Prozent der Beiträge, 60 Prozent übernimmt der Kanton. Für die Lehrpersonen soll sich wenig ändern, da die neuen Lohnabzüge so hoch sein dürften wie die heutigen Sanierungsbeiträge (1,7 Prozent des versicherten Lohns). In Franken bedeutet das bei einem Bruttolohn von 100 000 Franken einen Lohnabzug von gut 100 Franken im Monat. Das Staatspersonal muss neu mit zusätzlichen Lohnabzügen von 0,8 Prozent rechnen. Die Höhe kann über die Jahre ändern, je nachdem, wie viel Geld die Kassen an den Kapitalmärkten erwirtschaften.

- Rentenalter 65. Im Unterschied zur BLVK liegt das ordentliche Rentenalter der BPK bei 63 Jahren. Nun wird es auf 65 angehoben. Staatsangestellte müssen zwei Jahre länger arbeiten, um etwa dieselbe Rente zu erhalten wie bisher.

- Primatwechsel. Beide Kassen wechseln 2015 vom Leistungsins Beitragsprimat. Das bedeutet vor allem, dass die Höhe der Renten nicht mehr im Voraus in Prozenten des letzten Lohns garantiert sein wird. Neu ist wie in den meisten anderen Kassen entscheidend, wie viel Geld einbezahlt wird, welche Renditen die Kassen erzielen und wie hoch sie den Umwandlungssatz zur Berechnung der Rente ansetzen. Um das Personal beim Wechsel schadlos zu halten, verteilt der Kanton voraussichtlich rund 500 Millionen Franken als Übergangseinlage.

- Neuverschuldung. Alles inklusive führt die Pensionskassenvorlage zu einer Neuverschuldung von voraussichtlich 2,4 Milliarden Franken (Stand Ende 2013). Damit erhöht sich die Bruttoschuld des Kantons Bern von knapp 7 auf über 9 Milliarden Franken.

 

Info:
Hauptvorlage: 193 561 Ja (61,6 %), 120 158 Nein (38,3 %)
Eventualantrag: 183 732 Ja (61,4 %), 115 282 Nein (38,5 %)
Stichfrage: 176 777 (60,5 %) für Hauptvorlage, 115 289 (39,4 %) für Eventualantrag

 

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